von Kate Fitz Gibbon
übersetzt von Björn Schöpe
6. Oktober 2016 – Über eine Milliarde Dollar steckt Ägypten in die Errichtung eines gewaltigen Großen Ägyptischen Museums. Gleichzeitig gelingt es dem Ägyptischen Ministerium für Altertümer nicht, die Sicherheit der Museumsmagazine und Ausgrabungsstätten zu gewährleisten, es gestattet Plünderern und Immobilienhaien, archäologische Stätten zu zerstören und zu überbauen, und es delegiert Restaurierungsarbeiten an nicht dafür ausgebildete lokale Betriebe.
Bauarbeiten am Grand Egyptian Museum. Foto: Roland Unger 2015 / Wikipedia.
93.000 Quadratmeter für 100.000 Objekte
Wenn das Große Ägyptische Museum 2018 endlich eröffnet wird (sieben Jahre später als ursprünglich geplant), wird der 93.000-Quadratmeter-Komplex 100.000 Objekte aufnehmen, davon über 5.500 alleine aus dem Grab des Tutanchamun. Das Museum ist günstig gleich neben der Touristenroute entlang der Pyramiden gelegen. Ägyptische Besucher werden allerdings sehr viel schwerer dorthin finden als zu dem zentral gelegenen Ägyptischen Museum am Tahrir Platz in Kairo. Die ägyptische Regierung baut darauf, mit Hilfe des grandiosen neuen Museums den Tourismus wieder anzukurbeln, der seit den Aufständen des Arabischen Frühlings stetig zurückging und keine Anzeichen macht, sich unter dem repressiven Regime von Präsident Abdel Fattah El Sisi zu erholen.
Kein Geld für die Überwachung der Ausgrabungsstätten
Das Museumsprojekt hat dafür anderes überdeckt, nämlich dass Ägyptens Regierung die Monumente und Ausgrabungsstätten im ganzen Land nur unzureichend schützt. Die Egyptian Heritage Task Force ist ein Zusammenschluss, der der Nachlässigkeit der Regierung beim Schutz von archäologischen und historischen Stätten äußerst kritisch gegenübersteht. Vor allem auf diese Gruppe stützte sich ein kürzlich erschienener Artikel in LiveScience, der darlegt, wie Kinder zum Plündern gezwungen werden. Der Artikel beschuldigt internationale Sammler für das zunehmende Plündern und fährt jede Menge so genannte statistische Belege auf, die sich allerdings auf falsch angewandte Daten des US-Zolls stützen (zu ähnlich schwach untermauerten Anschuldigen siehe auch den Artikel 2015’s Top 5 Questionable Claims on ISIS and Syrian Antiquities: To Hopes for More Accuracy and Less Hype in 2016.)
Tatsächlich hat die Egyptian Heritage Task Force wiederholt darauf hingewiesen, dass der Grund für den Verlust von Kulturgut in Ägypten liegt, und zwar wegen der eklatanten Korruption der Regierung und ihrer Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal von Monumenten, archäologischen Überresten und sogar von den Landeskindern. Wenn Mitglieder der Egyptian Heritage Task Force Kinder beim Arbeiten an einer illegalen Ausgrabung direkt vor den Häusern Kairos in hellem Tageslicht fotografieren, muss man sich fragen: Wo bleibt da die Polizei?
Vier Bankrotterklärungen des ägyptischen Kulturschutzes in einem Monat
2016 hat CCP allein in einem einzigen Monat vier eklatante Missstände gezählt, die alle ins Ministerium für Altertümer führen. Der erste davon war die Bekanntgabe vom 23. Januar, dass Angestellte des Ägyptischen Museums sich vor einem Disziplinargericht zu verantworten hätten wegen „grob fahrlässigen Verhaltens“. Sie hatten eines der weltweit berühmtesten antiken Objekte beschädigt, die goldene Maske des Tutanchamun.
Am 2. Februar hat CCP zusammengefasst, welche Vorwürfe die ägyptischen Medien im Fall der Restaurierung des Baron Empain Palace gegen das Ministerium erhoben haben. Das Ministerium versagte vollständig bei der Bewahrung dieses historischen Bauwerks, indem es die Restaurierungsarbeiten einer Betonfirma übertrug. Und das sogar nachdem der leitende Ingenieur des Unternehmens den Medien gegenüber äußerte, dass er dem Minister einen offiziellen Brief geschickt hatte, in dem er darum bat, beim Restaurieren eines so bedeutenden Palastes mehr Sorgfalt walten zu lassen. Das Ministerium wies später alles zurück und erklärte, es habe die Betonfirma lediglich „zu Rate gezogen“.
Am 14. Februar beschreibt der Artikel Viral Video of Pyramid Stone Sellers einen anderen Vorfall: Junge Videojournalisten enthüllten, wie vier Touristenführer in der Nähe von Kairo Stücke der Pyramiden verkauften. Die umgehende Reaktion der Regierung bestand in einer Festnahme – der Journalisten.
Und dann erneut am 15. Februar: Im Artikel 157 Items Missing from Saqqara Storage, Lawyer Demands Ministry Officials be Banned from Travel schrieb CCP darüber, wie ein großer Diebstahl aus dem Magazin für Altertümer in Saqqara durch Insider im Ministerium verdeckt werden sollte.
Und all das innerhalb eines einzigen Monats.
Effektiver Kulturgüterschutz muss vor Ort passieren
Bevor man die unbelegten Behauptungen von Aktivisten übernimmt, die die nationalistische Agenda der ägyptischen Regierung unterstützen, sollten seriöse Journalisten in Ruhe darüber nachdenken, was Geschichten wie die in dem Artikel bei LiveScience wirklich sagen: nämlich dass die ägyptische Regierung sich mehr für grandiose Neubauten interessiert als für den Schutz seiner archäologischen Stätten – oder seiner eigenen Bürger. Seriöse Journalisten sollten außerdem tragfähige und unabhängige Analysen zum Umfang des Antikenhandels anstellen – und die verlogenen Behauptungen widerlegen, die immer wieder nachgeplappert werden. Eine Anfrage Ägyptens mit der Bitte um Importbeschränkungen durch die USA ist in Sicht. Handfeste Fakten sind nötig, um Handelsbarrieren zu rechtfertigen, die wenig bis gar nichts dazu beitragen, Ägypten Kulturgüter zu schützen.
Der Artikel ist zuerst am 30. August 2016 erschienen auf der Webseite des Committee for Cultural Policy.
2014 war Wafaa El Saddik Leiterin des Ägyptischen Museums in Kairo. Ernüchtert von den Zuständen im archäologischen Kulturbetrieb ihrer Heimat schrieb sie ein Buch, in dem sie Einblick in ihren damaligen Alltag gewährte. Das Buch haben wir in der MünzenWoche ausführlich besprochen.