von numiscontrol
1. Februar 2018 – Es gibt sie wirklich, die kleinen Schätze in der Geldbörse. Immer wieder wird von bisher unbekannten Besonderheiten auf unseren Euromünzen berichtet. Spezialsammler durchwühlen nicht selten einige tausend Euro in Form von Kleingeldmünzen, um nach einer bestimmten Fehlprägung zu suchen. Oftmals jahrelang und noch viel öfters vergebens. Aber es gibt sie doch! Nur wo?
Stempelausbruch: 1-Euro 2002 A. Schätzung: 5 Euro.
Fehlprägungen / Verprägungen
Fehlprägungen / Verprägungen gibt es, seit die Menschheit Münzen prägt. Es sind Fehler, welche beim Prägeprozess einer Münze immer wieder passieren können – und zur Freude der Sammler auch passieren. Bedenkt man dabei, dass eine moderne Prägemaschine bis zu 750 Münzen pro Minute fertig geprägt auswirft, ist es wohl kein Wunder, dass es zu Abweichungen am Prägebild kommen kann, ja kommen muss.
Das Material der eingesetzten Prägestempel ermüdet mit der Zeit, es können dabei kleine Stücke ausbrechen und dann eine reliefartige Spur auf der Münze hinterlassen. Fremdkörper, Materialermüdung oder gar Prägeausfälle charakterisieren somit den größten Teil der Fehlprägungen. Die Häufigkeit einer Fehlprägung auf einem bestimmten Nominal ist sehr unterschiedlich. Oftmals kann man anhand von mehreren Stücken eine gewisse Entwicklung der Fehlprägung erleben, so zum Beispiel bei Stempelrissen oder Stempelbrüchen.
Deutschland mit Stempelriss: 10-Cent 2002. Schätzung: 3 Euro.
Da sich dann von Stück zu Stück das Erscheinungsbild einer Fehlprägung verändern kann, ist jedes Stück ein Unikat, welches für den Spezialsammler einen besonderen Reiz ausübt. Meist sind es kleine Zusätze auf der Münze oder es fehlt ein Detail der Prägung. Es ist also einmal etwas zu viel an Material auf dem Münzbild und einmal eben etwas zu wenig. Der Oberbegriff „Fehlprägung“ oder auch „Verprägung“ trifft in diesem Fall für beide Phänomene zu. Eine weitere gern gesammelte Art sind die „Stempeldrehungen“, die durch eine Verdrehung der Ansicht von Wert- und Bildseite in unterschiedlichen Winkelgraden entstehen. Meist steckte ein falsch eingesetzter oder sich lockernder Prägestempel dahinter. Betrachtet man die einzelnen Münzen nach einem bestimmten „Ritual“, dann fallen solche Stücke schnell auf. Aber es gibt noch viel mehr und einiges soll hier ausführlicher vorgestellt werden.
Nicht immer ist das Glück dem Sammler hold und er findet gerade seine begehrten Stücke nicht in den von ihm durchsuchten Münzbergen. Dann bleibt nur noch der Zweitmarkt, um sich ein besonderes Stück zu beschaffen. Wie überall ist es dort etwas teurer und das Nominal der Münze höchstens ein kleiner Richtwert. Den Preis bestimmt dabei immer die Seltenheit, oder das, was der jeweilige Käufer bereit ist dafür zu zahlen. Feste Richtlinien gibt es nicht.
Der Eichenstamm ist angewachsen und die 8 oben ausgefüllt: 2-Cent 2008 A. Schätzung: 1 Euro.
Sammler sind die Gütekontrolle der Prägestätten
Die noch vor uns liegenden langen Winterabende könnten für das tägliche Durchstöbern von Münzen genutzt werden und mit etwas Glück, besitzen Sie auch bald eine kleine Sammlung von Fehlprägungen. Haben Sie Stücke doppelt, können diese dann zum Beispiel gegen noch fehlende „Besonderheiten“ eingetauscht werden. Das kostet kaum Geld und wird sogar den Kindern oder auch Enkelkindern gefallen. Einen mit der Zeit geschulten Blick und gewonnene Erkenntnisse gibt es dazu gratis. Ich möchte Sie daher dazu einladen, einmal am Abend Ihr Wechselgeld in der Geldbörse etwas genauer anzuschauen. Der Spaß an der Sache selbst soll im Vordergrund stehen, und wer dann doch ein seltenes Stück gefunden hat, dem wird es sicherlich schwerfallen, es später zum Kauf anzubieten. Wetten?
Betätigen Sie sich ruhig als ehrenamtliche „Gütekontrolleure“ der Euro-Prägestätten und präsentieren Sie Ihre gefundenen Stücke, welche ja eigentlich nie die Prägeanstalt hätten verlassen dürfen! Die Prägestätten selbst registrieren sehr wohl solche besonderen Funde und werten sie intern aus, davon bin ich überzeugt. Münzen die heute eine Prägestätte verlassen, können meist nur stichprobenartig kontrolliert werden und ein Computerauge sieht anders als ein menschliches Auge. Bei den im Anschluss gezeigten Beispielen werde ich einige Hinweise zur Seltenheit und auch einige Richtwerte benennen. Dabei handelt es sich allerdings nur um eine Empfehlung beim Tausch, welche sich ständig je nach Aufkommen und Marktlage ändern kann. Es gilt viele Richtlinien zu beachten, wie zum Beispiel die Erhaltung des einzelnen Stücks. Eine konkrete Preisgestaltung ist daher nicht möglich.
10-Cent 2003 (Deutschland) mit Prägeschwäche ganz ohne Sterne. Schätzung: 10 Euro.
Grundausrüstung und Strategie
Wir brauchen, um auf die Jagd nach Schätzen aus der Geldbörse zu gehen, nur gutes Licht, eine Lupe und die Münzen aus der Geldbörse. Nun kann es losgehen. Ich habe mir eine spezielle Technik angewöhnt und so schaue ich mir jede Münze, egal welches Nominal, nach einer immer wieder gleichen Reihenfolge von Arbeitsschritten an.
Als erstes werden die Münzen nach Nominalen sortiert. Ich beginne immer mit den kleinen Münzen, also 1 bis 5 Cent; danach kommen die etwas Größeren an die Reihe. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es leichter ist, von einer kleinen Münze langsam zu einer größeren Münze zu wechseln. Das Auge ermüdet nicht so leicht. Die Beleuchtung spielt eine wichtige Rolle beim Betrachten der Münzen, ein eher warmes Licht sollte die Münze gut ausleuchten. Eine Lupe hilft zusätzlich bei der Bestimmung. Die Fehlprägung selbst sollte aber mit bloßem Auge erkennbar sein. Ob man bei dieser Arbeit Handschuhe anzieht, sollte jeder selbst entscheiden. Da ich vorwiegend Münzen aus dem Umlauf kontrolliere, verzichte ich auf Handschuhe. Diese liegen aber immer griffbereit in der Nähe. Nun kommen wir zur Frage: Was ist eigentlich die Vorderseite und was die Rückseite der Euromünze? Nun, der Einfachheit halber benutze ich die Bezeichnung „Wertseite“ und meine damit also die Seite, welche den Wert der Münze zeigt. Ich bezeichne mit „nationaler Seite“ dann die Seite der Münze, die vom jeweiligen Staat gestaltet worden ist. So sollte eine Verwechslung fast ausgeschlossen sein. Nach einer allgemeinen Betrachtung, suche ich gezielt nach Fehlprägungen auf jeder Münze. Wird die Münze am Rand zwischen Daumen und Zeigefinger gedreht, passiert dieses horizontal, um eine mögliche Stempeldrehung sofort zu erkennen. Keine Bange, nach einiger Zeit hat man dabei seine „Mitte“ gefunden. Eine gute Strategie ist also auch in der Numismatik unentbehrlich.
Stempelriss durch Spanien: 10-Cent 2002 F. Schätzung: 1 Euro.
Stempelrisse und Stempelausbruch
Betrachten wir zunächst einmal Stücke, die an einer oder auch an vielen Stellen im Münzbild angehäuftes Material haben. Sie können auf beiden Seiten vorkommen. Beide oben genannte Fehlprägungsarten hinterlassen erhabene Stellen auf dem Münzbild, welche es eigentlich dort nicht geben sollte. Das kann durchaus lustig aussehen. Hier gilt, um so kurioser und größer der Makel umso besser.
Beule am Kopf durch Stempelausbruch: Belgien 20-Cent 2007. Schätzung: 5 Euro.
Eine Beule am Kopf des belgischen Königs …
1-Euro: Stempelausbruch, dadurch Zunge raus. Schätzung: 5 Euro.
… oder gar eine Königin, welche die Zunge raussteckt, gibt es eben doch, wie die Fotos beweisen.
Lichtenrader Prägung an 20-Cent Deutschland. Teile der nationalen Bildseite sind sichtbar. Schätzung: 50 Euro.
Lichtenrader Prägung oder Leerprägung
Wird der Prägemaschine durch einen Fehler im Ablauf keine Ronde (Münzplättchen) zugeführt, schlagen beide Stempel aufeinander und prägen sich praktisch selbst. Dabei wird auf jedem Stempel das Prägebild vom anderen Stempel ungewollt übertragen. Wird nun die nächste Ronde zugeführt, werden zum Beispiel auf der Wertseite auch Details der nationalen Seite auf dem Stück sichtbar. Es ist selten, doch kommt es vor. Meist sind diese Geisterbilder sehr schwach zu erkennen. Einem geübten Auge entgeht aber nichts. Sehen Sie selbst.
Großer Stempelausbruch: 20-Cent Belgien 2002. Schätzung: 2 Euro.
Prägeschwächen
Die unter den Sammlern sehr beliebte Fehlprägungsart ist recht häufig zu finden. Dabei fehlen vom Prägebild kleinere oder größere Teile, und die Prägung ist an diesen Stellen nicht erfolgt. Ein kleiner Tropfen Öl auf dem Stempel kann dafür die Ursache sein und enorme Auswirkungen haben. Oftmals fehlen Teile der Eurosterne, oder das gesamte Prägebild einer Seite ist davon betroffen und erscheint nur sehr verschwommen. Auf der nationalen Seite fehlen dabei meist Teile der Jahreszahl, oder der Prägebuchstabe ist nur noch schwach erkennbar. Aber Vorsicht! Es gibt mittlerweile „Experten“, welche diese Prägeschwächen künstlich mit Sandstrahlgeräten herstellen. Das hinterlässt aber Spuren am Stück, und die nackte Fläche ist eher rau und nicht glatt.
2-Euro 2002 (Deutschland) mit Dezentrierung. Schätzung: 40 Euro.
Alle Fotos: Angela Graff