von Ursula Kampmann
30. Juni 2016 – Am Donnerstag, dem 23. Juni 2016, fand die 2. und 3. Lesung der Neuregelung des deutschen Kulturgutschutzrechts statt. Wer via Internet die Diskussion verfolgte, sah hauptsächlich leere Bänke vor denen die Redner unwidersprochen ihre Meinungen präsentierten. Das, was sich ein Nicht-Politiker unter einer Diskussion vorstellen mag, fand nicht statt.
Screenshot aus der Life-Übertragung zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts.
Zunächst sprach Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien. Wichtig war ihr, das, was sie für Verbesserungen hält, darzustellen, weil „der Eindruck erweckt wurde, sie (die Sammler, Anm. d. Verf.) könnten künftig nicht mehr frei über ihr Eigentum verfügen.“ So betonte sie, dass nun erstmals klare Kriterien vorlägen, welche Werke in das Verzeichnis national wertvoller Kulturgüter einzutragen seien. Ferner sollen die Sachverständigenausschüsse „aus Vertretern von Museen, Archiven, Wissenschaft, Handel und Sammlern gestärkt werden“. Damit sei das Verfahren wesentlich transparenter. Sammler würden in Zukunft beim Kauf eines Kunstwerks davon profitieren, „dass der gewerbliche Kunsthandel im Rahmen des Zumutbaren die Herkunft und Provenienz eines Werkes prüfen muss.“
Einen veritablen Seitenhieb gegen ihre Kritiker verteilte Frau Grütters am Schluss ihrer Rede: „Ich bin dankbar, dass wir einen breiten Konsens all derer erreicht haben, die Kulturgüter vor illegalem Handel und unrechtmäßiger Ausfuhr im Interesse des Gemeinwohls schützen wollen.“ Ihren Kritiker, so implizit, läge eben nicht am Schutz des Kulturguts. So freute sie sich über den Besuch von zwölf Botschaftern der Länder Ägypten, Bolivien, China, Ecuador, Guatemala, Irak, Jordanien, Libanon, Mexiko, Mali, Peru und Sudan, die sich für dieses neue Gesetz ausdrücklich bei Deutschland bedankt hätten. Der kritische Leser mag sich dabei fragen, wie viel der Dank für ein deutsches Gesetz von zwölf Nationen wert ist, die selbst weder als Musterbeispiele der Demokratie noch des Kulturgutschutzes gelten können.
Als nächste sprach Sigrid Hupach von „Die Linke“. Sie kritisierte die mangelhafte Zusammenarbeit zwischen den Parteien hinsichtlich des Gesetzes: „Ich finde schon, dass es eine Zumutung ist, uns am Dienstag um 16 Uhr einen Änderungsantrag mit 97 Seiten zuzusenden, zu dem die ersten mitberatenden Ausschüsse bereits Mittwoch ab 8 Uhr ein Votum abgeben sollen. Ich spreche das nicht an, weil wir nicht bereit wären, abends zu arbeiten, sondern weil ich darin eine Missachtung der parlamentarischen Arbeit der Opposition sehe und dieses Verfahren außerdem dem wichtigen Thema des Kulturschutzes nicht angemessen ist.“
Sonst stellte sich Frau Hupach hinter das Vorhaben der Regierung, wollte aber vor allem die Sorgfaltspflichten beim gewerblichen Inverkehrbringen von Kulturgut entscheidend verschärft sehen.
Es folgte der Vorsitzende des Kulturausschusses Siegmund Ehrmann von der SPD. Er formulierte hinsichtlich der schützenswerten Objekte: „Nicht der Marktwert oder das Alter eines Objektes per se ist das entscheidende Kriterium. Es geht um das Besondere, das Einzigartige, das Identitätsstiftende. Es kann insofern immer nur um herausragende Einzelobjekte gehen, die Schutzwirkung rechtfertigen.“
Herr Ehrmann hält das Gesetz für ein gutes Gesetz. Auch wenn all diejenigen, die in den letzten Jahren die Prozesse verfolgt haben, die gegen Sammler und Händler angestrengt wurden, seine Zusammenfassung entweder für zynisch oder für naiv halten werden: „Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“
Ulle Schauws von Bündnis 90 / Die Grünen war die nächste. Sie kritisierte „die endlos diffuse Kommunikation der Bundesregierung verbunden mit einem Krisenmanagement, das zusätzliches Misstrauen hat entstehen lassen“. Auch sie hätte gerne höhere Auflagen für den Handel gesehen, vermutlich weil sie nicht über die neuesten Studien zum Wertumfang des illegalen Handels informiert ist. Obwohl eine wissenschaftliche Studie die erfundenen Milliarden inzwischen längst auf ein paar Millionen im einstelligen Bereich reduziert hat, spricht sie immer noch von 6 bis 8 Millionen Euro Umsatz jedes Jahr und wiederholt die seit Jahren widerlegte Aussage, der Kunsthandel stünde an dritter Stelle aller Einnahmequellen der organisierten Kriminalität. Für staatliche Stellen wünscht sie keine Verantwortung, so begrüßt sie die Abschaffung des „bislang geltenden ungeeigneten Listenprinzips“
Zur Frage der Münzen äußerte sich Ansgar Heveling von der CDU: „Der Entwurf berücksichtigt auch die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Kunsthandelsgewerbe. So sind beispielsweise Sonderregelung für Münzen in den Gesetzesentwurf eingegangen. Sie gelten nicht als archäologische Kulturgüter, wenn sie in großer Stückzahl vorhanden sind und keinen relevanten Erkenntniswert für die Archäologie haben.“
Einen Einblick der besonderen Art in die Gebräuche des Kunsthandels offerierte Susanne Mittag von der SPD: „Bislang reichten irgendwelche handschriftlichen Zettel, auf denen notiert war, dass das Objekt vom Boden oder aus einer Privatsammlung kommt – dass es so viele Böden und Privatsammlungen gibt, ist ja kaum zu glauben -, und auch der Flohmarkt wurde immer wieder gerne zitiert; auch von dort kamen offensichtlich sehr viele dieser Altertümer. 4 Prozent hatten überhaupt gar keine Nachweise. Trotzdem waren sie im Handel.“
„Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass wir im parlamentarischen Verfahren die Wertgrenze für archäologisches Kulturgut … auf null gesetzt haben. Es ist ja nicht zum ersten Mal passiert, dass Teile zerschlagen wurden, und dann wurden sie billiger.“
Die Qualität dieses Beitrags zeigt der Rückverweis auf den sattsam bekannten Fall der Himmelsscheibe von Nebra, der bei der SPD und den Grünen Heiterkeit auslöste. Dass die Rückführung dieses Stücks auch mittels des alten Kulturgutschutzgesetzes möglich war, irritiert die Rednerin dabei keine Sekunde. Im Gegenteil, sie fordert, dass “im Rahmen der vorgesehen Evaluierung“ die Schutzwirkung beobachtet „und das Gesetz gegebenenfalls nachgeschärft“ wird.
Die Debatte schlossen Dr. Astrid Freudenstein von der CSU, die feststellte, dass man 1955 schon über die gleichen Kernpunkte debattiert habe, und Martin Dörmann von der SPD, der betonte, man sei Sammlern und Kunsthändlern sehr stark entgegengekommen, ohne die Kernziele des Gesetzes aufzugeben.
Damit war die für die Debatte vorgesehene Stunde abgelaufen. Das Gesetz wurde abgestimmt. „Der Gesetzesentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Opposition angenommen.“
Nun muss noch der Bundesrat zustimmen. Dies soll am 8. Juli 2016 erfolgen. Es handelt sich um den letzten möglichen Termin vor der parlamentarischen Sommerpause. Mit der Zustimmung des Bundesrats tritt das Gesetz in Kraft.
Sobald der Gesetzesentwurf vom Bundesrat beschlossen wurde, werden wir ihn sorgfältig prüfen und zusammenstellen, welche Änderungen er für Handel und Sammler bringt.
Übrigens, der Erfüllungsaufwand soll in zwei Jahren überprüft werden. Und nach fünf Jahren gibt es dann einen Evaluationsbericht, der zum Anlass werden kann, das Gesetz zu überprüfen. Wir sind sehr gespannt, ob dieses Mal auch Handel und Sammler angefragt werden, wenn es um die Erstellung des Evaluationsberichts geht.
Hier kommen Sie zum beschlossenen Gesetzesentwurf.
Hier können Sie das Protokoll der Sitzung durchlesen.
Sie können auch ein Video der Sitzung sehen. Dort können Sie sich selbst davon überzeugen, wie wenige Politiker es braucht, um ein neues Gesetz zu machen.