von Ursula Kampmann
27. September 2018 – China ist anders. China ist wichtig. Mit China sollte man sich eigentlich schon längst auseinandergesetzt haben, wenn man denn ein bisschen mehr Zeit hätte. Denn China ist kompliziert, gerade weil man gar so wenig darüber weiß.
Jing Liu, Chinas Geschichte im Comic – China durch seine Geschichte verstehen. Bd. 1: Die Fundamente der chinesischen Zivilisation. Vom Gelben Kaiser bis zur Han-Dynastie (circa 2697 v. Chr. – 220 n. Chr. 308 S. ISBN: 978-3-905816-78-5. / Bd. 2: Von der Epoche der langen Spaltung bis ins goldene Zeitalter. Von den Drei Reichen bis zur Tang-Dynastie (220-907). 288 S. ISBN: 978-3-905816-79-2. Beide Bücher zweisprachig Deutsch/Chinesisch, durchgängig illustriert in Schwarz-Weiß. Paperback. 15,2 x 20,2 cm. Chinabooks Verlag.
Wer bisher ständig eine neue gute Ausrede gefunden hat, warum er es nun doch nicht schafft, sich mit China zu beschäftigen, der hat jetzt noch eine Chance. Der chinesische Comic-Zeichner Jing Liu gibt uns seine Kurzfassung des chinesischen Kosmos: Die Geschichte Chinas von 2697 v. Chr. bis zum Jahr 1912, und das in vier Bänden, von denen die ersten beiden gerade eben erschienen sind.
5000 Jahre Geschichte Chinas im Überblick. © Jing Liu.
Zunächst eines: Die Comics sind toll. Aber sie sind geballte Information. Man kann sie nicht mal so bequem in der Bahn zwischen einer Station und der nächsten lesen. Es ist, als hätte ein freundlicher Geist in einem Schulbuch all die Sätze angestrichen, die man sich nun aber wirklich für die kommende Prüfung merken soll, und sie dann wunderbar illustriert.
Der Autor Jing Liu. © Jing Liu.
Der Autor Jing Liu verdient sich in China seinen Lebensunterhalt normalerweise mit Werbegraphik. Und tatsächlich ist sein Comic graphisch sehr ansprechend gestaltet. Die oft auf zwei Seiten angelegten „Kleinstkapitel“ vermitteln die Botschaft mit Schrift und Bild. Aber Achtung: Der intellektuelle Schwerpunkt liegt eindeutig auf dem Text. Man muss genau lesen und reflektieren und sollte sich nicht zu viel auf einmal vornehmen, denn sonst hat man die Inhalte des Anfangs schon wieder vergessen, bis man ans Ende des Buchs gekommen ist.
Warum die große chinesische Mauer gebaut wurde. © Jing Liu.
Spannend ist der chinesische Standpunkt, den dieses Werk vermittelt. Was ist dem Autor Jing Liu so wichtig in der eigenen Geschichte, dass er es in seinem Comic thematisiert? Überlegen Sie nur einmal für 10 Sekunden, was Sie hervorheben würden, wenn Sie eine Geschichte des Abendlands vom Neolithikum bis zum Ersten Weltkrieg verfassen müssten!
Nun, für mich als Numismatikerin war es extrem erfreulich, dass diese chinesische Chronik der Wirtschaftsgeschichte einen breiten Raum einräumt. Wenn es zum Beispiel um den Niedergang der Östlichen Han – ungefähr gleichzeitig mit dem römischen Kaiser Marc Aurel – geht, vergisst er nicht – trotz der Knappheit des Platzes – anzumerken, dass sich die Kosten zur Finanzierung militärischer Operationen gegen die Qiang auf 32 Milliarden Kupfer-Münzen addierten, während die jährlichen Staatseinnahmen 6 Milliarden Kupfermünzen betrugen. Der Rest ist ein einfaches Rechenexempel.
Wobei es mich neidisch macht, über welch präzise Quellen die chinesischen Historiker verfügen müssen. Die römischen Kaiser hatten zu dieser Zeit durchaus ähnliche Probleme – aber von solch genauen Aussagen können wir nur träumen!
Dies ist nur eines von vielen Beispielen. Die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte behandelt der Autor geradezu gleichberechtigt mit der Faktengeschichte. Die Histörchen und Skandälchen, die unsere populären Geschichtsbücher füllen, können Sie dagegen vergessen. Nur gelegentlich hören wir in diesem Buch von einer Persönlichkeit und ihrem Schicksal.
Reich und Arm während der Tang-Dynastie. © Jing Liu.
Wenn Sie also mehr wissen wollen über die Geschichte und die Kultur Chinas (und ein klein bisschen Comic-affin sind), dann lohnen sich die vier Bände auf jeden Fall. Wobei Sie sie wahrscheinlich immer wieder zur Hand nehmen müssen, denn die geballte Information verlangt nach ständiger Wiederholung, wenn man sich die lange Geschichte des riesigen Reichs der Mitte auch wirklich einprägen will.
Ach, übrigens, die englische Ausgabe des Comic-Geschichtsopus hat 2013 beim Independent Publishers Book Award in der Kategorie Graphic Novel die Bronzemedaille gewonnen.
Und noch eins übrigens: Sollten Sie Nachwuchs haben, der Chinesisch lernen soll, die Comics eignen sich bestens zur Lektüre – Sie sind nämlich zweisprachig: Vorne Deutsch, hinten Chinesisch.
Herausgegeben hat die Bände der Schweizer Verleger manhua, bei dem sie die Comics direkt bestellen können. Sie können sie natürlich auch über Amazon beziehen, aber denken Sie daran, dass Sie gerade kleinere Verlage dadurch unterstützen, indem sie ihnen durch eine Direktbestellung die hohen Amazon-Gebühren ersparen.
Hier bestellen Sie Band 1, Band 2, Band 3 und Band 4.
Der Chinabooks Verlag hat sich auf die Übertragung chinesischer Comics in die deutsche Sprache spezialisiert. Und deren Ästhetik ist zum Teil berauschend schön.
Und auf dieser Seite können Sie die englische Ausgabe des Comics bestellen.