von Ursula Kampmann
14. April 2016 – Natürlich wissen wir was „Archäologie“ heißt. Die unfehlbare Wikipedia übersetzt hier kurz entschlossen mit „Altertumskunde“. Aber wenn wir den komplexen Bedeutungen des griechischen Wörtleins „logos“ nachspüren, kommen wir schnell auf die Idee, dass „Archäologie“ mehr ist, und man den Begriff durchaus auch als „Die Lehre vom Sinn des Alten“ übersetzen könnte.
Und diese Deutung träfe ziemlich genau das, was die numismatische Arbeitsstelle der Universität von Tübingen mit ihrem von Colin Haselgrove und Stefan Krmnicek organisierten Kolloquium des Jahres 2013 getan hat: Statt sich auf ein numismatisches Gebiet oder eine Epoche zu fixieren, wurde unter dem Titel „The Archaeology of Money“ die Frage gestellt, was wir eigentlich über die Funktion des Geldes wissen. Dabei spielte die Archäologie als Methode durchaus eine entscheidende Rolle. Allerdings haben auch andere Disziplinen Neues zum Thema beizutragen.
The Archaeology of Money. Proceedings of the Workshop „Archaeology of Money“, University of Tübingen, October 2013. Edited by Colin Haselgrove and Stefan Krmnicek. Leicester Archaeology Monograph 24 (2016). 238 S. mit zahlreichen Abbildungen und Plänen. 17 x 24 cm. Broschiert. Klebebindung. ISBN 978-0-9574792-3-4. 18.99 Pfund + Porto.
Deshalb geht es in dem eben erschienenen Tagungsband um wesentlich mehr als um die Frage, ob ein Hortfund als Sparguthaben oder als Opfer an die Götter verstanden werden muss – auch wenn Colin Haselgrove und Leo Webley in ihrem Beitrag zu den keltischen Münzfunden genau diese Frage stellen.
Themen werden gesetzt, die auf den ersten Blick nichts mit der klassischen Numismatik zu tun haben, zum Beispiel ab wann Wertgegenstände sich als Tauschmittel etablierten und ab wann sie als standardisiertes Geld funktionierten. Sind die prachtvollen Elektronringe aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrtausends v. Chr., die heute im Israelmuseum zu besichtigen sind, schon Zahlungsmittel oder lediglich Prestigeobjekte? Lorenz Rahmstorf stellt in seinem Beitrag die Hypothese auf, dass erst in der Bronzezeit, nach der Erfindung von Waage und Gewicht, Geld im modernen Sinne entstehen konnte. Dieser Sprung sei von wesentlich größerer Bedeutung für die Menschheitsgeschichte gewesen, als die Erfindung der Münze, die dieses Konzept nur weiterführte.
Dass einzelne Prestigeobjekte dennoch als Geld funktionieren können, zeigt Scott M. Fitzpatrick mit seiner Schilderung des berühmten Steingeldes von Yap; und Lynn H. Gamble illustriert den schillernden Wechsel zwischen Prestigeobjekt, Tauschmittel und ritueller Nutzung anhand der nordamerikanischen Muschelperlen. Von genau der anderen Seite kommen Stephanie Wynne-Jones und Jeffrey Fleisher. Sie arbeiten sich von der umfangreichen Münzprägung der Handelsstadt Kilwa Kisiwani an der ostafrikanischen Küste vor zu einem ganzen System von Zahlungsmitteln, die neben den Münzen kursierten und sie ergänzten.
Dass Münzen auch völlig andere Funktionen haben können, als Geld zu sein, zeigt Mark A. Hall mit seiner Studie zur Funktion der Münze als Amulett und Medium des Glaubens.
Ein völlig ungewohntes Konzept präsentiert Jos Platenkamp in seinem Beitrag anhand von drei Beispielen aus drei Weltgegenden und drei Epochen: Den nördlichen Molukken im östlichen Indonesien (16.-20. Jh.), dem Reich der Inka in Südamerika (16. Jh.) und der angelsächsischen Welt des mythischen Helden Beowulf (7.-9. Jh.). Platenkamp postuliert, dass für alle drei Bereiche eines gilt: Durch die Niederlegung von Geld im Boden wird aus dem „lebendigen“ Geld „totes“ Geld, Geld das nicht mehr für die Gemeinschaft einsetzbar ist.
Archäologie endet nicht irgendwo in der Frühgeschichte. Dies beweist der Beitrag von Beverly A. Straube, die anhand von Funden von Notgeld bzw. Tokens in der Kolonie von Virginia postuliert, man habe zu Beginn des 17. Jahrhunderts den Warenverkehr mit Hilfe dieses Geldersatzes abgewickelt.
Irgendwie ist alles schon einmal da gewesen, das ist der Eindruck, den der Beitrag von Bill Maurer hinterlässt, wenn er die modernen bargeldlosen Zahlungsmethoden mit den Rechnungen und Empfangsbestätigungen in Verbindung bringt, die uns auf den frühesten Keilschrifttäfelchen des Zweistromlandes überliefert sind.
Man muss diesen neuen Aufsatzband nur einmal durchblättern, um zu der Erkenntnis zu kommen, dass Geld mehr ist als Münzen … und Münzen mehr als Geld. Zwar übersetzt die unübertreffliche Wikipedia den Begriff Numismatik traditionell als „Münzkunde“, doch können wir unsere Münzen nur verstehen, wenn wir von Zeit zu Zeit über den Tellerrand hinausblicken und uns damit beschäftigen, welche Geldkonzepte in der Vergangenheit entwickelt wurden. Und manchmal könnte uns diese Vergangenheit lehren, dass auch unser heutiges Verständnis von Geld nichts anderes ist als zeitgebunden und veränderbar.
Sie können das Buch online bestellen.
Mehr Informationen zum Workshop sowie einiges an Bildern sehen Sie auf der Website des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Tübingen.
Die MünzenWoche berichtete über den interessanten Kongress.