Das renommierte Basler Antikenmuseum steht unter Hehlereiverdacht. Wie eine Ohrfeige weckte die Anklage aus Italien die Schweizer Medienlandschaft, die sich in ihrer Aufregung geradezu überschlug. Das ehrwürdige Institution kam dabei nicht immer gut weg.
Im Zentrum dieses Krimis eine Herkulesstatuette, die das Museum für eine Sonderausstellung nach Italien ausgeliehen hatte. Zurückgekehrt ist das Objekt nicht, eine Sondereinheit der Carabinieri hat es im Dezember 2018 beschlagnahmt, wie erst jetzt bekannt wurde. Die Zeitung „20 Minuten“ zitiert Peter Gill, Sprecher der Basler Staatsanwaltschaft: „Die italienische Justiz hat ein Strafverfahren wegen Hehlerei-Verdachts eingeleitet.“ Elf archäologische Objekte im Basler Antikenmuseum seien „im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens der italienischen Behörden“ ebenfalls beschlagnahmt worden und dürften seither nicht mehr bewegt oder verschoben werden, so Gill. Was ist da passiert?
Basels schwieriges Erbe
Provenienzforschung ist mittlerweile überall das Gebot der Stunde. Stammt etwas aus Raubkunst, aus Plünderungen der Kolonialherren, dem illegalen Handel oder haftet nur der Schatten eines Verdachts an einem Stück? All das beschwört einen Riesenaufwand an Recherche herauf, die erst einmal gestemmt werden will in Zeiten des Sparens.
Doch die Gesetzgebung war nicht immer und überall so auf Transparenz und moralische Korrektheit bedacht. Erinnern wir uns: Erst seit 1970 gibt es überhaupt die UNESCO-Konvention gegen den illegalen Handel von Kulturgut. Es brauchte weitere 35 Jahre, bis die Schweiz die Konvention ratifizierte. (Wem das übrigens lange erscheint: Deutschland ratifizierte die Konvention erst zwei Jahre später, 2007 …) Man mag sich darüber empören, aber Fakt ist: Für Schweizer Museen bedeutete dies, dass sie bis vor kurzem auch wegen einer sehr offenen nationalen Gesetzgebung zu wenig Provenienzkontrollen verpflichtet waren. Und selbst in einem reichen Land wie der Schweiz stellt man nicht mal so einfach Personal ab für Recherchen, die nicht zwingend erforderlich sind. Wie der Direktor des Antikenmuseums Basel, Andrea Bignasca, der Basler Zeitung 2017 versicherte, war man auch früher nicht einfach gleichgültig gegenüber der Herkunft angekaufter Objekte. Aber die Kunsthändler hätten seinerzeit eine große Autorität gehabt, diese wiederum ihren Lieferanten geglaubt. „Im Vordergrund stand die Kunst, die Erhaltung dieses Weltkulturerbes, dessen Studium und Präsentation“, so Bignasca. Doch die Welt hat sich geändert.
Italien ist besonders darauf bedacht, vermeintlich illegal exportiertes Kulturgut zurückzubekommen. Eine einfache, aber effektive und gefürchtete Methode: Objekte, die beispielsweise als Leihgaben ins Land kommen, werden beschlagnahmt. Oder aber man stellt Amtshilfegesuche im Ausland, wenn etwa aus italienischer Sicht verdächtige Stücke in Auktionskatalogen gesichtet werden.
Unfehlbare Carabinieri?
Die Spezialabteilung für Kulturgutschutz der Carabinieri hat sich nicht zum ersten Mal auf das Antikenmuseum Basel eingeschossen. Allerdings machten die Italiener auch früher nicht unbedingt bella figura.
In den 90er Jahren beantragten die Carabinieri bei den Schweizer Behörden die Restitution eines Knabentorsos aus Palestrina. Er sei aus einem Museum in Lazio gestohlen worden, das Basler Museum ein Hehler. Die deutschen Besatzer hätten das wertvolle Objekt im Zweiten Weltkrieg geraubt, so die Anklage. Das Museum erwarb die Skulptur in Deutschland in den 60er Jahren und der Verkäufer konnte belegen, dass er seinerseits das Kunstwerk rechtmäßig erworben hatte. Für die ursprüngliche Ausfuhr aus Italien sind im übrigen auch andere Szenarien denkbar: der Verkauf an einen deutschen Händler oder sogar ein „Gastgeschenk“ faschistischer Funktionäre an deutsche „Kollegen“. Der Torso steht noch heute in Basel.
Neuanfang für Antikenmuseum Basel?
Nun geht es also um eine Herkulesstatuette, 1973 erworben von der Stiftung zur Förderung des Antikenmuseums. Das prominente Kunstwerk ging mit anderen Objekten nach Turin zu einer Ausstellung in der Reggia di Venaria und schaffte es sogar auf die Titelseite des Ausstellungskataloges und auf die Ausstellungsplakate. Während alle anderen Leihgaben – entgegen Schweizer Medienberichten – anstandslos zurückgegeben wurden, wurde der Herkules beschlagnahmt. Kurz danach ließen die Italiener auch weitere Objekte in Basel von der dortigen Staatsanwaltschaft beschlagnahmen. Seit zweieinhalb Jahren schweigt Rom sich aus. Andrea Bignasca äußerte gegenüber der MünzenWoche: „Italien hat bisher keine Substantiierung der Vorwürfe bzw. keine Beweise liefern können, dass unsere Werke unrechtmäßig erworben wurden.“
Auf der einen Seite steht die weitgehende Hilflosigkeit gegenüber dem bürokratischen Apparat. Doch es gibt auch eine positive Entwicklung. Beim Thema Provenienz hat die Schweiz viel Aufholbedarf und wird jetzt aktiv. In Basel etwa hat man sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema Raubkunst beschäftigt. Den Museen ist die Bedeutung des Themas völlig klar, wie Andrea Bignasca uns erzählt hat: „Seit meinem Amtsantritt im Jahr 2013 habe ich museumsintern und mit der Museumskommission die Provenienzforschung geregelt. Bei Neuerwerbungen, Schenkungen oder Leihgaben operieren wir strikt nach den geltenden Gesetzen und internationalen Konventionen der ICOM. Im Zweifelsfall – d.h. wenn die Herkunft der Werke nicht genügend gesichert oder dokumentiert ist –, verzichten wir auf Ankäufe oder Schenkungen. Provenienzforschung betreiben wir also seit meinem Amtsantritt und im Rahmen unserer personellen und finanziellen Möglichkeiten in Bezug auf neue Erwerbungen, Leihgaben oder Schenkungen.“
Möglicherweise hat die Aktion der Carabinieri dem Antikenmuseum Basel sogar indirekt geholfen. Noch 2017 musste Bignasca in einem Gespräch konsternieren, dass es kaum möglich sei, die Herkunft der rund 10.000 Objekte an Altbeständen zu recherchieren, es fehle schlicht an Personal und Geld. Das hat sich mittlerweile geändert, denn der Direktor konnte uns stolz verkünden: „Für die Aufarbeitung der Vergangenheit haben wir eine neue Stelle zur Provenienzforschung geschaffen. Sie war lange geplant, und geht jetzt dank privaten Mitteln und internen Einsparungen an den Start.“
Trau, aber schau wem
Was lernen wir aus der Causa Basel? Kulturgutschutz ist ein internationales Thema und die Berufung auf das jeweilige nationale Recht hilft heutzutage nicht immer. Es braucht viel Fingerspitzengefühl und eine dicke Haut. Während die italienischen Carabinieri energisch alles vermeintlich italienische Kulturgut aufspüren und beschlagnahmen, sind die italienischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Museen viel stärker an guter und vertrauensvoller Zusammenarbeit interessiert. Andrea Bignasca versichert nicht ohne Stolz: „Mit italienischen Museen haben wir ausgezeichnete Beziehungen und Kooperationen, zuletzt reisten nach Basel Meisterwerke aus Neapel, Rom, Capua, Paestum und Pompeji für unsere Ausstellung ,Gladiator – Die wahre Geschichte‘. Diese Ausstellung ist nun bis Ende des Jahres im Nationalmuseum Neapel zu sehen. Dabei sind – nota bene – selbstverständlich auch einige Leihgaben des Basler Antikenmuseums!“. Kurioserweise scheinen übereifrige Kulturgutschützer hier geradezu gegen ihre eigenen Museen zu arbeiten … Um die internationale Zusammenarbeit auch gegen die bürokratischen Windmühlen langwieriger Beschlagnahmungen zu sichern, greift Andrea Bignasca mittlerweile zu einem pragmatischen Mittel: „Bei den Leihanfragen aus Italien achten wir insbesondere darauf, zusätzlich zum Leihvertrag eine offizielle Rückgabegarantie des italienischen Kulturministeriums zu beantragen und rechtzeitig zu erhalten. Ohne dieses Dokument können wir leider keine Leihgaben mehr tätigen.“
In unserem Archiv finden Sie viele Artikel zum Thema Kulturgutschutz.
Zumindest für das deutsche Kulturgutschutzgesetz gibt es jetzt einen Leitfaden.
Hier finden Sie die offizielle Seite des Antikenmuseums Basel.