Alexa Küter erhält den Walter-Hävernick-Preises 2014

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31. Juli 2014 – Dietrich O. A. Klose, Direktor der Staatlichen Münzsammlung München, hielt bei der Verleihung des Walter-Hävernick-Preises die Laudatio, die wir im Folgenden ungekürzt wiedergeben:

In einem feierlichen Rahmen im Programm des 59. Norddeutschen Münzsammlertreffens am 23. Mai 2014 in Bremen wurde nun bereits zum dritten Mal der Walter-Hävernick-Preis für Numismatik der Nachwuchsstiftung der Numismatischen Kommission der Länder in der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Der Preis zeichnet eine hervorragende Arbeit einer Nachwuchswissenschaftlerin / eines Nachwuchswissenschaftlers aus. Nach der Ausschreibung soll „Grundlage für die Auszeichnung […] ein beispielhaftes Werk bilden, das wissenschaftliches Neuland erschließt, über die Fachgrenzen hinaus wirkt und in seiner sprachlichen Gestaltung vorbildhaft ist.“
Die Preisträgerin des Jahres 2014 ist Frau Alexa Küter, die für ihre Dissertation mit dem Thema „Die Augusteische Münzmeisterprägung“ ausgezeichnet wird.

Alexa Küter. Foto: Blomann, 2014.

Frau Alexa Küter hat von 1997 bis 2000 in Marburg Klassische Archäologie, Alte Geschichte, Romanische Philologie (Spanisch) und zwei Semester Medienwissenschaft studiert. Von 2000 bis 2004 setzte sie ihr Studium in Tübingen fort, unterbrochen von einem einjährigen Studienaufenthalt in Spanien. Nach dem Magister begann Frau Küter dann mit der Promotion im Fach Klassische Archäologie, bei Prof. Reinhard Wolters und Prof. Thomas Schäfer in Tübingen und Berlin. 2008 war die Arbeit abgeschlossen, im Januar 2009 schloss Frau Küter dann auch das Promotionsverfahren in Tübingen ab – mit Bestnote für Arbeit und Prüfung. So hat sie dafür auch bereits einen Preis bekommen – den „Promotionspreis 2009“ der Tübinger Fakultät für Kulturwissenschaften. 2005 bis 2006 war Frau Küter wissenschaftliche Mitarbeiterin an dem von Prof. Wolters geleiteten numismatischen Projekt „Überprüfung der numismatischen Datierung okkupationszeitlicher Militärkomplexe in Germanien in augusteischer Zeit“. 2008 bekam sie im Berliner Münzkabinett einen Werkvertrag zur Erfassung und Dokumentation antiker römischer Bleimarken (tesserae) und augusteischer Münzmeisterprägungen in der interaktiven Datenbank des Münzkabinetts. Von 2009 bis 2012 war Frau Küter im Deutschen Historischen Museum mit der Inventarisierung der numismatischen Sammlung und anderer Bestände beschäftigt, seit Januar 2013 bis Frühjahr 2014 war sie beim Berliner Münzkabinett als wissenschaftliche Angestellte am Projekt „Zeitenwende. Die Parther in augusteischer Zeit“ beschäftigt.

Die hier ausgezeichnete Arbeit widmet sich einem historisch besonders interessanten Bereich der Münzprägung des Augustus, den Prägungen im Namen der Münzmeister aus der Münzstätte in Rom. Die Münzprägung in Rom wurde erst eine Reihe von Jahren nach dem Ende des Bürgerkrieges und dem endgültigen Sieg des Octavian / Augustus wieder aufgenommen. Die Prägungen im Namen der Münzmeister umfassen knapp 200 Typen. Angesichts der Chancen, die dieses Material für die Augustusforschung bietet, ist es erstaunlich, dass es bislang noch keine zusammenhängende Analyse erfahren hat. So besteht ein primäres Anliegen von Küters Arbeit darin, die in weiten Teilen ohne numismatische Methodik nur schwer zu erschließenden Bilder historisch und ikonographisch aufzuarbeiten. Grundlegend für die Auswertung der Münzmeisterprägungen ist ihre exakte Datierung. Diese war bislang strittig. Unter Einbeziehung aller Gesichtspunkte datiert Küter diese Prägungen nunmehr in die Jahre von 23 bis 6 v. Chr. und kann auch die Chronologie innerhalb dieser Prägungen revidieren.
Die Münzmeisterprägungen greifen die alte, schon anachronistisch gewordene republikanische Prägetradition mit der Nennung der Münzbeamten auf. Küter revidiert die herkömmliche Auffassung, dass die Münzmeister – trotz anfänglicher Werbung für ihre Geschlechter auf ihren Prägungen – im Grunde Handlanger des Princeps waren, die sich schnell auf das Lob des Augustus konzentrierten und auf die Verfolgung eigener Interessen verzichteten. Es hat sich vielmehr gezeigt, dass die Münzmeisterprägungen administrativ wie inhaltlich stark der republikanischen Praxis verpflichtet waren. Die Magistrate wählten die Motive und Bilder eigenständig aus. Oftmals offen, oftmals aber auch verschlüsselt setzten sie ihre eigene Familie ins Bild.
Eine Prägung, die Frau Küter selbst als besonders auffälliges Beispiel hierfür anführt, sei hier pars pro toto vorgestellt. Es ist der Denar des Münzmeisters L. Cornelius Lentulus von 12. v. Chr., aus dem letzten Jahr der Edelmetallprägungen im Namen der Münzmeister.

Augustus, Denar des L. Lentulus, 12. v. Chr. RIC 415. Aus Freeman & Sear, Manhattan Sale I, 05.01.2010, Nr. 188.

Auf der Rückseite sehen wir links eine männliche Figur mit Speer in der Linken und einer Victoria auf Globus auf der Rechten. Über ihrem Kopf schwebt ein Stern oder Komet. Rechts neben ihm steht eine Figur in Tunika und Toga, mit Kranz im Haar, die die rechte Hand zum Kopf der anderen Figur bzw. zu dem Gestirn ausstreckt und die Linke auf einen runden Schild mit den Buchstaben C und V stützt. Offensichtlich ist es der Tugendschild, den clipeus virtutis, der dem Octavian zusammen mit dem Augustus-Titel im Jahr 27 v. Chr. vom Senat verliehen worden war. Es handelt sich bei dieser Figur also sicher um Augustus, die andere mit dem Stern über dem Kopf wäre dann sicher der vergöttlichte Julius Caesar. Diese Beschreibung des Münzbildes ist zwar weitgehend unumstritten, die Interpretationen waren jedoch sehr unterschiedlich.
Mit der Datierung ins Jahr 12 v. Chr. ist Küter nun eine überzeugende Einordnung gelungen. Sie bezieht das Stück auf die am 6. März 12 v. Chr. erfolgte Wahl des Augustus zum pontifex maximus. In diesem Kontext erklären sich die Darstellung des Tugendschilds wie von Julius Caesar: Beides weist darauf hin, dass diese Würde dem Augustus doppelt zustand, einmal durch seine Abstammung von Julius Caesar, der ja ebenfalls pontifex maximus gewesen war, und durch seine eigene Tugendhaftigkeit. Augustus war aber erst nach dem Tod des bisherigen pontifex maximus, M. Aemilius Lepidus, zur Annahme dieser Würde bereit gewesen.
Das ist sozusagen die übergeordnete Bedeutungsebene, die auf Augustus Bezug nimmt. Darunter gibt es jedoch noch eine damit verbundene zweite, und die bringt nach alter republikanischer Tradition den Münzmeister selbst und sein Geschlecht ins Spiel. Ganz ungewöhnlich ist, dass er sich nicht nur wie sonst üblich als III vir, eben zur Bezeichnung des Münzmeisteramtes, sondern auch noch als flamen Martialis, als Priester des Mars, bezeichnet. Damit wird die Legende zu einem Mittel der Eigenwerbung für den Münzbeamten. Lentulus parallelisiert hier die Priesterwürde des Augustus mit seiner eigenen. Die höhere Würde des Princeps wird im Bild ausgedrückt, die niederere des Münzmeisters in der Legende. Zwischen den beiden Priesterämtern muss freilich ein engerer Zusammenhang bestehen. Ein flamen konnte nur von pontifex maximus ernannt werden, und Lepidus als der letzte Inhaber der Oberpriesterwürde hatte die vergangenen 24 Jahre im Exil in Circeii verbracht und Rom nicht betreten. Der Münzmeister, der in seinem Amtsjahr etwa 25 Jahre alt gewesen sein muss, kann die Priesterwürde also nur von Augustus gleich nach dessen Antritt des Oberpontifikats empfangen haben.
Es bleibt die Frage, warum im Münzbild Augustus nicht eindeutig als Priester charakterisiert wird und das (Handlungs-)Motiv derart statisch und allgemein bleibt. Und hier bietet sich die republikanische Tradition der Familienpropaganda durch die Münzmeister an. Es gibt mehrere republikanische Münzbilder, die als Vorbild für diese Rückseite in Frage kommen, und hierbei findet sich auch ein Denar eines Vorfahren des Münzmeisters, um 100 v. Chr. ausgegeben von P. Cornelius Lentulus Marcellinus.

Römische Republik, Denar des P. Cornelius Lentulus Marcellinus, um 100 v. Chr. Crawford 329/1b. Aus Ira & Larry Goldberg Coins & Collectibles, Inc., Auct. 69, 29.05.2012, Nr. 3274.

Hier setzt der Genius des römischen Volkes der Göttin Roma einen Kranz auf. Die motivischen Übereinstimmungen sind deutlich. Auf beiden Bildern ist die linke Figur vorwiegend militärisch, die rechte eher zivil charakterisiert. Caesar mir der Siegesgöttin entspricht der Roma in Uniform mit Lanze, Augustus mit Tugendschild dem Genius mit Füllhorn. In beiden Fällen sollen die Attribute vor allem die dargestellten Figuren kenntlich machen, sie besitzen keine Funktion innerhalb der Handlung. Die Münze demonstriert also die bewusste Anknüpfung an die ältere zur Familientradition des Münzbeamten gehörende Münze. Der Denar des L. Cornelius Lentulus zeigt damit ein eigentümliches Spannungsverhältnis zwischen dem Lob des Augustus, das die Münze auf den ersten Blick propagiert, und der eingewobenen Eigen- bzw. Familienwerbung, die die alte republikanische Tradition weiterführen.
Aber auch in der Eigenwerbung ist ja ganz geschickt das Lob des Augustus platziert, verdankte Lentulus doch sein Priesteramt direkt dem Herrscher. Lentulus besaß also einen Grund, um gerade die Wahl des Augustus zum pontifex maximus zu thematisieren: Auf diese Weise konnte er gleichzeitig sein eigenes Priesteramt herausheben und dem Princeps seinen Dank abstatten.
Am Beispiel des Lentulus-Denars lässt sich deutlich machen, dass die Münzmeister die Münzbilder sehr individuell gestalten konnten. Mit der Münzmeisterprägung blieb, von Augustus wohl gebilligt oder sogar bewusst gefördert, ein Rest republikanischer Tradition der den Staat repräsentierenden Herrschaft der adeligen Geschlechter erhalten. Die Herrschaft des Augustus war in dieser Zeit noch keineswegs unangreifbar und unangefochten. Auch mit Blick auf das Schicksal Caesars hielt es der Princeps für notwendig, auf die Nobilität zuzugehen und zumindest nach außen hin das Bild einer Wiederherstellung der republikanischen Adelsherrschaft zu vermitteln. Die Münzmeisterprägung war nur ein Teil dieser konsequenten Politik. Augustus verschaffte sich dadurch die Zustimmung zu seiner tatsächlich überragenden Stellung. Die Gewährung von Freiheit (auch in Form der Münzmeisterprägung) diente damit genau ihrem Gegenteil, nämlich der Festigung seiner Herrschaft. Die Rückkehr zur alten Republik war freilich nur vorgeblich. Die Münzmeisterprägung war also ein bewusst eingesetztes politisches Instrument des Augustus zur Absicherung seiner Herrschaft in der Anfangsphase. Und damit wird auch verständlich, warum sie nach 17 Jahren nicht mehr weitergeführt zu werden brauchte und auch später kein Nachfolger Derartiges noch einmal zugestand.

Bei der Vorstellung einer Arbeit von dem Umfang der Dissertation von Frau Küter ließe sich natürlich noch viel mehr berichten. Lassen Sie mich jetzt nur noch einmal zusammenfassen. Frau Küter hat das Thema umfassend aufgearbeitet. Klarer Aufbau, flüssiger Stil, wissenschaftliche Präzision und eine sehr gute Sichtung und Auswertung der Literatur zeichnen ihre Arbeit aus. Die Arbeit ermöglicht es dem Numismatiker, dem Historiker, dem Archäologen, sehr gut in die Problematik und den Diskussionsstand einzudringen sowie verlässliche und präzise Informationen zu erhalten. Sie bringt mit vielen gut nachvollziehbaren, weiterführenden Ergebnissen die wissenschaftliche Numismatik voran und hat für diesen gerade historisch so bedeutenden Teil der römischen Münzprägung am Beginn der Kaiserzeit den Charakter eines Handbuchs.

Die bibliographischen Angaben zur Dissertation:
Alexa Küter, Zwischen Republik und Kaiserzeit. Die Münzmeisterprägung unter Augustus (Berliner Numismatische Forschungen, Neue Folge, Band 11), Gebr. Mann-Verlag, Berlin 2014. ISBN 978-3-7861-2708-6, ca. 79,00 € (erscheint in Kürze).

Die Dissertation befindet sich zur Zeit im Druck. Sie finden das Buch bereits auf der Verlagsseite angekündigt.

Alexa Küters akademische Aktivität sehen Sie auch auf Academia.

Mehr über den Hävernick-Preis und frühere Preisträger können Sie auf der Seite der Numismatischen Kommission erfahren.