von numiscontrol
8. Mai 2014 – Numiscontrol führte ein Gespräch mit dem Juristen und Kunstsammler Rechtsanwalt Dr. Stefan Haupt und dem Künstler Sebastian Siechold, dessen Geldkunstwerke Diskussionen anstoßen.
Kunst wird zur Gratwanderung, gerade dann, wenn die Kunstwerke aus Geld bestehen. Egal ob Münze oder Banknote, schon immer fanden Künstler das Thema Geld hochinteressant und strebten danach, durch ihre Arbeit aus Münzen oder Scheinen ein ganz neues Objekt zu erschaffen. Dabei werden allerdings nicht selten gültige Banknoten verändert, kopiert, gespiegelt, durchleuchtet, ja sogar zerschnitten und wieder zusammengesetzt. Aber: Darf man das überhaupt? In Deutschland regelt das Strafgesetzbuch (StGB), was alles nicht gemacht werden darf.
Als ich vor kurzer Zeit die Gelegenheit hatte, die Neuerwerbungen der Sammlung Haupt – Dreißig Silberlinge zu betrachten, konnte ich nicht widerstehen und fragte nach. Dabei entstand die Idee, alles auch einmal aus der Sicht des Künstlers zu erörtern. In den Räumen von Haupt-Rechtsanwälte in Berlin, kam es dann zu einem lockeren Gespräch zwischen dem Künstler Sebastian Siechold, dem Rechtsanwalt Dr. Stefan Haupt und numiscontrol.
Numiscontrol: In den Neuanschaffungen der Sammlung Haupt befinden sich einige Arbeiten von Sebastian Siechold. Es handelt sich unter anderem um den Abdruck einer 10-Won-Banknote aus Nordkorea. Sicherlich kamen dabei auch Kopierer und Drucker zum Einsatz. Eine große Ähnlichkeit mit der originalen Banknote ist wohl unstrittig. Könnte es da nicht Ärger mit dem § 152 des StGB geben?
Stefan Haupt: § 152 StGB regelt, dass die §§ 146-151 StGB auch auf Geld, Wertzeichen und Wertpapiere eines fremden Währungsgebietes anwendbar sind. Der Abdruck einer 10-Won-Banknote fällt daher unter den Tatbestand des § 146 StGB und ist damit grundsätzlich verboten. Es muss zu der Fälschungshandlung jedoch noch die Absicht hinzu treten, das Geld als echt in den Verkehr zu bringen. Der Schöpfer der Banknote beabsichtigt jedoch nicht, diese als „echt“ in den Verkehr zu bringen, sondern als Werk der Kunst zu präsentieren. Er macht sich daher nicht nach § 146 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar.
Die Gesprächsrunde: RA Dr. Stefan Haupt, Numiscontrol, Sebastian Siechold (v.l.n.r.). Foto: Angela Graff.
Wie sehen Sie das als Künstler Herr Siechold?
Sebastian Siechold: Obwohl man geneigt ist, bei der Qualität des Abdruckes an die Zuhilfenahme von digitalen Vervielfältigungsmethoden zu denken, sind weder Drucker noch Scanner zum Einsatz gekommen. Jeder gut sortierte Supermarkt hält das magische Mittel bereit und mit ein paar Kniffen … Jedoch darf man nicht vergessen, dass der Abdruck obwohl gelungen und mit derselben Druckfarbe ausgestattet, spiegelverkehrt erscheint.
Ein anderes Werk ist aus handgeschöpftem Banknotenpapier gefertigt, welches vorher recycelt wurde. Als Grundmaterial diente völlig legal erworbenes Schreddergeld. Darf man denn auf diese Art sein eigenes Geldscheinpapier herstellen? Was meinen Sie als Künstler selbst dazu? Ist das für Sie alles noch legal, oder haben Sie bei Ihren Arbeiten gleich rechtliche Probleme mit einkalkuliert?
Sebastian Siechold: Die Idee aus entwerteten Banknoten neues Geldscheinpapier zu schöpfen, faszinierte mich schon eine ganze Weile, vor allem weil man mit ein wenig Wissen sehr leicht an das Grundmaterial kommt. Wohingegen der Prozess aus den Schnipseln eine Masse herzustellen, die als Grundlage für die „Neuschöpfung“ geeignet ist, mir einiges Kopfzerbrechen und unzählige fehlgeschlagene Versuche bereitet hat. Was die rechtlichen Probleme angeht, habe ich bei der schlechtesten Qualitätsstufe halt gemacht, einem Papier, das wirklich wie recyceltes Papier aussieht, da ich in meiner künstlerischen Arbeit nach einer ästhetischen Form gesucht habe, die den größtmöglichen Kontrast zu den Geldwitzen darstellen sollte (freudlos anmutendes Papier contra Geldwitz). Außerdem gelangen alle meine Arbeiten ausschließlich im Kunstkontext an die Öffentlichkeit.
Und wie geht der Gesetzgeber damit um Herr Dr. Haupt?
Stefan Haupt: Unter dem Nachmachen echten Geldes i.S.d. § 146 Abs. 1 Nr. 1 StGB versteht man die Herstellung von Falschgeld mit beliebigen Mitteln und aus beliebigem Material. Ergebnis des Nachmachens muss falsches Geld sein, also solches, das echtem Geld so ähnelt, dass es mit ihm verwechselt werden kann (NStZ 03, 368). Man kann daher sein eigenes Geldscheinpapier aus jeder Art von Material herstellen, solange keine Verwechslungsgefahr mit echtem Geld erzeugt wird.
Bedrucktes Geldscheinpapier, selbst hergestellt. Foto: Hermann Büchner.
Wenn nun ein Kunstwerk auf oder mit einer Münze/Banknote entstanden ist und dazu das Original verändert wurde, besteht unter Umständen doch eine Verwechslungsgefahr. Macht sich der Künstler strafbar, wenn er solche Stücke zum Kauf anbietet? Das ist doch auch so etwas wie in den Verkehr bringen?
Stefan Haupt: Hier ist zunächst anzumerken, dass der Tatbestand des „Verfälschens“ von Geld voraussetzt, dass echtes Geld in der Weise verändert wird, dass der Anschein eines anderen (höheren) Werts hervorgerufen wird (vgl. RG 68, 65). Darüber hinaus ist die Veränderung nur strafbar, wenn es dem Künstler darauf ankommt, dass das verfälschte Geld als echt in Verkehr gebracht wird, oder dass ein solches Inverkehrbringen ermöglicht wird.
Hier bringt der Künstler das Geld jedoch nicht als „echt“ in den Verkehr, sondern als Kunstwerk.
„Aus zwei mach drei“ von Sebastian Siechold. Foto: Hermann Büchner.
Ich möchte noch einmal auf ein Kunstwerk von Ihnen Herr Siechold zurückkommen. Sie haben dazu zwei originale 5-Euro-Banknoten zerschnitten und dann so zusammengesetzt, dass ein dritter Geldschein entstanden ist. Das Werk trägt den Titel „Aus zwei mach drei“, soweit so gut. Alle drei Scheine, also auch der „neu geschaffene“, sind geschickt zusammengesetzt. Bei der Bundesbank vorgelegt, bekäme man für die wirklichen 10 Euro am Ende 15 Euro, also drei Banknoten ersetzt. Herr Siechold, ist hier die Kunst bzw. der Künstler nicht zu weit gegangen? Was ist hier Ihre Botschaft?
Sebastian Siechold: Ein Jahr bevor ich die Arbeit „Aus zwei mach drei“ gemacht habe (2007), ist meine erste Arbeit zum Thema Geld entstanden. Eine abgeschliffene und polierte Ein-Euro-Münze, deren Wertseite zu einem Spiegel geworden ist. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich, ich hätte alles zu diesem Thema gesagt. Aber ich irrte. Ich hatte irgendwie das Bedürfnis weiter zu machen oder „noch einen draufzusetzen“. Da erinnerte ich mich an meine kindliche Faszination, was die „51%-Regel“ angeht. 51% sind alles wert und die 49% nichts? Ich war sehr froh den „Trick“ in die Sphäre der Kunst gehoben zu haben. Der besondere Reiz bei dieser Arbeit ist für mich, mit einfachsten Mitteln eine Fährte gelegt zu haben, die jedem zugänglich ist, die eine Möglichkeit beschreibt, dem alltäglichen Leben einen Bonus abzugewinnen, ohne dass ich selbst wirklich zur Tat schreiten musste.
Und was sagt die Rechtsprechung dazu? Könnte das Kunstwerk nicht etwa ganz nebenher beim Betrachter doch eine nicht legale Idee aufkommen lassen? Könnte man das dem Künstler unterstellen?
Stefan Haupt: Die Vermittlung nicht legaler Ideen mag unter Umständen moralisch verwerflich sein, ist grundsätzlich jedoch nicht verboten. Die Voraussetzungen der Anstiftung, also das vorsätzliche Bestimmen einer anderen Person zur Begehung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat nach § 26 StGB, sind vorliegend nicht gegeben.
Herr Dr. Haupt, gestatten Sie mir eine letzte Frage. Münzen und Banknoten mit der Währung DM sind als Zahlungsmittel nicht mehr gültig. Sie können aber auch weiterhin bei der Bundesbank unbegrenzt in Euro getauscht werden. Darf man solches Geld kopieren, verändern oder auch verfälschen und wie verhält sich das mit dem Geld der DDR?
Stefan Haupt: Kein Geld im Sinne des Art. 146 StGB ist außer Kurs gesetztes (auch sogenanntes verrufenes) Geld (BGH 31, 382). Es ist, sobald lediglich noch eine Annahmepflicht der Bundesbank besteht, nicht mehr gesetzliches Zahlungsmittel und damit der Geldfälschung nicht mehr fähig. So zumindest ist die herrschende Meinung. DM-Banknoten sowie Mark der DDR dürfen daher kopiert, verändert und verfälscht werden.
Herr Siechold, auch an Sie eine letzte Frage. Werden Sie auch in Zukunft in Ihrer künstlerischen Tätigkeit dem Thema Geld provozierend treu bleiben? Gibt es da schon neue Ideen oder Projekte?
Sebastian Siechold: Ein klares Ja, denn dafür ist das Themengebiet einfach zu brisant. Aber es gibt auch viele weitere Ansätze, die ich verfolge, welche sich bereits mit Erscheinungen auseinandersetzen, die eher am Rande dieses Gebietes anzusiedeln sind.
Ich möchte mich ganz herzlich beim Gastgeber Dr. Haupt und dem Künstler Sebastian Siechold für das interessante Gespräch bedanken.
Sammlerleidenschaft, Kunst und Recht berühren sich auf spannende Weise, wenn Künstler mit Geld arbeiten. Und solange die neu geschaffenen Objekte klar als Kunstwerke ausgestellt oder vermarktet werden, kann der Künstler beruhigt sein. Erst wenn tatsächliche Verwechslungsgefahr mit Umlaufgeld besteht, wird es kritisch. Und wer ganz auf der sicheren Seite sein will, der bearbeitet einfach Geld, das aus dem Umlauf gezogen wurde, denn das gilt ohnehin nicht mehr als Zahlungsmittel und darf ruhigen Gewissens „gefälscht“ werden.
Sollten Sie nun noch etwas mehr Geld und Kunst vertragen können, dann bekommen Sie weitere interessante Infos im Internet:
Zu dem Künstler Sebastian Siechold und seinen Projekten können Sie sich auf seinem Blog informieren.
Auch die Sammlung Haupt hat eine eigene Internetpräsenz.