von numiscontrol
19. April 2018 – Der 0-Euro-Souvenir-Schein erobert inzwischen ganz Europa und wird anscheinend immer beliebter. Doch ist nicht alles Gold, was da glänzt. Die ursprünglich gute Idee des Franzosen Richard Faille ruft inzwischen immer mehr Spekulanten in den Ring. Ein durchaus lukratives Nebengeschäft, denn Sammler zahlen gern etwas mehr. Der einst angedachte gute Zweck ist dabei schnell vergessen. Gelder, welche die Einrichtungen dringend gebrauchen könnten, werden anscheinend durch Spekulanten und zahlungskräftige Zwischenhändler auf den Zweit- und Drittmärkten verdient. Es stellt sich wieder einmal die Frage, sind denn Sammler auch Spekulanten und können Spekulanten gleichzeitig Sammler sein? Was ist Wert, wer bestimmt den Wert und ist es überhaupt wert darüber nachzudenken? Ich denke, es ist wieder einmal das kleine treffende Wort „Gier“, was an dieser Stelle „Alle“ vereint! Ob man dabei sein will, muss wohl auch hier jeder selbst für sich entscheiden.
Mein erster 0-Euro-Schein mit der Albrechtsburg Meissen. Foto: Angela Graff.
Mein erster 0-Euro-Schein
Da lag er nun vor mir, mein erster 0-Euro-Souvenir-Schein und duftete dabei ein wenig nach dem Designer-Parfüm „Cash“. Ja, es ist wahr, schon vor einigen Jahren war es einem Top-Designer gelungen, den Geruch von frisch gedruckten Dollar-Banknoten einzufangen und in Parfümflaschen abzufüllen. Das nennt sich dann Kunst! Durchaus künstlerisch gestaltet ist nun auch mein erster 0-Euro-Schein mit dem Motiv der Albrechtsburg Meissen auf der Vorderseite. Das gute Stück hatte mich vor einigen Wochen bei einem Besuch des ersten Schlossbaues in Deutschland ganze zwei Euro gekostet. Das Nützliche daran ist, neben einer durchaus attraktiven Erinnerung an den Besuch kommt ein Teil des Erlöses auch der besuchten kulturellen Stätte zugute. Man hilft also direkt mit, das kulturelle Erbe zu erhalten. Eine gute Sache!
Der freundliche Servicemitarbeiter überreichte mir einen Schein mit der Nummer XENQ006667 und dem Hinweis, dass sich sein Kollege schon vor mir den Schein mit der Nummer XENQ006666 gesichert habe. „Solche ,besonderen Nummern‘ sind eben gefragt und werden entsprechend gehandelt“, fügte er lächelnd hinzu. Nun war bei mir endgültig die Idee geboren, mich doch etwas mehr mit diesen Souvenir-Scheinen zu befassen.
Ein neuer 0-Euro-Schein mit dem Motiv Brandenburger Tor. Foto: Angela Graff.
Eine gute Idee wird geboren
Wer Medaillen sammelt, dem dürfte der Franzose Richard Faille nicht ganz unbekannt sein, denn seine im Laufe von 18 Jahren geschaffenen Gedenkmedaillen begeistern nicht nur Touristen. Faille ging dazu eine Partnerschaft mit der Monnaie de Paris ein, welche er dann im Jahre 2012 verließ und die Aktivität an die Prägestätte abtrat. Er hatte bereits eine neue Idee: Es sollte ein Euro-Souvenir-Schein werden, dessen Abbildungen attraktive touristische und kulturelle Stätten Europas zeigen. Die Scheine sollten dabei äußerlich das möglichst perfekte Aussehen einer Euro-Banknote besitzen und auch einige Sicherheitsmerkmale tragen. Es gelang ihm, eine Partnerschaft mit der französischen Druckerei für Banknoten Oberthur Technologies in Colombes einzugehen und gemeinsam den 0-Euro-Souvenir-Schein zu entwickeln.
Vorerst nur für Frankreich und Monaco vorgesehen wurde 2015 die erste Serie von 100 verschiedenen Motiv-Scheinen hergestellt. Dargestellt waren auf den von Richard Faille gestalteten Scheinen fast ausschließlich französische Kulturdenkmäler wie der Eifelturm, Le Mont-Saint-Michel oder die Opéra Garnier in Paris. Für Monaco wurde das Motiv Musée Océanographique de Monaco geschaffen. Vertrieben wurden die Scheine über Verkaufsautomaten, die an den Stätten aufgestellt waren, und es den Besuchern erlaubten, für zwei Euro ein besonderes Souvenir zu erwerben. Es entwickelte sich in kurzer Zeit ein regelrechter Boom auf diese Scheine und bald schon gab es hunderte Angebote auf den Seiten der Internet-Auktionshäuser zu sehen. Die Auflagenhöhe scheint mittlerweile nicht immer nur vom Auftraggeber, welcher auch meist nicht direkt benannt wird, bestimmt zu werden. Waren zunächst Auflagen ab 5000 Exemplare der Richtwert, sind heute auch deutlich höhere und niedrigere Auflagen möglich. Auch der Automat ist bei der Abgabe nicht zwingend nötig. Es gibt mittlerweile auch dekorative Aufsteller für den Empfangstresen.
Fast wie eine richtige Banknote
Für zwei Euro bekam und bekommt man auch heute (allerdings mit preislichen Abweichungen je nach Herausgeber) einen Souvenirschein in brillanter Qualität aus einer richtigen Geldscheindruckerei und auf Sicherheitspapier gedruckt. Und das fühlt man auch! Farblich lehnen sich alle Scheine an die jüngst abgeschaffte 500-Euro-Banknote an. Ausgestattet mit Mikrotext, Wasserzeichen, Hologramm, ertastbaren Markierungen, Sicherheitsfaden und UV-Elementen, ähneln sie tatsächlich verblüffend einem echten Geldschein – wenn da die „0“ nicht wäre. Natürlich musste, bevor ein Druck überhaupt möglich war, die Genehmigung der EZB (Europäische Zentralbank) eingeholt werden. Und trotzdem hat man dort wohl wieder einen wichtigen Punkt übersehen, aber darauf komme ich später noch einmal zurück.
Das Format des Souvenir-Scheins ist mit 135 x 74 mm geringfügig größer als die 20-Euro-Banknote (133 x 72 mm) und jeder Schein trägt auf der Vorderseite unten rechts, eine vierstellige Buchstabenfolge nebst sechsstelliger Nummernfolge. Die oben links angebrachte vermeintliche Europaflagge entpuppt sich beim genauen Betrachten als blauer Untergrund auf dem radial das Wort „EUROSOUVENIR“ steht. Rechts daneben stehen Jahreszahl und Motivnummer. Beim Betrachten mit UV-Licht werden einige zusätzlichen Elemente sichtbar.
Zubehör und Katalog
Inzwischen ist die Zubehör-Industrie auf dieses Sammelgebiet längst aufmerksam geworden und versucht die Sammler mit allerlei Aufbewahrungsalben zu interessieren. Hier muss jeder für sich entscheiden, was er braucht und was nützlich ist. Einen Katalog zum Thema gibt es inzwischen ebenfalls und obwohl dieser speziell nur die bisherigen Ausgaben aus Deutschland und Österreich aufgreift, gibt er doch gleichzeitig einen ersten Überblick auch über andere Souvenir-Ausgaben der europäischen Länder. Ein Anfang ist also gemacht und der kann sich sogar sehen lassen. Da steckt eine Menge Arbeit darin, das sieht man auf dem ersten Blick. Außerdem hat der Herausgeber schon für den Monat Juni 2018 einen weiteren Katalog zum Thema angekündigt. Man darf also gespannt sein.
Ungewollte Austriebe
Nun ist es zwar begreiflich, dass Scheine mit der Zeit auf dem Sammlermarkt etwas mehr kosten als am Ausgabeort direkt. Jeder Sammler wird hier für sich auch sicher einen gewissen Spielraum schon vorweg einplanen. Das gilt natürlich auch, wenn ein Motiv nicht mehr erhältlich ist, weil es inzwischen vom gleichen Ausgabeort ein weiteres Motiv gibt. Doch hat solch ein „normaler“ Sammler mittlerweile überhaupt noch die Möglichkeit eine außergewöhnliche Nummer wie die oben genannte „006666“ normal aus einem Automaten zu ziehen? Wenn ich mir die Angebote der Internet-Auktionshäuser ansehe, kommen mir da arge Zweifel. Das Geschäft mit derartigen Scheinen steht in voller Blüte und die einzeln nummerierten Serien geben anscheinend noch mehr Anreiz zum puren Geschäft, welches als gemeinnützige Sache gedacht war. Hier geht es schon lange nicht mehr allein um die glückliche Feststellung „An der Quelle saß der Knabe“. Beispiel gefällig?
Wie kann es sonst möglich sein, dass ein europäischer, als geschäftlich angemeldeter Verkäufer, welcher seinen Geschäftssitz nicht in Deutschland hat, vom 0-Euro-Souvenierschein „Schloss Moritzburg“, alle Scheine mit der laufenden Zahl unter Hundert anbieten kann? Natürlich mit entsprechendem Preisanstieg. Und das ist wirklich nur ein Beispiel! Es ist dabei wichtig zu unterscheiden. Alle gewöhnlichen und zum Sammeln dazugehörende Spezialgebiete, wie Fehlschnitte, Fehldrucke oder andere, beim Druck entstandenen Abweichungen, sind damit nicht gemeint, denn es sind wahre Spezialitäten! Ein Sammelgebiet kann sehr schnell uninteressant werden, wenn es Leute gibt, egal an welcher Stelle sie auch sitzen mögen, die frisch ausgegebene Serien „vorsortieren“ dürfen. Ich habe mir dazu mehrere Informationen und Stellungsnahmen eingeholt und überall bekam ich die Auskunft, dass der Auftraggeber immer die komplette Serie mit allen Scheinen ausgehändigt bekommt. Und so sollte es auch sein.
Die gemeinsame Rückseite ist zwar auch sehr hübsch, an Blinde und Sehschwache hat auch an dieser Stelle leider niemand gedacht. Foto: Angela Graff.
Blinde und Sehschwache wurden wieder einmal vergessen
Wie schon oben erwähnt, wurden die 0-Euro-Souvenir-Scheine erst mit der Genehmigung der EZB möglich und deren Ausgabe legalisiert. Sicherlich haben sich dort die Leute auch ausgiebig damit befasst und ernsthaft abgewogen, was möglich und was eher bedenklich ist. Es folgte der Beschluss, und die Souvenir-Scheine konnten verkauft werden. So schön, so gut. Wer nicht betroffen ist, der wird alles sicherlich mit anderen Augen sehen. Doch wir dürfen dabei nicht die Menschen vergessen, die nicht mit ihren Augen so gut wie wir oder gar nicht sehen können! Allein in Deutschland leben ca. 155.000 blinde und etwa eine halbe Million stark sehbehinderte Menschen. Für die Erkennung von Euro-Banknoten stehen leider nur wenig Hilfen zur Verfügung. Da sich die Betroffenen bei Banknoten vorwiegend an der Größe des einzelnen Scheines orientieren, ist die Gefahr wohl sehr groß, dass es zu Verwechslungen kommt. Schon vor Jahren hatte ich einen Artikel über die Probleme der Betroffenen mit dem Erkennen der Euro-Banknoten verfasst, denn bekanntlich gab es ja auf der ersten Ausgabe der Euro-Banknoten keinerlei fühlbare Erkennungsmerkmale. Erst heute rüstet man die neuen Scheine damit aus. Trotzdem blieb die Scheingröße ein wichtiges und unverzichtbares Erkennungsmerkmal für Betroffene. Ich selbst habe solch einen 0-Euro-Souvenir-Schein einigen Betroffenen vorgelegt, und es gab zunächst kaum Verunsicherungen, da man den kleinen Größenunterschied wohl kaum bemerkte. Der Schein wurde als kassenfrischer 20-Euro-Geldschein anerkannt. Hat man darüber einmal bei der EZB nachgedacht? Wohl nicht!
Da hier wirklich die Möglichkeit einer Verwechslung besteht, gerade bei der Herausgabe von Wechselgeld in mehreren Scheinen, sollte man ernsthaft darüber nachdenken, noch ein zusätzliches Merkmal für Blinde und Sehschwache anzubringen. Es sollte demnach jeder Souvenir-Schein die „0“ nicht nur aufgedruckt, sondern auch nach Braille fühlbar mit .: = 0 gekennzeichnet sein. Damit hätte man auch diese Betroffenen berücksichtigt.
Die 0-Euro-Souvenir-Scheine sind trotzdem ein schönes, informatives und vor allem erschwingliches Sammelgebiet geworden. Ein Sammelgebiet, welches alle Altersgruppen auf der ganzen Welt begeistert.
Bei Billets-Touristique finden Sie auf französisch eine Liste der bisher erschienen 0-Euro-Scheine.
Eine Karte veranschaulicht, wie sich die so beworbenen Sehenswürdigkeiten geographisch verteilen.