29. September 2011 – Das Arithmeum der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn erwirbt eine einzigartige Sammlung historischer Rechenmaschinen. Die Kulturstiftung der Länder unterstützte den Ankauf.
Für das Bonner Arithmeum – das als „Mekka der Rechenkunst“ u. a. die weltweit umfassendste Sammlung historischer Rechenmaschinen präsentieren kann – ist es ein glücklicher Zugewinn: Aus Privatbesitz konnte das Museum die wohl größte noch verfügbare Sammlung historischer Rechenmaschinen mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung ankaufen.
In über 50 Jahren hatte der ehemalige Büromaschinen-Vertreter Helmut Waldbauer mit Leidenschaft und großem Sachverstand seine Sammlung in Wien zusammengetragen, die nahezu lückenlos die Entwicklung und Produktion von Rechenmaschinen speziell in Österreich seit Beginn der Industrialisierung um 1870 bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts dokumentiert.
Früh übt sich: Rechenlernspielzeug der Nähmaschinenfirma Müller, ca. 1905.
Mit 338 Objekten verschiedenster Bauarten umfasst die Sammlung auch einige „Kronjuwelen“ aus der Anfangszeit der Produktion dieser mechanischen Wunderwerke. Obwohl wesentlich lukrativere Angebote aus den USA lockten, entschied sich der Wiener schließlich für das Bonner Arithmeum: Dort wird seine einzigartige Sammlung geschlossen zusammenbleiben, und in der aufwendigen Dauerausstellung werden zukünftig die schönsten Stücke präsentiert.
Samuel Jacob Herzstark konstruierte ab 1908 diese „Austria Zwilling“, eine doppelte Staffelwalzenmaschine, die 1910 auf der Wiener Gartenbauausstellung zum ersten Mal gezeigt wurde.
Unter den Neuzugängen finden sich die wichtigsten Maschinentypen in verschiedenen technischen Bauarten – Staffelwalze, Sprossenrad, Schaltklinke und Proportionalhebel. Die Sammlung Waldbauer enthält sowohl frühe Exemplare bekannter Hersteller als auch extrem seltene Maschinen und Unikate. Glanzstücke der Sammlung und von besonderer Bedeutung für die Entwicklungsgeschichte der mechanischen Rechenmaschinen sind die Staffelwalzenmaschine von Dobesch & Masseur (ca. 1880) …
Rechenmaschine von Curt Dietzschold, 1877.
… sowie die ersten Schaltklinkenmaschinen von Curt Dietzschold (1877/78) …
Rechenmaschine mit Schaltklinkenprinzip des Wiener Uhrmachers Friedrich Weiss, 1893.
… und von Friedrich Weiss (1893), die zwar alle nicht kommerziell in Serie produziert wurden, aber dennoch einflussreich waren für die weitere Entwicklung. Durch den Ankauf der umfangreichen Sammlung Waldbauer kann das 1999 gegründete Arithmeum nun eine Lücke im Bestand mechanischer Rechenmaschinen schließen.
Jetzt wurden die Wirkungsmechanismen dieser frühen Prototypen erstmals intensiv wissenschaftlich untersucht: Neueste Forschungsergebnisse zu den technisch komplexen Objekten werden in einer Publikation im Rahmen der Schriftenreihe der Kulturstiftung der Länder ausführlich vorgestellt:
PATRIMONIA 353, Historische Rechenmaschinen, hrsg. von der Kulturstiftung der Länder in Verbindung mit dem Arithmeum, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn 2010.
Viele weitere Informationen finden Sie auf der Seite des Arithmeum.
Die erste mechanische Rechenmaschine erfand 1623 Wilhelm Schickard in Tübingen. Wie sie funktionierte, erklärt dieser Kurzfilm.