Ein Schatzfund auf dem Papier und seine juristischen Verwirrungen

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26. Mai 2011 – Am 16. Mai 2011 fällte das Verwaltungsgericht Osnabrück ein Urteil über ein Medaillon des Claudius Gothicus aus den Jahren 268 bis 270. In dem Verfahren war es darum gegangen, ob das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur eine Münze per Anhalteverfügung weiter sicherstellen lassen durfte, obwohl das staatsanwaltliche Verfahren bereits abgeschlossen und keine Anklage wegen irgendwelcher Unrechtmäßigkeiten erhoben worden war. Die Entscheidung zeigte wieder einmal, daß deutsche Gerichte Beweise wollen: die Sicherstellung war rechtswidrig.

Die Situation
Aber von Anfang an: Am 12. März 2010 bot das Auktionshaus Künker in Auktion 168 unter Lot Nummer 7.844 ein Goldmedaillon des Kaisers Claudius II. Gothicus zu acht Aurei an. Das in Mediolanum geprägte Stück mit seinem Gewicht von 39,11 g war sehr schön erhalten und stammte aus einer im Januar 2007 in New York abgehaltenen Auktion namens „The News York Sale“. War es damals für 40.000 $ verkauft worden, lautete das Ergebnis nun 54.000 Euro, mit Aufgeld und Mehrwertsteuer also rund 66.500 Euro.

Schon als das Stück zugeschlagen wurde, war es klar, daß sein neuer Besitzer es nicht sofort in Empfang würde nehmen können. Denn das Amtsgericht Osnabrück hatte am 9. März auf Ersuchen der Republik Frankreich eine Beschlagnahme angeordnet, da eine Herausgabe an die französischen Behörden in Betracht käme und Verdacht auf Unterschlagung bestünde.

Dieser Fall ist kein Einzelfall. Zwei weitere Auktionshäuser sind betroffen. Bei Meister & Sonntag in Stuttgart wurde auf Ersuchen Frankreichs ein Aureus des Quintillus beschlagnahmt, bei Rauch in Wien ein Aureus des Claudius Gothicus. Für alle drei Stücke postuliert die französische Behörde, die mit dem Schutz von französischem Kulturgut befaßt ist, eine Herkunft aus dem so genannten Schatz von Lava, einer numismatischen Invention.

Der so genannte Schatzfund
Denn niemand weiß Näheres, wann und ob dieser Schatz wirklich existierte. Ungefähr seit 1957 tauchten im französischen Handel verstärkt Goldmünzen der vier Kaiser Gallienus, Claudius Gothicus, Quintillus und Aurelianus auf. Natürlich hatte man vergleichbare Stücke bereits früher gekannt, aber in dieser Menge waren sie noch nie auf dem Markt erschienen. Ein Sammler vertraute dem Numismatiker Jean Lafaurie an, seine neuen Stücke würden aus einem Fund stammen, den ein Korallenfischer Mitte des 19. Jahrhunderts vor Korsika gemacht habe. Daraufhin veröffentlichte Lafaurie einen Artikel über einen „Schatzfund aus einem römischen Schiff, gefunden im Mittelmeer“ (J. Lafaurie, Trésor d’un navire romain trouvé en Méditerranée, RN 1958, S. 79-104.)

Als weitere Stücke im Verlauf der 70er Jahre auftauchten, die hinsichtlich Typologie identisch und in einigen Fällen sogar mit Stücken aus der ersten Partie stempelgleich waren, kam es zu einem zweiten Aufsatz, über die 46 neuen Stücke, so daß der „Schatzfund“ nun auf 87 Exemplare angewachsen war. Lafaurie und sein Mitautor Huvelin beriefen sich auf die Aussagen des französischen Münzenmarkts, als sie angaben, die Stücke kämen aus einer heimlichen Grabung auf dem Meeresgrund vor Korsika. Die Erwägung, diese Stücke könnten von einem anderen Ort stammen als die erste Partie wurde nicht einmal angestellt. (H. Huvelin und J. Lafaurie, Trésor d’un navire romain trouvé en Méditerranée. Nouvelles découvertes, RN 1980, S. 75-105.)

Neue Bewegung kam in die Angelegenheit, als in den Jahren 1985/6 neue Goldmünzen aus der fraglichen Zeit auftauchten. Als Finder wurden zwei Korsen ermittelt, die zusammen mit dem Pariser Münzhändler Jean Vinchon 1995 – 10 Jahre später! – wegen Unterschlagung von Staatseigentum beziehungsweise Hehlerei zu Freiheitsstrafen mit Bewährung und hohen Geldstrafen verurteilt wurden. Das französische Recht sieht nämlich für Schätze, die aus dem Meer geborgen werden, Staatseigentum vor. Im Jahr 2004 schilderte einer der beiden Taucher in einem Buch mit dem Titel „Der Schatz von Lava – Das römische Goldfieber bei den korsischen Tauchern“ (F. Biancamaria, Le Trésor  de Lava – La fièvre de l’or romain chez les plongeurs corses, 2004) seinen Fund genau und illustrierte ihn mit Unterwasseraufnahmen. Nun ermittelt die französische Polizei erneut gegen ihn: Er habe weitere Goldmünzen in seinem Besitz gehabt, die er nun auf den Markt gebracht hätte.

Fassen wir zusammen: In den späten 60er Jahren kamen Goldmünzen der Soldatenkaiser auf den Markt, die aus einem Schatzfund aus einem römischen Schiff stammen sollten. In den 70er Jahren tauchten wieder Goldmünzen dieser Zeit auf, von denen das Gerücht auf dem numismatischen Markt dasselbe behauptete. Für die Stücke aus den Jahren 1985/6 konnte man nun tatsächlich beweisen, daß diese im Golf von Lava gefunden worden waren.
Aber daraus zu schließen, daß alle Aurei und Medaillons der Kaiser Gallienus, Claudius Gothicus, Quintillianus und Aurelianus, die sich auf dem Markt befinden, aus diesem Schatzfund stammen müssen, käme wohl nur einem Beamten in den Sinn, einem Beamten, der keine Ahnung hat, wie lange in Europa schon Münzen gesammelt werden. Die Wissenschaftlerin Sylviane Estiot, die sich jüngst mit dem Schatzfund von Lava beschäftigt hat, gestand selbst: „Man wird niemals den realen Umfang oder den genauen Katalog kennen…“ (on ne connaitra jamais ni l’ampleur réelle ni le catalogue exact, aus S. Estiot, Le trésor d’or romain de Lava, in: Moselgold – Der römische Schatz von Machtum, 2008). Nichtsdestotrotz werden all die 452 von ihr archivierten Goldgegenstände und Münzen so behandelt als stünde fest, daß sie Teil eines – eigentlich nur postulierten – großen Schatzfundes sind, auf dessen Eigentum der französische Staat Anspruch erhebt.

Das Urteil
Tatsächlich folgte das Verwaltungsgericht Osnabrück der Argumentation, ein Medaillon des Claudius Gothicus müsse aus dem Schatzfund von Lava stammen, weil dort Medaillons des Claudius Gothicus vorgekommen seien, nicht. Ulrich Künker, geschäftsführender Gesellschafter der Fritz Rudolf Künker GmbH zeigte sich darüber erfreut: „Wir freuen uns sehr über den Ausgang der Verhandlung und der damit verbundenen Entsprechung unserer Klage gegen das Ministerium. Der für uns positive Ausgang dieses Falls hat auch für ähnliche Prozesse eine große Bedeutung.“ Insofern ist es sehr wichtig, daß Ulrich Künker ankündigt, es nicht darauf beruhen zu lassen: „Nun werden wir uns im nächsten Schritt vorbehalten, die Schadensersatzklage gegen das Land Niedersachsen weiterhin zu verfolgen.“ Dr. Diethardt von Preuschen, der das Auktionshaus in dem Prozeß vertreten hatte, meinte dazu: „Es ist für ein Auktionshaus imageschädigend und diskriminierend, wenn ihm rechtswidrig ein wertvoller Handelsgegenstand wie diese antike Münze über Monate vorenthalten wird. Das ist ein rechtswidriger Eingriff in einen ausgeübten Gewerbebetrieb.“

Übrigens, mündlich ermahnte der Richter die Kläger rechtzeitig auf ihr Kulturgut zu achten. Wenn einem so an dessen Schutz gelegen sei, müsse man eben die internationalen Auktionskataloge regelmäßig sichten, um eine Münze bei ihrem ersten Auftauchen zu stoppen.
Dem können wir nur Recht geben. Kulturgüterschutz hat mit Schutz zu tun, nicht damit, unbeweisbare Anklagen gegen Dritte zu erheben.

von Ursula Kampmann