Muse – Macht – Moneten

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von Ursula Kampmann

15. Dezember 2016 – Berlin ist eine Stadt, in der jahrzehntelang zwei Weltmodelle aufeinanderprallten: Soll man die Ressourcen eines Staates gleichmäßig an alle verteilen oder soll derjenige, der mehr leistet auch mehr Ressourcen für sich reklamieren können? Mit anderen Worten hat der Kapitalismus oder der Sozialismus mehr Berechtigung? Auf die Geschichte zu verweisen, ist nicht unbedingt eine Antwort, denn häufig setzt sich nicht das bessere, sondern das pragmatischere System durch. Und wenn wir heute über Burnout und Bankenrettung diskutieren, mag man sich durchaus fragen, ob es nicht auch im real existierenden Sozialismus sinnvolle Ansätze gab.

Alexa Küter, Bernhard Weisser, Muse macht Moneten. Kunst prägt Geld. Eine Ausstellung des Münzkabinetts mit Leihgaben der Sammlung Haupt „Dreißig Silberlinge – Kunst und Geld“. Gietl Verlag, Regenstauf 2016. 255 S., durchgehend farbig illustriert. 17,4 x 24,6 cm. Hardcover. ISBN: 978-3-86646-137-6. 29 Euro.

Künstler sind berühmt dafür, gegen den Strom zu schwimmen und unbequeme Fragen zu stellen. Die drehen sich natürlich auch um das Geld und seine Rolle im Leben der Menschen. Das Berliner Münzkabinett hat eine Ausstellung konzipiert, in der die künstlerische Auseinandersetzung mit dem wichtigsten Medium der modernen Welt, dem Geld, dokumentiert wird. Ein interessanter Ansatz, denn eigentlich finden die großen sozialen Fragen der Gegenwart normalerweise nicht im Museum ihren Niederschlag. (Es sei denn, wie in den letzten Jahren immer mehr üblich, die Politik nimmt die Museumsdirektion in die Pflicht. Und nein, ich werde jetzt nicht über die Ausstellung des Schweizerischen Landesmuseums mit dem Titel „Flucht“ schreiben.) Wie auch immer. Das Berliner Münzkabinett widmet sich seinem ureigensten Thema, dem Geld. Der Katalog dazu – sehr textlastig und absolut lesenswert – ermöglicht für alle, die nicht nach Berlin kommen können, eine vertiefte Beschäftigung mit diesem Thema.

Der Katalog teilt sich in drei Abschnitte. Im ersten Teil werden Medaillen gezeigt, die zwischen 1986 und 2015 entstanden – mit einem Schwerpunkt auf der 1993 entstandenen Edition „Kunst-Geld“. Es berührt eigenartig, wenn man sich zum Beispiel die Werke von Horst Engelhardt ansieht: Er schuf 1993 mehrere Medaillen. Eine auf den Solidarpakt – ein Jüngling schultert den schweren Sack mit seinen vielen D-Mark, andere mit Aufschriften wie „Wie gewonnen, so zerronnen“ oder „Ohne Geld ein Wurm, mit Geld ein Drachen“. Da hat ein Künstler wohl sehr klar und viel früher als die Politik verstanden, dass Einigkeit nicht nur über finanzielle Transaktionen herzustellen ist.

Der zweite Teil versammelt Objekte aus der Sammlung Haupt, die den schönen Titel trägt „Dreißig Silberlinge – Kunst und Geld“. Es handelt sich dabei um die unterschiedlichsten Kunstformen: Bilder, Graphik, Installationen. Wir finden Werke von unbekannteren und bekannten Künstlern, wie Beuys und Hundertwasser, von denen sogar der nicht museumsaffine Durchschnittsbürger gehört hat.

Der dritte Teil beschäftigt sich mit einer Medaillenedition von 2016. Die beiden Teile Deutschlands sind enger zusammengewachsen und das Verhältnis zum Geld hat sich verändert / normalisiert / verbessert / verschlechtert / was auch immer. Das kann der Leser selbst entscheiden, wenn er die Medaillen von 2016 mit denen von 1993 vergleicht.

Die „Ausstellungsmacher“, Alexa Küter und Bernhard Weisser, geben dem Leser zu Beginn des Buches ihr Anliegen mit auf den Weg: „Das Anliegen … besteht keineswegs in einer Analyse von Kunstwerken oder Künstlerpersönlichkeiten unter dem Aspekt, wie sich der Konflikt zwischen Kunst, Geld, Käuflichkeit und Freiheit in ihrem Oeuvre oder ihrem Leben widerspiegelt. Zentral ist vielmehr der Perspektivwechsel, die an die Künstler selbst gerichtete Frage. Welche Erfahrung machen sie mit diesen Polen? Wer hat im täglichen Leben eines Kunstschaffenden die Macht, wer ist der „Macher“? Hat der Wert der Kunst auch für Künstler einen Preis?“

Als Rezensentin muss ich gestehen, dass mich bei der Lektüre des Katalogs und dem Betrachten der Kunstwerke eine andere Frage bewegte: Was bedeutet Geld für mich? Und wie hat es sich in den vergangenen 30 Jahren – 30 Jahre gelten in der Geschichte als eine Generation – verändert? Und damit hat in meinen Augen das Buch seinen Zweck übererfüllt. Denn wirklich gute Kunst bringt uns doch in erster Linie zum Nachdenken über uns selbst.