von Nathan T. Elkins
übersetzt von Christina Schlögl
13. Oktober 2016 – Eine erbitterte Debatte wird seit mehreren Jahrzehnten über das Sammeln von Altertümern geführt. Beteiligt sind Archäologen, Akademiker, Museumsdirektoren und Kuratoren. Kern des Problems ist für Archäologen, Historiker und viele Numismatiker die Zerstörung von Wissen, die mit Raubgrabungen einhergeht, die durchgeführt werden, um einen Markt zu beliefern, der sich oft wenig oder gar überhaupt nicht um die Herkunft eben dieser Objekte schert. Auf der anderen Seite bringt Sammeln eine Wertschätzung der Vergangenheit mit sich. Ich weiß das aus erster Hand. Viele Jahre habe ich als Teenager und in meinen frühen Zwanzigern antike Münzen gesammelt, bis mir – sowohl durch mein Studium als auch wegen meiner Erlebnisse als Sammler – bewusst wurde, wie Objekte vom Boden zum Käufer gelangen. Ich schätze und achte die Liebe zur Geschichte, die die meisten Sammler antreibt. Aber wenn wir die Vergangenheit wertschätzen, können wir doch nicht wollen, dass Informationen darüber zerstört werden. Deshalb müssen wir den Problemen gegenüber sensibel sein. Schließlich ist es ja das Wissen über die Vergangenheit, das diesen Objekten innewohnt, das uns als Sammler und Akademiker so fasziniert, und daher müssen wir Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass unser Handeln keine Erkenntnisse vernichtet oder gar Schaden anrichtet. Wie ich bereits mehrfach in meinen Veröffentlichungen festgestellt habe, sammeln die meisten Sammler antike Münzen aufgrund einer Liebe zur antiken Geschichte und zu der direkten Verbindung zur Vergangenheit, die diese Objekte aufweisen. Es ist diese Liebe zur Vergangenheit und eine Leidenschaft für das Altertum und antike Geschichte, die Archäologen, Akademiker und Sammler teilen.
Leider herrschte in der „Debatte“ um Ethik und antike Münzen bisher Extremismus und Demagogie; für einige mag der Profit Vorrang vor einer Liebe zur Geschichte haben. Ich habe nie dafür plädiert, das Sammeln aufzugeben, sondern lediglich dafür, dass ethische Erwägungen eine Rolle beim Sammeln spielen sollten, sodass jene, die sammeln und die das Lernen über unsere Vergangenheit lieben, nicht wissentlich zum Verlust von geschichtlichen Informationen beitragen. (Über die Notwendigkeit von Dialog, Engagement und die Macht von Sammlern bei einem Wandel, siehe N.T. Elkins, „The Trade in Fresh Supplies of Ancient Coins: Scale, Organization, and Politics“, in P.K. Lazrus and A.W. Barker (Hrsg.), S. 104-107). Und so wurde ich auf Einladung von Ursula Kampmann gebeten, dies hier zu schreiben und vorzuschlagen wie einige Schritte zu einem ethischen Sammeln aussehen könnten.
1. Hören Sie auf, Entschuldigungen für ihr Nichtstun zu suchen
Ausreden zu suchen, um das Nichtstun und damit den Erhalt des Status Quo zu rechtfertigen, ist endemisch in unserer politischen Kultur. Dies ist ein komplexes Problem und es gibt dafür keine „Patentlösung“. Wir müssen uns stattdessen damit beschäftigen, was wir als Individuen tun können, um zur Verbesserung der Situation beizutragen. Seinen Sie argwöhnisch gegenüber Leuten, die meinen, dass nur weil uns die Beibehaltung der Todesstrafe in manchen Ländern nicht gefällt oder dass sie kein PAS-artiges Schema haben (PAS = Portable Antiquities Scheme, dt. Programm zur Erfassung privat gefundener Altertümer), es sei die Schuld dieser Länder und es gebe nichts, was man tun sollte oder könnte. Dieselben Leute könnten spekulieren „wenn ich keine antiken Münzen kaufe, würden die Finder sie bloß einschmelzen“ und sich als Retter der antiken Kunst darstellen. Das sind Ausreden für Tatenlosigkeit. Bedenken Sie darüber hinaus, dass Nationen autonome Staaten mit ihren eigenen Gesetzen sind und ihre Gesetze sehr wohl von Bedeutung sind. Sammler und Händler haben sich schon oft die Finger verbrannt, indem sie die Gesetze der Herkunftsländer der Objekte ignorierten. In den USA wurde der National Stolen Property Act benutzt, um Objekte zurückzuholen, die von anderen Nationen beansprucht wurden. (Zum Aspekt, wie wichtig die Gesetze jener Länder sind, aus denen die von uns gesammelten antiken Objekte stammen, siehe A.-P. Weiss, „Caveat Emptor: A Guide to Responsible Collecting“, ANS Magazine (fall 2012, issue 3), S. 35-41).
2. Weigern Sie sich, antike Münzen als Kiloware zu kaufen und mit den Händlern von Kiloware Geschäfte zu machen
Umfangreiche Partien von antiken Münzen, an denen noch Erde klebt, oder Lots, die als „Metalldetektorfunde“ auf den Markt gebracht werden, sind Raubgut. Sie kommen von einer oder mehreren archäologischen Ausgrabungsstätten und bedeuten großen Schaden und den Verlust von Information. Solche Objekte zu kaufen belohnt jene, die plündern oder mit Plünderern verhandeln und ermutigt diese zum Weitermachen.
3. Wenn Sie antike Münzen kaufen, behalten Sie alle Kaufdokumente und Details ihrer Sammlergeschichte.
In Europa und den USA vermehren sich die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich antiker Münzen und Altertümer. Wenn Sie eine Münze weiterverkaufen oder einem Museum spenden wollen, ist es wichtig, dass Sie in der Lage sind nachzuweisen, wann diese von wem gekauft wurde. Details der Provenienz werden vor allem von Museen eingefordert. Münzen mit alten Provenienzen neigen dazu, höhere Zuschläge auf Auktionen zu erzielen, was wahrscheinlich auf zwei Gründe zurückgeht: Auf der einen Seite auf höhere ethische und rechtliche Standards, auf der anderen Seite auf ein reduziertes Risiko, Fälschungen anzukaufen.
4. Erstellen Sie eine ethische Richtlinie; setzen Sie sich ein „Stichdatum“
Archäologen und Museen benutzen oft 1970 als Zeitgrenze für ethisch vertretbare Ankäufe, da dies das Datum des UNESCO-Übereinkommens über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut ist. Viele Museen kaufen kein antikes Objekt, dessen Sammlergeschichte nicht mindestens bis zu einem Zeitpunkt vor 1970 verifizierbar ist. Allerdings ist seit 1970 viel Zeit vergangen, und viele antike Münzen kamen erst später auf den Markt, weswegen 1970 für die meisten Sammler unpraktikabel ist. Dies sollte jedoch keine Entschuldigung sein, überhaupt nichts zu tun. Wählen Sie selbst ein Datum aus und prüfen Sie, dass die Provenienz des für den Ankauf in Betracht gezogenen Objekts bis vor Ihr eigenes Datum zurückreicht. Zumindest damit kann jeder einzelne heute beginnen. Und dies würde helfen sicherzustellen, dass Sie persönlich nicht unabsichtlich zu heutigem oder zukünftigem Plündern beitragen.
5. Achten Sie auf ausländische Gesetze, auf die Gesetze Ihres Landes, auf internationale Vereinbarungen und das Weltgeschehen
Zwar zirkulierten in der Antike viele antike Münzen über weite Distanzen, viele davon jedoch ausschließlich lokal. Wenn also auf dem Markt eine Partie römischer Provinzialprägungen aus Syrien auftaucht, die keine nachweisbare Sammlergeschichte hat, seien Sie misstrauisch, da sie Raubgut infolge von politischer Destabilisierung sein könnte. (Siehe dazu Ute Wartenberg-Kagan’s Essay über „Collecting Coins and the Conflict in Syria“ und die Notwendigkeit von Achtsamkeit und Wachheit). Es gab aufgrund dieses Problems beispielsweise eine deutliche Zunahme von ägyptischem Material auf dem Markt. In den USA wurden mehrere Memoranda of Understanding (MOUs, dt. Absichtserklärungen) mit verschiedenen Ländern getroffen, die den Import von antiken Objekten aus bestimmten Ländern in die USA beschränken. Sammler sollten diesen Abkommen und den darin verhandelten Objektgruppen gegenüber achtsam sein. Um eine Münze zu importieren, die von einem Abkommen mit einem dieser Länder geschützt wird, muss es eine nachvollziehbare Sammlergeschichte geben, die beweist, dass die Münze bereits vor der Inkraftsetzung des Abkommens im Handel war. Nehmen wir also zum Beispiel an, eine römische Provinzialprägung aus Serdica (heute Sofia) wäre in einem Abkommen mit Bulgarien mitinbegriffen, das am 14. Januar 2014 implementiert wurde. Das heißt, dass jeder, der eine Münze in die USA importiert, die von diesem Abkommen mit Bulgarien geschützt wird, nachweisen müsste, dass die Münze bereits vor diesem Datum im Handel war.
Weitere Informationen zu Nathan Elkins finden Sie in unserem Who’s who.