von Björn Schöpe
15. August 2013 – Die Hagia Sophia in Istanbul ist eines der beliebtesten Reiseziele bei Türkeireisenden. Ursprünglich eine byzantinische Kirche wurde sie nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken zur Moschee gemacht und 1935 in dem modernen, säkularen Staat zum Museum.
Die Hagia Sophia in Istanbul war zunächst Kirche, dann Moschee. Seit 1935 ist sie ein Museum. Foto: Arild Vagen / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en
Obwohl es immer wieder Bestrebungen seitens religiöser Bewegungen gab, die Hagia Sophia als Moschee zu nutzen, blieb das Monument geschützt – nicht zuletzt weil es als Publikumsmagnet für volle Kassen sorgt. Ihre Namensschwestern in Iznik und Trabzon waren weniger gut geschützt und werden seit kurzem wieder als Moscheen genutzt. Um diese Entwicklung, die auch andere Gebäude betrifft, ist eine heftige Diskussion entbrannt, an der sich das Kernproblem der Türkei zeigt: Das Lager der „Nationalisten“, die den Staat über die Religion stellen und sich meist in der Tradition Atatürks sehen, kämpft gegen die Partei der „Religiösen“, die den Islam im modernen Staat Türkei stärken wollen. Es geht dabei auch um die Deutungshoheit der Geschichte.
Die Hagia Sophia in Trabzon am Schwarzen Meer. Foto: Alaexis / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en
In der Schwarzmeer-Stadt Trabzon (Trapezunt) stellt die byzantinische Kirche Hagia Sophia das bedeutendste Denkmal dar. Wie viele andere byzantinische Kirchen teilte es das Schicksal, nach der Eroberung durch die Türken zum islamischen Gotteshaus gemacht worden zu sein. Auch als Waffendepot und Krankenhaus hatte es schon gedient, bevor das Gebäude 1962 für den Gottesdienst geschlossen und zum Museum wurde. Vorangegangen waren Restaurationsarbeiten, um den kunsthistorisch bedeutenden Baukörper zu bewahren.
Antony Eastmond vom Courtauld Institute of Art in London betont, dass es das Zusammenspiel von Architektur, Skulpturenschmuck und Malerei ist, das die Kirche einmalig macht: „Es ist das am vollständigsten erhaltene byzantinische Gebäude. Es gibt kein Monument aus dem 13. Jahrhundert, das sich mit diesem vergleichen ließe.“
Die Bedeutung der byzantinischen Kirche macht das Zusammenspiel aus Architektur, Bildschmuck und Mosaiken – alle Bilder sind jetzt verdeckt worden, weil die betenden Besucher sich davon belästigt fühlen. Foto: Alaexis / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en
Das für historische Moscheen zuständige Stiftungsamt war jedoch der Ansicht, dass das Kulturministerium den Bau illegalerweise okkupiere, da er von Mehmet II. geweiht war – ein Akt, der nach religiöser Vorstellung nicht aufgehoben werden kann. 2012 gab ein Gericht dem Stiftungsamt recht. Unabhängig von Protesten wurde pünktlich zum Ramadan die Nutzung als Moschee wieder aufgenommen. Alles, was die Gläubigen beleidigen könnte, die kostbaren Fresken, die Mosaikböden und der figürliche Skulpturenschmuck, wurde abgedeckt und soll auch abgedeckt bleiben. Moderne Techniken erlaubten schließlich das Verdecken der historischen Malereien, darunter ein Christus Pantokrator in der Kuppel, so Mazhar Yildirimhan, Vertreter des Stiftungsamts in Trabzon. Dieser tut Kritik als bloße Propaganda ab und hält im übrigen auch die Hagia Sophia in Istanbul für eine Moschee, die als solche wieder genutzt werden sollte.
Die kostbaren Deckenmalereien benötigen konservatorische Betreuung. Foto: Alaexis / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en
Türkische Wissenschaftler sind allerdings alarmiert. Schon mehrfach wurden byzantinische Kirchen wieder in Moscheen umgewandelt und auch restauriert. Nicht immer jedoch in Absprache mit den Wissenschaftlern und so manches Mal ohne ausreichende Rücksichtnahme auf die Bausubstanz. Letzten Endes teilen sie alle ein gemeinsames Schicksal: Der Bildschmuck verschwindet hinter einer Abdeckung, das kulturhistorische Ensemble wird aufgelöst und statt der Öffentlichkeit die Bedeutung des Monumentes in seiner Gänze zu zeigen, hat die Nutzung für den Gottesdienst Vorrang.
Die Lage ist beunruhigend, denn ganz offensichtlich bemühen sich die Vertreter der Religion, ihre Macht zu demonstrieren und nach und nach historische Bauten wieder zu Moscheen zu weihen, wenn sie irgendwann als solche geweiht waren. Hätten christliche Verbände einen ähnlichen Einfluss, wäre ihre Position sogar noch stärker, wollten sie die Gebäude wieder als Kirchen weihen lassen – immerhin war dies die ursprüngliche Funktion gewesen. Und tatsächlich finden sich immer wieder Unterzeichner von Petitionen und Leserbriefschreiber, die betonen, wie schlimm es sei, dass eine Kirche zur Moschee werde …
Doch das Problem liegt nicht darin, welche Form von Gottesdienst in den Gebäuden abgehalten wird, wie oder in welcher Sprache man darin betet. Die Mauern haben christliche und muslimische Praktiken gesehen und beide haben historisch Anteil an der Geschichte der Monumente. Wenn wir aber die Bauten als kulturell wertvolle Zeugnisse der Vergangenheit sehen, so muss die Konsequenz sein, dass wir uns bemühen, sie zu erhalten, in verantwortlicher Weise zu restaurieren und sie in ihrer Gänze der Öffentlichkeit zu zeigen, soweit dies konservatorisch zulässig ist. Wer seine Religion ausüben möchte, wird sich davon nicht bedroht fühlen müssen, Alternativen gibt es genug, von denen viele kaum besucht werden, wie Vertreter von Religionsverbänden betonen. Eine zweite Hagia Sophia von Trabzon gibt es nicht, und wir können nur hoffen, dass es wenigstens die eine, die wir haben, noch lange Zeit in ihrem bisherigen Zustand geben wird.
In The Art Newspaper hat sich Andrew Finkel in einem Artikel ausführlich geäußert.
TRT English brachte eine Meldung zu der ersten Nutzung als Moschee nach über 50 Jahren.
In einem Video können Sie sich die Hagia Sophia anschauen.
Es gibt auch eine Facebook-Gruppe: The Hagia Sophia in Trabzon must remain a museum …
… und eine entsprechende Petition.