von Ursula Kampmann
18. Dezember 2014 – Die Bilder waren schrecklich: Durchlöcherte Grabungsareale, zerstörte Gräber, dazu Hunderte von beschlagnahmten Kleinobjekten. Nicht nur die Vertreter des DAI, jeder war entsetzt. Das Schlimmste an solchen Plünderungen ist nämlich, dass für wenige wirtschaftlich lohnende Funde, viele Quadratmeter potentieller Ausgrabungsfläche durchwühlt werden müssen.
Niemand wird dem widersprechen, dass man einen Weg finden muss, die Plünderung des archäologischen Erbes zu beenden. Die Frage ist nur, welchen Weg man dafür geht.
Das Versagen der Nationalstaaten
Die UNESCO-Konvention von 1970 hat mit klaren Worten die Unterzeichnerstaaten gemahnt, Sorge für ihr eigenes kulturelles Erbe zu tragen. In Artikel 5 werden sie aufgefordert zur „Einrichtung der Überwachung archäologischer Ausgrabungen, Gewährleistung der Konservierung bestimmten Kulturguts „in situ“ und [zum] Schutz bestimmter Gebiete, die künftigen archäologischen Forschungen vorbehalten sind.“
Doch nicht nur die Staaten in Krisengebieten scheitern an dieser Verpflichtung. Keine Nation – vielleicht mit Ausnahme Großbritanniens – plant in ihrem Staatsbudget ausreichende Mittel ein, um ihr kulturelles Erbe wirksam zu schützen. Infrastrukturprojekte stehen vor dem Erhalt von potentiellen Ausgrabungsgebieten. Museen und Archäologen klagen über fortschreitende Kürzungen der Mittel.
Aber nichts von all dem kam während des Kongresses zur Sprache. Im Gegenteil. Die allgemeine Aussage der offiziellen Vertreter von Syrien, Ägypten, Nigeria und Griechenland, um nur einige zu nennen, war kurz zusammengefasst: Wir sind hilflos im eigenen Land. Tut ihr deswegen im Ausland etwas dagegen.
Wissenschaftliche Einseitigkeit
Die meisten vom Deutschen Archäologischen Institut eingeladenen Referenten sahen die Sache nicht differenzierter. Auch sie beschränkten sich auf die monokausale Feststellung: Wenn es keinen Handel mit Objekten ohne gesicherte Provenienz gäbe, würde allen Raubgrabungen sofort der Boden entzogen werden. Deshalb müsse der Handel für alle Objekte, die keine gesicherte und nachvollziehbare Provenienz hätten, sofort eingestellt werden. Wie weit in die Vergangenheit die Provenienz zurückreichen solle, war etwas umstritten. Während einige Gemäßigte das Datum der Unesco-Konvention von 1970 anstrebten, forderten andere ein Datum vor Einführung der nationalen Antikengesetze in den jeweiligen Ländern. Eine Wertgrenze für betroffene Objekte dürfe es nicht geben, da auch die Suche nach kleinen Objekten wie Münzen zu Plünderungen führe.
Um der Strafverfolgung die Arbeit zu erleichtern, müsse man neue gesetzliche Grundlagen schaffen, deren Basis die Umkehr der Beweislast sei. Man solle endlich aufhören, die Errungenschaften des bürgerlichen Gesetzbuches als unberührbar zu verstehen, schließlich habe das Finanzamt ähnliche Rechte und Möglichkeiten.
Was an unrechtmäßig angekauften Objekten in Museen liege – unrechtmäßig wohl verstanden nicht im Sinne der deutschen Gesetze, sondern der Moral, müsse zurückgegeben werden. Man solle sich erst einmal darauf beschränken, die eigenen Bestände aufzuarbeiten. Neue Objekte brauche man in unseren Museen nicht.
Privatsammlungen wurden nicht eigens erwähnt, aber implizit würden diese Forderungen bedeuten, dass ein großer Teil aller Sammelobjekte unverkäuflich wäre, da gerade für Münzen im unteren Preisbereich im Regelfall keine Provenienzen überliefert sind. Ferner wäre aus dem gleichen Grund eine an Willkür grenzende Rechtsunsicherheit das Ergebnis.
Ausgegrenzte Störenfriede
Die eingeladenen Referenten waren handverlesen. Sie repräsentierten nicht etwa verschiedene Auffassungen, sondern hatten sich allesamt durch ihre einschlägigen Äußerungen in Sachen Kulturgüterschutz für einen Vortrag empfohlen. Kritik an den zentralen Punkten der Botschaft, die das DAI an Politik und Presse zu vermitteln beabsichtigte, war weder erwünscht noch willkommen.
Im Vorfeld des Kongresses hatten sich deshalb einige Verbände des Kunst- und Antikenhandels sowie die Deutsche Numismatische Gesellschaft darüber beklagt, dass die Auswahl der Redner einseitig sei. Tatsächlich erfolgte dann in letzter Minute noch eine Einladung an eine Vertreterin des Handels, die anlässlich der abschließenden Podiumsdiskussion zu Wort kam.
Dass Anregungen zur Verbesserung der Zusammenarbeit nicht willkommen waren, war zu erwarten gewesen, aber die kategorische Art der Ablehnung des Direktors der Abteilung Kairo des DAI, man werde nichts tun, was den Handel befördere – vorausgegangen war die Frage eines IADAA-Mitglieds, ob man nicht bei der Diebstahlsbekämpfung enger zusammenarbeiten könne, erstaunte dann doch.
Billige Lösungen
Die Art der Diskussion mit all ihren unschönen Exzessen machte klar, dass die Gräben zwischen Archäologie und Handel weiter bestehen und tiefer sind als je zuvor. Den meisten Vertretern des DAI liegt nichts daran, Lösungen zu finden. Es geht darum, den Handel wie wir ihn heute kennen abzuschaffen.
Das Problem scheint zu sein, dass einige Politiker dazu tendieren, die Meinung dieser lauten, staatlich finanzierten Minderheit als die Meinung aller an der Vergangenheit Interessierten zu akzeptieren. Dies ist für einen Politiker auch zu verführerisch. Während Siegmund Ehrmann, der Vorsitzende des Kulturausschusses im Bundestag versprach, man wolle ein Gesetz schaffen, das endlich alle Missstände abstellen werde, wurde er merklich zurückhaltender, als es um staatliche Mittel für die Stärkung des Kulturgüterschutzes ging.
Zeichen der Hoffnung
Doch ein paar Zeichen der Hoffnung auf eine Vernunft gesteuerte Diskussion dürfen wir ebenfalls vermelden. Die meisten Redner unterschieden sorgfältig zwischen legalem und illegalem Handel, auch wenn sie grundsätzlich der Meinung zu sein schienen, dass in Deutschland ausländisches Recht gleichberechtigt neben deutschem gelte. Darüber hinaus wurde der Antikenhandel kaum noch in einem Atemzug mit dem Terrorismus genannt.
Die großen Zahlen scheinen vom Tisch. So wollte Neil Brodie in seinem öffentlichen Abendvortrag zum Beispiel keine Zahl für den Umsatz des illegalen Handels nennen.
Und vielleicht das beste Ergebnis der Konferenz, Gastgeber Hermann Parzinger gab in seiner Schlussrede der Hoffnung Ausdruck, dass man vielleicht doch zu einer Zusammenarbeit finden würde.
Und wie geht’s weiter?
Eines muss klar sein. So wie bisher wird der Handel mit Objekten nach der neuen Gesetzgebung nicht weitergehen. Doch diese Gesetze müssen erst formuliert werden. Hier müssen die Verbände dafür sorgen, dass ein weiser Kompromiss zwischen den durchaus in Teilen berechtigten Forderungen der Archäologen und den mindestens genauso berechtigten Forderungen von Sammlern und Handel gefunden wird.
Das Sammeln von antiken Objekten ist die Basis unseres Wissens über alle Vergangenheit. Aus dem Sammeln haben sich die Geschichtsforschung, die Quellenkritik und die Archäologie entwickelt. Objekte aus Sammlungen haben nicht nur die Einstellung der Menschen verändert, sie haben Politik gemacht und Künstler dazu gebracht, neue Ansichten der Welt zu entwickeln. Das Sammeln ist genauso ein Kulturgut wie die Pyramiden in Ägypten oder der Palast der Achaimeniden in Persepolis. Vielleicht sollten wir 2015 den Antrag stellen, das Sammeln im Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufzunehmen. Denn diese Jahrhunderte alte Tradition ist heute wirklich bedroht.