Türkischer Frühling – Teil 3

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von Ursula Kampmann

9. Mai 2013 – Es gibt noch Paradiese auf unserer Welt. Eines davon liegt in der Troas im kleinen Hafen von Assos. Begleiten Sie uns auf unseren Exkursionen in die Troas – nach Troia selbst, aber zuerst ins vorzüglich erhaltene Assos.

Sonntag, 21. April 2013
Fluchtartig verließen wir am Morgen das ungastliche Erdek. Am Frühstücksbuffet hattegähnende Leere geherrscht, weil mehrere riesige Reisegruppen alles kahlgefuttert hatten. Unsere Stimmung war gedrückt und genervt. Fieberhaft suchten wir in unserem Reiseführer nach Alternativen zur geplanten Reiseroute. Eines war klar: Unser Vorhaben, zunächst auf dem Weg nach Lykien die Grabungen im Landesinneren abzugrasen, um auf der Rückfahrt an der Küste entlang zu bummeln, war pure Theorie gewesen. In der Praxis waren dafür zu viele Hotels noch geschlossen. Wir würden uns in den größeren Touristenzentren aufhalten müssen, um Quartiere zu finden. Wo also gab es im Norden ein ausreichend großes Touristenzentrum? Wir entschieden, es in Assos zu versuchen, wo der Reiseführer ein paar Hotels der gehobenen Kategorie versprach. Da dort traditionell Reisegruppen absteigen, war die Chance groß, dass die Hotels offen sein würden. Es war wohl das erste Mal, dass ich Studiosus & Co richtiggehend dankbar war!
Wir hatten es eilig, nach Assos zu kommen, und das langsame Fahren war sowieso noch nie Kurts Vorliebe. Es dauerte deshalb noch nicht einmal eine halbe Stunde, da winkte uns ein freundlicher Herr in Uniform aus dem Verkehr. Wir seien in der 90er-Beschränkung nach Abzug der Toleranz 133 Kilometer per Stunde gefahren. Ich fürchte, er hatte Recht. Gut, dass in der Türkei die Strafen für Schnellfahren noch nicht ganz so drakonisch sind wie bei uns zu hause.
Es ist doch einfach unglaublich, wie viele Dinge man praktisch erledigen kann, ohne dass einer die Sprache des anderen spricht! Wir füllten also brav das notwendige Formular aus. Und der Herr Polizist freute sich, dass wir bereits „evet“ (= ja) und „tamam“ (= einverstanden) sagen konnten. Es herrschte schönste Eintracht. Das änderte allerdings nichts daran, dass wir unsere Strafe zahlen mussten. Wie übrigens auch ein etwas zu forsch gefahrener Istanbuler, der ebenfalls aus dem Straßenverkehr gewinkt wurde. (So viel zum Vorurteil, nur Touristen würden abkassiert. Ganz im Gegenteil. Die türkische Polizei ist mit einer großen Dichte von Verkehrskontrollen eifrig dabei, die sehr kreative Auslegung der Straßenverkehrsordnung, wie sie von türkischen Fahrern gerne gepflegt wird, ein wenig einzuschränken.)
Eine Überraschung gab es am Ende der Prozedur: In der Türkei gibt es auf Bußen Skonto. Statt 160 Türkische Lira mussten wir nur 125 zahlen, weil wir das Geld sofort ablieferten. Und das war höchst offiziell. Wir bekamen eine riesige Quittung aus dem Quittungsblock. Es zeugt von der türkischen Lässigkeit, dass die Polizisten sich das Wechselgeld für unsere Strafe bei den gerade erst geschnappten Schnellfahrern aus Istanbul besorgten.

Durch malerische Landschaft. Foto: KW.

Ganz brav im Rahmen der Straßenverkehrsordnung fuhren wir weiter. Und die Strecke war so schön, dass es schade gewesen wäre, sie zu schnell zu durchqueren. Assos erreicht man am besten über eine Straße, die von der Küste weg über steile Pässe durchs Inland führt. Es wird einem dabei wieder einmal so richtig deutlich, dass für die Griechen Straßen ins Inland unwichtig waren, weil sie schneller mit dem Schiff von Hafen zu Hafen gelangten.

Ein kleines Paradies: Der Hafen von Assos. Foto: KW.

Über eine abenteuerliche Schlaglochpiste gelangten wir in den winzigen Hafen von Assos. Einheimische gibt es hier keine mehr – es sei denn, sie betreiben ein Restaurant, ein Hotel oder eine Pension. Nichtsdestotrotz ist der Hafen unglaublich idyllisch. Die alten Lagerhäuser aus osmanischer Zeit wurden in Hotels umgewandelt. Wir entschieden uns für das Nazlihan Otel – und bekamen ein wunderschönes Zimmer im ersten Stock mit einem Balkon, von dem aus man direkt auf den Hafen und die gegenüber liegende Insel Lesbos schauen konnte.
Und so bewunderten wir von oben die vielen Türken aus Istanbul, die in Assos ihren Sonntag verbrachten. Sie füllten alle Fischlokale am Hafen, so dass wir uns entschieden, eine Lokanta in der zweiten Reihe aufzusuchen. Auch die war übervoll. Wir warteten fast eine Dreiviertelstunde, ehe wir überhaupt etwas zu Trinken bekamen. Bis dann das Essen vor uns stand, hatten wir schon die Hoffnung verloren, jemals etwas vorgesetzt zu bekommen. Doch die Vorspeisen und die Köfte, alles gleichzeitig serviert, waren derart phantastisch, dass wir unseren Ärger über die lange Wartezeit vergaßen.
Den Rest des Abends verbrachte ich damit, die Tücken des türkischen Internets und W-Lans zu bewältigen. Im Gegensatz zu Griechenland ist hier die Benutzung des Internets noch vom Glück abhängig. Zwar waren in der Theorie alle Zimmer mit WiFi ausgestattet. Praktisch gab es drei verschiedene Netze im Hotel, von denen mal dieses, mal jenes funktionierte – und dann musste man auch noch herausfinden, von welchem Standort man gerade darauf Zugriff hatte … Numismatisches Tagebuch unter erschwerten Umständen also!

Plan der Ausgrabung von Assos. Foto: KW.

Montag, 22. April 2013
Haben Sie schon einmal etwas von Assos gehört? Ich gebe zu, ich wusste, dass es die Stadt gibt – schließlich hat sie ja Münzen geprägt, aber weiter reichte mein Wissen nicht. Überrascht stellten wir fest, dass eine riesige Grabung existiert, die sich über einen großen Teil des Stadtgebiets erstreckt.
Wir hielten an einem Parkplatz, der noch nicht ganz für die Sommersaison vorbereitet war. Wo irgendwann mal größere Mengen an Autos stehen sollten, lagen jetzt noch Haufen von Sand für Bauarbeiten. Was nicht wirklich ein Problem darstellte. Abgesehen von einem vereinzelten Touristenbus war lediglich ein zweites nicht einheimisches Auto abgestellt worden.

Assos (Troas). Hemiobol, ca. 5. Jh. v. Chr. Erstpublikation und Zuweisung nach Assos bei Gorny & Mosch 204 (2012), 1471.

Assos soll im 7. Jahrhundert v. Chr. von Methymna auf Lesbos aus gegründet worden sein. Was nicht wirklich verwundert. Lesbos ist so nahe, dass man glauben möchte, hinüber schwimmen zu können. In der Mitte des 6. Jahrhunderts kam Assos unter lydische Kontrolle, und damit 547 nach der Eroberung von Sardeis zum persischen Reich. Wie die meisten Städte der Troas wurde es nach seiner Befreiung im Zuge der persischen Niederlage von 480/79 ein Mitglied des Delisch-Attischen Seebundes, dem es bis 401 angehörte. 1.000 Drachmen Beitrag zahlte die Stadt jährlich in die Bundeskasse. Erst der Antalkidas-Friede von 387 beraubte Assos seiner Unabhängigkeit und brachte die persische Herrschaft zurück – gegen den Willen der Einwohner. So unterstützten sie 366/5 die Revolte des Eubulos, eines reichen Bankiers, der sich mit dem Satrapen Ariobarzanes verbündet hatte.

Assos (Troas). Obol, 475-450. Aus Münzen und Medaillen 36 (2012), 360.

Eubulos scheint ein interessanter Mensch gewesen zu sein. Er sandte seinen Lieblingssklaven Hermeias nach Athen, um dort Philosophie zu studieren. Nach dessen Rückkehr beriet der ehemalige Sklave seinen Herrn Eubulos in allen Regierungsgeschäften und übernahm nach dessen Tod sogar die Herrschaft. Dies nutzt das Tourismusbüro von Assos heute noch, da Hermeias im Jahr 347 v. Chr. seinen Lehrer Aristoteles einlud und ihn mit seinem Mündel verheiratete. Und so steht nicht etwa eine Statue von Eubulos oder Hermeias vor dem Eingang nach Assos, sondern eine von Aristoteles. Der allerdings konnte das tragische Ende seines Schwiegervaters nicht verhindern. Hermeias war bei einem Besuch des Memnon von Rhodos gefangen genommen und an die Perser ausgeliefert worden, die ihn zu einem uns unbekannten Zeitpunkt hinrichten ließen. (Und natürlich verschwand auch Aristoteles aus Assos, nachdem er nicht mehr auf die Förderung seines Freundes zählen konnte.)

Assos (Troas). Tetrobol, 4. Jh. v. Chr. Künker 153 (2009), 8307.

Auch wenn Assos wohl nicht unter pergamenischer Herrschaft stand, kam die Stadt unter römischen Einfluss, nachdem Attalos sein Reich dem Senat vermacht hatte. Assos hatte seinen Nutzen vom römischen Frieden. Der Handel blühte, und Inschriften berichten von zahlreichen Einwohnern mit römischem Bürgerrecht, die zu ihrem Ruhm der Stadt jede Menge schöner Baudenkmäler stifteten. Zu Beginn des 3. Jh. n. Chr. setzte ein wirtschaftlicher Niedergang ein. Nichtsdestotrotz war die Stadt ein Bischofsitz bis ins 5. Jh. Wann genau Assos von byzantinischer unter osmanische Herrschaft kam, kann nicht mehr exakt festgelegt werden, aber der Wechsel dürfte im 14. Jh. vollzogen gewesen sein. Immerhin steht hier eine der ältesten Moscheen Kleinasiens, erbaut unter Murat I. (1326-1389). Der größte Teil der christlichen Bevölkerung soll damals nach Lesbos geflohen sein, so dass die Stadt langsam in der Bedeutungslosigkeit versank (sofern sie vorher überhaupt noch Bedeutung besessen hatte).

Die eindrucksvollen Stadtmauern von Assos. Foto: KW.

Was dem Besucher als erstes ins Auge sticht, sind die eindrucksvollen Stadtmauern, die sich über eine Länge von über 3 Kilometern durchs Gelände ziehen. Vom 4. Jh. v. Chr. bis in byzantinische Zeit wurden sie immer wieder erneuert und durch zusätzliche Türme verstärkt.

Rekonstruktion des Athenatempels von Assos. Foto: KW.

Der um 540/530 zu Ehren von Athena errichtete Tempel ist der einzige archaische Tempel ionischer Ordnung in Kleinasien – für all diejenigen, die sich für Stilgeschichte interessieren.

Die Überreste des Tempels von Assos. Foto: KW.

Die meisten heutigen Besucher nutzen den Tempel eher als Kulisse für ihre Fotos. Es war nicht leicht, den Moment abzupassen, zu dem sich endlich einmal niemand vor / auf / neben einer Säule ablichten ließ. Vom höchsten Punkt der Akropolis aus – immerhin 236 Meter über dem Meeresspiegel – sah man weitere Architekturreste, die wir natürlich unbedingt sehen wollten. Ein Weg war in unserem in Assos gekauften Führer eingezeichnet. Also versuchten wir, diesen Weg zu finden. Wir gerieten – und das nicht nur im übertragenen Sinne – mitten in die Sch…! Der Pfad wurde so steil, dass er sich nur noch für wilde Hunde und Ziegen eignete, deren Überreste in größeren Mengen herumlagen. Dann löste sich der Pfad vollständig in Wohlgefallen auf. Irgendwann fanden wir einen Weg, indem wir über einen niedergetrampelten Zaun – nicht nur wir scheinen uns hier verirrt zu haben – in einen Bauernhof krabbelten.

Blick auf die Nekropole entlang der Ausfallstraße. Foto: KW.

Wesentlich bequemer wären wir durch eine zweite Pforte, die eher symbolisch mit einem grünen Strick zugebunden war, ins tiefer liegende Grabungsgelände gekommen. Dort führte eine mit Gräbern gesäumte Straße durch das westliche Tor zur nächsten Ebene.

Plan der Agora. Foto: KW.

Hier sahen wir eine Agora von beeindruckender Größe. Rund 150 Meter lagen zwischen dem kleinen Tempel am Eingang und …

Bouleuterion. Foto: KW.

… dem Bouleuterion, in dem sich der Stadtrat von Assos, die Boulé, beriet und die wichtigsten Unterlagen der Stadt aufbewahrte.

Das Theater von Assos in traumhafter Lage. Foto: KW.

Der unterste Eingang führte zum Theater von Assos in traumhafter Lage mit einem Blick bis nach Lesbos. Für den hatten allerdings nur die wenigsten einen Blick. Deutschland sucht den Superstar hat nun auch die Türkei voll im Griff. Alle Mädels scheinen Stars werden zu wollen, die sich in starmäßiger Pose ihrem Publikum präsentieren. Wir beobachteten vier Teenies, die versuchten, sich von ihren zum Fotografieren mitgeschleppten Begleitern ablichten zu lassen, während sie alle gleichzeitig in die Höhe sprangen und die Füße zum Po anzogen. Das Schauspiel war besser als jede billige Vorabend-Comedy. Allerdings hätte ich lieber ein wenig den Grillen gelauscht, als den militärischen Kommandos, mit denen ein gleichzeitiger Sprung und das dazu gehörige Foto bewerkstelligt werden sollte …

Ein neues trojanisches Pferd zur Täuschung von Touristen? Foto: KW.

Dienstag, 23. April 2013
Den heutigen Tag widmeten wir der namengebenden Stadt der Troas, dem sagenhaften Troia oder Ilion oder wie auch immer, denn die Wissenschaft scheint sich vor allem in einem einig zu sein, nämlich dass die Gründe der lieben Kollegen, warum Hisarlik Troia ist – oder eben nicht ist – völlig widersinnig und mit Sicherheit nicht ernst zu nehmen sind.
Sagen wir es klar und deutlich: Für die Vermarktung der Ausgrabungsstätte ist es nützlich, wenn das große Epos vom Zorn des Achilles hier verortet werden kann. Infolgedessen durfte es sich Manfred Korfmann, der verstorbene Leiter der Grabung des Deutschen Archäologischen Instituts, gar nicht leisten, Zweifel an der Identifizierung Troias aufkommen zu lassen. Im Gegenteil, jedes Argument pro sicherte ihm das Wohlwollen der türkischen Behörden. Und so lautet der Titel des von ihm verfassten Ausgrabungsführer programmatisch Troia / Wilusa, wobei die letztere Bezeichnung hethitischen Quellen entnommen ist. Mit diesen will man auch im philologischen Bereich eine Art Geschichtlichkeit des Trojanischen Krieges beweisen.
Liest man nun die Bücher anderer Wissenschaftler, kann man nur staunen über die Wut und Häme, mit der die Troia-Frage derzeit diskutiert wird.

Ilion (Troas). Autonom, flavische Zeit. Semis. Aeneas flüchtet mit seinem Vater Anchises und seinem Sohn Askanios aus dem brennenden Troia. Aus Gorny & Mosch 147 (2006), 1834.

Natürlich sind wir weit von der römischen Naivität entfernt, mit der verschiedene Kaiser der Stadt Ilium ein Privileg nach dem anderen gewährten, nur weil man sich der „alten Heimat“ verbunden fühlte. Allerdings sollten sich trotz aller wissenschaftlichen Redlichkeit moderne Forscher hüten, Troia völlig zu entmystifizieren. Denn wer möchte sich schon mit der komplizierten Schichtenabfolge auseinandersetzen, wenn er sich nicht dabei fragen kann, wo nun vielleicht doch Hektor von Andromache Abschied nahm und Helena mit Paris flirtete?

Ilion (Troas). Tetradrachme, 188-133. Aus Gorny & Mosch 164 (2008), 178.

Außerdem muß man akzeptieren, dass sich für einen Alexander von Makedonien oder einen Augustus die Ilias in Ilion abspielte. Allein die Verehrung der antiken Nachfahren macht Troia zu etwas ganz Besonderem. Und daran kann auch die Archäologie nichts ändern. Und wenn man die Schichten von Troia noch so schön aufteilt.

Megaron. Troia II/III – 2300-2200 v. Chr. Foto: KW.

Ehrlich gesagt, welcher Tourist will sich schon mehrere Stunden lang damit beschäftigen, zu welcher Schicht welches Bauwerk gehört? Auch wenn es die Tübinger Wissenschaftler – auf von Mercedes gesponserten Blechtafeln – vorbildlich geschafft haben, die Komplexität der Chronologie von Troia ein wenig herunterzubrechen, so dass auch Otto-Normalbesucher die Chance hat zu begreifen, wie sich die Stadt vom kleinen Zentrum zur großen Stadt entwickelt hat. Zwar war ein großer Teil der Grabung geschlossen, weil derzeit alles für den Touristenansturm des Sommers vorbereitet wird; doch was wir sahen, wirkte in sich logisch, interessant und nachvollziehbar. Derzeit ist die erste Station eine Stadtmauer aus Lehmziegeln und ein von einem Schutzdach überwölbtes Megaron aus der frühen Bronzezeit.

Wildtiere finden immer einen Weg, alles zu nutzen, wenn sich der Mensch nicht einmischt. Foto: KW.

Besonders sympathisch fand ich die Wildbienen, die durchlöcherte Ziegel nutzen, um ihre Nester hineinzubauen, und das völlig ohne Ehrfurcht vor der frühen Bronzezeit.

Südrampe aus Troia II. Foto: KW.

Besonders beeindruckend war der rekonstruierte gepflasterte Aufgang zum Südwesttor der Stadtmauer. Diese Schicht hielt Schliemann für das legendäre Troia, und als er neben der Rampe einen Hort fand, nannte er ihn programmatisch den Schatz des Priamos.

Palasthaus aus Troia VI. Foto: KW.

Gleich neben der Rampe entdeckt man den Grundriss eines Palasthauses, das in die Phase Troia VI datiert wird, also von 1740 bis 1190 v. Chr. Dies ist die Phase, in der die Ausgräber Troia gerne mit dem in hethitischen Quellen genannten Wilusa in Verbindung bringen möchten.

Unterstadt von Wilusa. Foto: KW.

Für diese Phase kennt man nicht nur die prachtvollen Paläste, sondern auch die Häuser der so genannten Unterstadt, in denen die „einfachen“ Menschen lebten.

Die Quellgrotte, Ausgangspunkt des Bewässerungssystems. Foto: KW.

Bereits rund 1000 Jahre vor der Phase Troia VI existierten die Quellgrotte und das Bewässerungssystem. Das soll sich ebenfalls in den bereits genannten hethitischen Vertrag eingeschlichen haben. Die Wasserleitung könnte man nämlich auch als „Gang / Weg unter der Erde“ bezeichnen, übersetzt ins Hethitische „KASKAL.KUR“. Und genau dieses Wort bezeichnet um 1280 den Schwurgott auf der Seite von Wilusa in einem Vertrag zwischen dessen König Alaksandu und dem hethitischen Herrscher Muwatalli II.

Der heilige Bereich, datiert Troia VIII. Foto: KW.

Aber begeben wir uns lieber zurück auf sicheres Gelände. Um 700 v. Chr. datiert man die Anfänge dieses heiligen Bereichs. In hellenistischer Zeit wurden größere Renovierungsarbeiten durchgeführt, initiiert mit Sicherheit wegen des Besuchs Alexanders des Großen, der aus Troia ein Politikum machte. Er musste die Stadt unterstützen. Schließlich würde er als neuer Achilles das Reich der Perser zerstören, wie einst die Griechen unter Agamemnon Troia vernichtet hatten. 85 v. Chr. zerstörte Fimbria, ein Anhänger von Marius und damit Gegner von Sulla, Troia. Auch der Tempelbereich wurde stark geschädigt, und erst unter Augustus wieder renoviert.

Das Odeion von Troia. Foto: KW.

Die Ausgräber von Troia möchten auch das Odeion mit Augustus in Verbindung bringen: „Der Fund eines Augustuskopfes legt nahe, dass das Odeion anlässlich seines Besuches 20 v. u. Z. errichtet worden ist, und dass möglicherweise ihm hier die Aeneis, die Lobpreisung seiner mythischen Vergangenheit zum ersten Mal zu Ohren gebracht wurde. Denn Vergil hinterließ ein noch unfertiges Werk und starb 19 v. u. Z.“ Nun ja, ob Augustus hier wirklich zum ersten Mal das Epos hörte?

Die wahren Stars von Troia. Foto: KW.

Wesentlich mehr Aufmerksamkeit als alle Steine, gleich ob aus Troia II, VI oder VIII, erhielten ein paar flauschige, junge Hunde, bei denen es nicht einmal die Türken fertig brachten, sie wegzuscheuchen.

Und das war es dann. Wir fuhren zurück in unser Hotel. Begleiten Sie uns in der nächsten Folge zur wichtigsten Stadt der Troas in der römischen Kaiserzeit, nach Alexandria Troas, sowie zum Heiligtum des Apollon Smintheus, des Mäuseverschlingers.

Alle Teile der Serie „Türkischer Frühling“ finden Sie hier.