Reisetagebuch einer Numismatikerin durch die Türkei (2009) – Teil 2

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von Ursula Kampmann

2. Februar 2012 – Silifke, das antike Seleukeia am Kalykadnos, ist ein kleines Provinzstädtchen am Ende der Welt, in dessen Nähe einst Friedrich Barbarossa ertrank. Begleiten Sie uns auf unserem Weg bis in die antike Weltstadt Antiochia und in den wundervollen Hain von Daphne, der heute noch ein wichtiges Erholungsgebiet der Antiochener ist.

14. Juni 2009 – Silifke
Am Sonntag ging es wieder ein Stückchen weiter. Wir hatten uns für Silifke entschieden. Ich hatte gehört, daß das eine wunderschöne kleine Stadt am Göksu (= schönes Wasser) sei mit viel Grün, nicht überlaufen und immerhin das antike Seleukeia am Kalykadnos.

Seleukeia. Caracalla. Rv. Thronender Dionysosknabe, umtanzt von drei Korybanten. SNG Levante 748. Aus Auktion Gorny & Mosch 159 (2007), 306.

Seleukeia am Kalykadnos wurde von Seleukos I. gegründet, der dazu die Bewohner der etwas westlich davon gelegenen Stadt Holmoi umsiedelte. Gedacht war die Stadt als militärischer Stützpunkt gegen die Stämme, die im Taurosgebirge lebten. Doch durch ihre verkehrstechnisch wichtige Lage muß sich die Stadt auch als Handelsmetropole entwickelt haben.

Seleukeia. Gordian III. Rv. Kaiser in Militärtracht bekränzt die Tyche von Seleukeia. SNG Levanten Suppl. 203. Aus Auktion Gorny & Mosch 160 (2007), 2001.

Gemessen an seiner Münzprägung war Seleukeia eine der wichtigsten Städte im rauen Kilikien, doch die schriftliche Überlieferung fließt für die römische Kaiserzeit nicht allzu reichlich. Wir wissen, daß die Stadt den Status einer „civitas libera“ innehatte. Ihr bedeutendster Bürger war Xenarchos, Lehrer des bekannten Geographen Strabon von Amaseia (64/3 v. Chr. – 24 n. Chr.).

Friedrich I., 1152-1190. Pfennig. Av. Sitzender König mit Palmzweig und Lilie. Rv. Mauer mit drei Türmen. Unpubliziert. Aus dem Barbarossa-Fund. Aus Auktion Münzen und Medaillen Deutschland 28 (2008), 669.

Für das Mittelalter haben wir mehr Informationen. Seleukeia wurde im 7. Jahrhundert als byzantinische Festung gegen den Islam ausgebaut. Zu Beginn des 1. Kreuzzugs 1198 ging die Burg an die Franken verloren, konnte aber bald wieder von den byzantinischen Truppen übernommen werden. Sie war auch im byzantinisch-armenischen Konflikt heiß umkämpft. In der ganzen Welt hörte man vom Kalykadnos bzw. wie er nun hieß vom Saleph, als Barbarossa am 10. Juni 1190 in eben diesem Fluß ertrank!
Und das war für uns der Grund, warum wir uns diese Stadt unbedingt genauer ansehen wollten!

Wir erwischten einen Bus nach Silifke. Allerdings war das wohl kein Expreß. Er hielt an jedem Strauch, wenn nur einer dahinter stand und winkte. Kaum ein Türke, der sich auskennt, rennt zum Busbahnhof. Stattdessen stellt man sich an den Straßenrand, winkt und wird eingeladen. Das mag ja recht praktisch sein, hält die Fahrt aber ungemein auf. Auch wenn die Prozedur ziemlich routiniert funktioniert. Der Fahrgast hat sein Gepäck an den Straßenrand gestellt, der Boy lädt ein, während der Fahrgast einsteigt. Sobald die Gepäcklade geschlossen ist, fährt der Busfahrer ab. Der Boy muß aufspringen, während der Bus Fahrt aufnimmt.
Gute dreieinhalb Stunden brauchten wir für die 144 Kilometer – es war aber eine wundervolle Fahrt durch das raue Kilikien. Die Bergstraße führt an der Küste entlang über steile Abhänge, wildromantische Schluchten, an einsamen Burgen vorbei.
Irgendwann waren wir plötzlich in Silifke. Wir merkten es daran, daß der Boy uns aufforderte, wir sollten aussteigen. Ich wagte noch „Otogar“ (= Busbahnhof) zu bemerken, doch nichts da. Wir wurden mitsamt unseren Koffern herausexpediert. Da standen wir nun, irgendwo am Stadtrand und blickten uns ein bißchen hilflos an.

Die hl. Thekla zwischen zwei Bestien. Aus Auktion Gorny & Mosch 156 (2007), 2522.

Ich hatte im voraus geguckt, welches Hotel für uns in Frage käme und mich für das Ayathekla entschieden. Die hl. Thekla soll der Überlieferung nach durch ein Wunder vor der Hinrichtung im Feuer bzw. durch wilde Tiere gerettet worden sein und ihr Leben friedlich in einer Höhle in der Nähe von Silifke beendet haben, wo es heute noch ein Heiligtum gibt. Ein würdiger Name für eine Unterkunft in Silifke, so dachte ich. Nun, billig war das Hotel ja, und das Zimmer schien in Ordnung. Zwei Räume, eine funktionierende Klimaanlage, gut, alles abgewohnt, die Dusche ein Schlauch und ein Loch im Boden, aber wir waren eben in der Provinz. Was sollten wir tun? Weiter suchen? Nein, wir nahmen das Zimmer, und erst danach stellte ich fest, daß die Toilette noch nicht mal eine Klobrille hatte. Das war’s! Ich hatte die Schnauze voll! Wenn mir jemand in dieser Minute angeboten hätte, nach Hause zu fahren, ich wäre sofort weg gewesen. Ich hatte genug von diesem Land, wo nichts so ist wie daheim, wo es tausend tolle Grabungen geben muß, an die man nicht rankommt, weil kein Bus hinfährt, und wo meine Sprachkenntnisse nicht ausreichen, um den Leuten zu sagen, wohin ich gerne möchte. Ich saß da, heulte und wollte einfach nur weg!

Ein Blick in die Vitrinen mit dem Schatzfund von Meydancik Kalesi. Foto: KW. – Sorry für die schlechte Qualität, aber die Lichtverhältnisse waren mehr als schwierig!

Statt nach Hause zu fahren, gingen wir ins Museum. Wieder mal eines von denen, in die alle paar Wochen ein Tourist kommt. Der Museumswärter begrüßte uns persönlich mit Handschlag. Extra für uns wurde das Licht angeschaltet. Schließlich lag hier der berühmte Schatzfund von Meydancik Kalesi, ein Münzhort von rund 5.000 Stücken. Das meiste waren Drachmen und Tetradrachmen von Alexander, aber dazu enthielt er mindestens genauso viele Münzen des Ptolemaios. Schließlich beherrschten die Ptolemaier nicht nur das nahe gelegene Zypern, sondern auch die Südküste zu großen Teilen. Leider war die Präsentation, nun nennen wir es verbesserungswürdig. Die Beleuchtung war eher für Eulen und andere Nachttiere geeignet. Mit Müh und Not konnte man das eine oder andere Stück erkennen. Dabei gab es durchaus Spektakuläres. Ich glaube sogar ein Oktodrachmon mit dem Porträt des Ptolemaios gesehen zu haben (sicher bin ich mir bei der schummrigen Beleuchtung aber nicht).

Ein Blick auf den Kalykadnos. Foto: UK.

Richtig versöhnt war ich nach dem Münzschatz noch nicht. Wir stellten fest, daß es zu weit war, um den Ort des Todes Barbarossas zu erlaufen. Also blieben uns nur die Teegärten rechts und links vom hübschen Kalykadnos. Sie waren eigentlich wirklich hübsch, ja sogar romantisch, aber ich war sauer auf Silifke und hatte nicht vor zuzugeben, daß mir irgendwas gefiel.

15. Juni 2009 – Von Silifke nach Antakya
Am Montag wachte ich völlig erschlagen auf. Ich hatte miserabel geschlafen! Ich wollte nur noch weg. Dabei war ich ungerecht. Bis auf die fehlende Klobrille hatte alles funktioniert. Im Gegensatz zu Iskele war sogar das heiße Wasser gelaufen, die Klimaanlage kühlte, was das Zeug hielt, und die größte Überraschung erwartete uns unten: Wir gingen zur Rezeption, um herauszufinden, ob es zum Frühstück wenigstens einen Tee geben würde. Es gab nicht nur einen Tee, der nette Mann von der Rezeption brutzelte uns sogar ein ausgezeichnetes Omelett! Dazu gab es das übliche türkische Frühstück: Brot, Schafskäse, Oliven, sogar Honig, Marmelade, Gurken und Tomaten (eine richtige Schlemmerei).

Ein Blick in die Ausgrabungen des antiken Seleukeia. Foto: UK.

Die nächste angenehme Überraschung erwartete uns an der Bank. Weil wir so schlecht geschlafen hatten, waren wir natürlich viel zu früh da. Wir hatten am Vorabend ausgespäht, welche Bank am frühesten aufmachen würde. Eine öffnete um 8.30. Vor der standen wir nun fast eine halbe Stunde zu früh. Aber was geschah? Der Bankbeamte sah uns und schickte den Sicherheitsmann, um uns reinzulassen. Silifke hat einiges an Punkten wieder gut gemacht!

Am Busbahnhof erfuhren wir allerdings, daß der nächste direkte Bus nach Antakya erst um 13.30 gehen würde. Das bedeutete – ach ja – runde viereinhalb Stunden Wartezeit. Wir machten es uns gemütlich und warteten. Um halb zwei standen wir dann da, wer nicht da stand, war der Bus. Wir gingen zum Schalter, schließlich hatte man uns am Vortag in der Nähe des Busbahnhofs rausgeschmissen! Konnte es nicht sein, daß der Bus gar nicht den Bahnhof anfahren würde, sondern irgendwo an einer Ecke hielt und ohne uns weiterfuhr? Kurt machte sich kundig. Nein, hieß es, der Bus käme hierher, hätte nur eben fünf Minuten Verspätung. Eine halbe Stunde später ging ich, um zu fragen. Die Leute zeigten wenigstens eine gewisse Beständigkeit: leider, leider, noch fünf Minuten, aber dann würde der Bus kommen. Er kam tatsächlich – woran wir inzwischen schon lebhaft gezweifelt hatten. Allerdings fast eine ganze Stunde zu spät.
Dafür machte er eben keine Pause mehr. Wir hatten am Busbahnhof nichts gegessen, weil die Busse ja sonst immer an Raststationen halten. Diesmal reichte es gerade für drei kurze Entsorgungspausen in den etwa sieben Stunden Fahrt.
Die Strecke war mehr als gegensätzlich. Teilweise ist die Landschaft völlig verbaut. Jeder Türke scheint von einer Wohnung am Meer zu träumen, und die Realisation des nationalen Traumes wurde zum Alptraum. Es gibt einen Standardtyp von Wohnhaus – nur die Anzahl der Stockwerke unterscheidet sich: Er ist viereckig und enthält jeweils vier Appartements pro Stockwerk, an der Ecke der dazugehörige Balkon. Alles in Beton und in Bonbonfarben. Die Appartementhäuser ziehen sich mehrere Linien vom Strand ins Hinterland. Und der arme Strand! Immer wieder mußten wir feststellen, daß in der Türkei das Entsorgen der Abfälle noch in den Kinderschuhen steckt. Was übrig bleibt vom üppigen Picknick, zu dem inzwischen unabdinglich mehrere Tüten Chips, viele Petflaschen und sonstiges Fastfood gehören, bleibt einfach liegen und wird vom Wind in die Landschaft getragen. Die Strände sehen dementsprechend aus.
Doch sobald wir die Küste verließen und ins Hinterland kamen, wurde es wildromantisch. Endlose Felder mit Sonnenblumen, Reis und Orangenplantagen zogen sich entlang der Straßen hin. Wir fuhren durch hügeliges Land, ehe wir allmählich ins Bergland kamen, zur kilikischen Pforte, die immer wieder zum Sperrriegel für Eroberungsheere wurde.

Die Alexanderschlacht von Albrecht Altdorfer. Alte Pinakothek München. Quelle: Wikipedia.

So saßen wir ganz aufgeregt mit unserer Landkarte da und warteten, bis wir den Platz sahen, den wir für den Ort hielten, wo Alexander einst im Jahre 333 bei Issos gegen Dareios gekämpft hatte. Vielleicht war es auch nicht ganz der richtige Ort, aber das Gefühl dabei war trotzdem toll!
Irgendwann kamen wir in Antakya an. Wir fanden ein entzückendes Hotel in einem alten türkischen Wohnhaus und bekamen das Zimmer unter dem Dach. Wunderbar sauber, alles was man braucht, nur der junge Mann, der unsere schweren Koffer über die vielen Stufen rauftragen mußte, der tat mir richtig leid!

16. Juni 2009 – Antiochia
Heute Morgen sind wir erholt aufgewacht. Wir waren in Antiochia, einer der wichtigsten Städte im römischen Weltreich. Hier war die Aufmarschstation, wenn es mal wieder gegen die Parther ging! Hier wurden wundervolle Münzen geprägt. Hier mußte alles voll von Geschichte und Ruinen sein, dachte ich.

Antiochos VIII. Epiphanes, 125-96. Tetradrachmon, Antiochia. Rv. Zeus Nikephoros. Aus Auktion Gorny & Mosch 200 (2011), 2015.

Nach der Schlacht von Ipsos, dem Höhepunkt der Diadochenkriege im Jahr 300, gründete Seleukos I. zum Andenken an seinen Vater Antiochos die Stadt Antiochia, das heutige Antakya. Noch unter den Seleukiden blühte die günstig gelegene Stadt auf. Antiochos I. machte Antiochia zu seiner westlichen Hauptstadt. Die Bedeutung seiner Residenz ging erst zurück, als die Attaliden von Pergamon die Seleukiden als Beherrscher Kleinasiens ablösten. Antiochia hieß das Goldene, wohl wegen seiner Pracht, aber auch weil es ständig im neuen Glanz prangte. Wegen der vielen Erdbeben – das erst bekannte ereignete sich im Jahre 148 v. Chr. – wurde die ganze Stadt regelmäßig neu gebaut.

Augustus. Tetradrachmon, 5 v. Chr. Rv. Type von Antiochia, zu ihren Füßen der Orontes. Aus Auktion Gorny & Mosch 200 (2011), 2250.

Die Römer begriffen nach der Eroberung des Ostens sofort, welche strategische Lage Antiochia hatte. Sie machten es zu ihrer Basis – militärisch, verwaltungstechnisch und politisch. Im 2. Jahrhundert n. Chr. dürfte der Höhepunkt Antiochias gewesen sein. Schätzungen seiner Einwohnerzahl liegen bei 400-600.000. Damit war Antiochia nach Rom und Alexandria die drittgrößte Stadt der antiken Welt.

Philipp II. Antoninian, Antiochia. Rv. Philipp opfernd. RIC 236. Aus Auktion Gorny & Mosch 200 (2011), 2750.

Antiochia war auch immer wieder offizielle kaiserliche Münzstätte, wenn während eines Feldzugs Münzen geprägt werden mußten.
Und es wurde zu einem Zentrum der frühen Christenheit. Hier sollen die Anhänger des Apostels Petrus und Paulus zum ersten Mal als Christen bezeichnet worden sein.

Iulian Apostata. Solidus, Antiochia. RIC 202. Aus Auktion Künker 174 (2010), 1039.

Kunststück, daß die Bewohner von Antiochia sich mit Iulian, der sich stolz selbst den Abtrünnigen nannte, nicht gut verstanden. Während seines Perserfeldzugs besuchte er die Stadt und monierte die Tatsache, daß die alten Kulte mehr oder weniger in Vergessenheit geraten waren. Die Antiochener revanchierten sich mit Spott und destruktivem Verhalten, was den Kaiser seinerseits dazu brachte, seine Satire „Der Barthasser“ zu verfassen.

Fokas und Leontia. Follis, 603/4, Antiochia (= Theoupolis). Sear 671. Aus Auktion Künker 153 (2009), 9127.

526 wurde Antiochia durch ein großes Erdbeben zerstört. Iustinian ließ zahlreiche öffentliche Bauten restaurieren und die Stadt in Theoupolis umbenennen. Doch bereits zwölf Jahre später eroberte der Sasanide Chusro I. Antiochia. Auch wenn kurzzeitig die byzantinische Herrschaft wieder hergestellt werden konnte, fiel die Stadt 637 an die Araber. Mit ihrer Grenzlage zwischen den islamischen Fürstentümern und dem byzantinischen Reich wurde Antiochia ein Zankapfel, den sich 1098 die Kreuzfahrer unter den Nagel rissen.
Und hier wird die Geschichte erst richtig kompliziert. Belassen wir es also bei diesem kurzen Überblick zur antiken Geschichte Antiochias.

Der Orontes heute. Eine ziemliche Dreckbrühe. Foto: UK.

Unser erster Weg führte uns in das berühmte Mosaikmuseum von Antakya. Dazu mußten wir den Orontes überqueren. In der Antike war das ja einer der berühmtesten Flüsse des römischen Reiches, heute ist es ein kläglich, chemie-grünes Rinnsal voll Dreck. Man möchte das Klagelied eines verstopften Flußgott schreiben. Wenn ich denke, wie oft ich Orontes als jungen Mann dargestellt gesehen habe, wie er zu Füßen der Stadtgöttin Antiochia dahinschwimmt. Ich denke, heute würde er nicht einmal angeekelt seinen Zeh hier eintauchen.

Innenhof des Museums von Antiochia. Foto: KW.

Auch das Museum von Antiochia hat schon einmal bessere Zeiten erlebt. Der Bau sieht aus, als würde er schon vor dem nächsten Erdbeben zusammenbröckeln. Beschriftungen sind etwas, das in Antakya noch importiert werden muß. Wenn ich daran denke, daß ich mir einst, in Deutschland, vorstellte, ich könnte hier interessante Führer vor Ort kaufen! Die haben hier noch nicht einmal die Postkarte erfunden!

Fischdarstellungen auf einem Mosaik. Foto: UK.

Die Ausstellungsstücke waren natürlich großartig, auch wenn wir nur einen Bruchteil sehen konnten. Im Museum wird nämlich derzeit gebaut. Was gebaut wird, war nicht klar ersichtlich. Man hatte halt das halbe Museum dazu abgesperrt.

Bauarbeiten im Museum von Antakya. Foto UK.

Eine Poliermaschine, die die Säle unter Wasser setzte, kreischte, ein Staub tat sich auf, als sei ein Jeep auf einer Wüstenpiste mit 75 Kilometern durchgebrettert, die Mosaike sahen zu und mögen sich ihren Teil dazu gedacht haben.

Darstellung der Chryseis. Foto: KW.

Sie waren natürlich prächtig, auch wenn wir wegen der Bauarbeiten etwa ein Drittel nicht sehen konnten. Da gab es ganz feine mit naturalistischen Fischen, da gab es gröbere, aber alle mit sagenhaften Farben. Gott sei Dank war man in der Antike so vernünftig, auf die Mosaiken draufzuschreiben, was dargestellt ist, denn sonst hätten wir uns bei der Deutung mancher Darstellung ziemlich schwer getan.

Schatten und Ruhe im Basar. Foto: KW.

Nach dem Museum brauchten wir Wasser. Also ab in den nächsten Supermarkt. Zum Glück fanden wir keinen, stattdessen einen echten gedeckten Basar. Antakya gibt mir wirklich zum ersten Mal in diesem Urlaub das Gefühl in einer richtigen türkischen Stadt zu sein. Der Basar war wundervoll, alles durcheinander, Schuhe, Kleider, Seife, Nahrungsmittel, Gewürze, Gold, Geldwechsler, kleine Jungs mit Teetabletts, Mädchen in ärmellosem Top und Minirock neben schwer verhüllten Türkinnen mit Kopftuch und langem Mantel. Viele Touristen waren wirklich nicht zu sehen, im Gegenteil. Die kleinen Kinder rannten uns nach und fanden uns total lustig und malerisch. Andere versuchten zu betteln, wurden aber von einem Erwachsenen verscheucht. Man hat nicht den Eindruck, als würden viele Touristen hier nach Antakya kommen!

17. Juni 2009 – Antiochia
Heute Morgen erwachten wir, weil die Erde bebte. Echt. Unser Bett wackelte. Ich sah mich schon von Trümmern begraben und dankte meiner Voraussicht, die mich ein Zimmer im obersten Stock hatte wählen lassen. Während wir uns als Überlebende eines gewaltigen Unglücks fühlten, ging das Leben auf der Straße weiter wie immer. Anscheinend sind hier derartige Erdbeben völlig normal. Die Leute jedenfalls taten so, als sei nichts geschehen.

Blick auf die Stadt von den Befestigungen aus. Foto: KW.

Antiochia war seit hellenistischer Zeit eine Stadt mit einer starken Mauerbefestigung. Das eigentliche Stadtgebiet jenseits des Orontes wurde hoch auf dem Bergkamm von einer stattlichen Mauer geschützt. Auf die großen Quader des hellenistischen Bauwerks setzten die Römer ihre Backsteine und die Byzantiner ihre Bruchsteine. Dann reparierten Seldschuken und Kreuzfahrer Jahrhunderte lang die Mauer mit ihren Türmen, so daß sie bis Anfang der Neuzeit noch stand. Heute sind nur noch einige klägliche Überreste auf den Bergkämmen zu sehen. Kurt fand, daß man da hinauf müßte.

Ab einer gewissen Höhe wurden die Straßen als Trocknungsanlagen für Paprika benutzt. Foto: UK.

Zunächst stiegen wir gepflasterte Straßen nach oben. Sie wurden abgelöst von unzähligen Treppen. Natürlich guckten die Leute. Anscheinend verirren sich nicht allzu oft Touristen in diese Gegend. Von der Treppe aus kamen wir auf einen einfachen Kiesweg. Es wurde immer höher und höher, und man stand allmählich über der Welt, als es gar nicht mehr weiterging. Also ein Ziegenpfad war noch zu sehen. Nun ja, Kurt fand, da kommen wir rauf und hinten gibt’s bestimmt einen angenehmen Weg nach unten. Machen wir’s kurz. Wir kamen rauf (allerdings unter ziemlichem Gezeter meinerseits) und es gab keinen guten Weg wieder runter. Wir mußten also über rutschige, steile Ziegenpfade durch die Pampa kriechen, zerstachen uns die Beine und ich war völlig fertig, als wir wieder unten ankamen. (Von den einstigen Stadtbefestigungen hatte ich nur einen ziemlich ruinösen Baurest eines ehemaligen Turms gesehen.)
Am Abend gingen wir noch in die Stadt. Überall an den Ecken standen Jungen, die Küken verkauften. Nicht einfach Küken, die armen Viecher waren rosa und grün und blau eingefärbt. Sie konnten einem nur leid tun. Was die Türken mit denen machen? Keine Ahnung.

18. Juni 2009 – Der Hain von Daphne
Heute sind wir nach Harbiye gefahren, in den antiken Hain der Daphne.

Lokal im Hain der Daphne. Foto: KW.

Hier haben schon Marcus Antonius und Kleopatra geturtelt (wenn sie denn geturtelt haben und das Ganze nicht eine politische Ehe war, aber wir wollen hier keine Grundsatzdiskussion führen…). Hier hat sich Lucius Verus vor dem Partherkrieg mit einer bekannten Hetaire vergnügt und nach einem feucht-fröhlichen Gelage seinen Philosophenbart abrasiert. Er soll sich dann einige Tage haben verstecken müssen, bis die Bartpracht wieder einigermaßen nachgewachsen war – jedenfalls habe ich so was in Erinnerung.
Auch heute noch ist der Hain der Daphne das Ausflugsziel der Antiochener. Gott sei Dank kommen sie wohl eher am Abend oder am Wochenende. So hatten wir den lauschigen Hain mit seinen Lorbeerbäumen und seinen sprudelnden Wassern so ziemlich für uns.

Aller Kitsch dieser Welt. Foto: KW.

Wir fuhren mit einem Dolmusch nach Harbiye. An der Endstation standen schon die Andenkenläden mit allem Kitsch dieser Welt. Merkwürdig, wir sind ja jetzt schon fast zwei Wochen in der Türkei, und ich war noch nicht einmal in Gefahr, ein Andenken einkaufen zu wollen. Erstens gibt es kaum Brauchbares, zweitens ist ein schwerer, viel zu gefüllter Koffer ein gutes Argument, das einen vor jeglichen Fehlkäufen bewahrt.
Das Tal der Daphne ist eigentlich nichts anderes als verschiedene Ausflugslokale, die alle idyllisch an Wasserfällen, Teichen oder Fischbassins gelegen, alle möglichen Formen von Meze und Kebab anbieten. Schon die Temperatur ist die Attraktion der Gegend, so kühl hat man es sonst in der ganzen Türkei nicht. Dann das ständige Plätschern von Wasser, man kann verstehen, warum die Antiochener hier das Wirken eines Gottes sahen.

Mit den Füßen im Wasser hält man die hohen Temperaturen wesentlich besser aus. Foto: UK.

Wir aßen in einem kleinen Lokal an einem Wasserfällchen, das in ein Bassin floß, in dem vielleicht hundert Forellen schwammen und dazu noch eine kleine Schar Enten. Die Tische standen auf einer Plattform, die direkt ins Wasser gebaut war, so daß hinter mir eine Ente im Nest ihre Eier ausbrütete. Mit unserer Sparversion des Türkischen kamen wir nicht allzu weit. Der Patron beschloß, daß wir eine Auswahl aller seiner Vorspeisen bestellt hatten – rund 10 kleine Tellerchen mit allem Möglichen. Kurt beschloß, daß der Patron uns falsch verstanden habe, stellte energisch die Hälfte der Tellerchen beiseite, die der Patron wieder auf unseren Tisch räumte.

Blick von unserem Tisch aus. Foto: UK.

Hier traf die türkisch-orientalische Weltsicht auf die deutsch-schweizerische: Wir sind gewohnt, alles, was auf den Tisch kommt, aufzuessen. Ein gutes Lokal zeichnet sich dadurch aus, daß die Portionen so bemessen sind, daß man angenehm satt ist, ohne überfressen zu sein. Hier zählt der Überfluß: Es soll möglichst viel auf dem Tisch stehen. Ich habe gesehen, wie mehr als 15 Teller vor einem Paar standen. Die Kellner nahmen dann das meiste wieder mit. Verschwendung scheint Trumpf und dicker Bauch macht Ansehen. Wie also soll uns ein Türke verstehen, wenn wir ihm erklären, daß wir das alles ja gar nicht essen mögen. Wir sollen es ja gar nicht essen, sondern uns nur an der Fülle erfreuen!

Und damit genug für heute, begleiten Sie uns weiter, wenn es ins Landesinnere geht. Wenn wir die sagenhaften Überreste der Stadt Zeugma im Museum von Antep besichtigen und weiter nach Urfa fahren, dem antiken Edessa.

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