7. Juni 2012 – Im Sommersemester 2012 wird das erste Webinar zur Islamischen Numismatik an der Universität Hamburg angeboten. Jeden Freitag treffen sich zwölf Studenten in sechs Ländern mit ihrem Professor Stefan Heidemann im Cyber Space. Sie sitzen vor ihren Bildschirmen in Hamburg, Leipzig, Leiden, Salamanca (Spanien), Rom, Fayyoum (Ägypten), Kairo und Jerusalem. Die technische Infrastruktur wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt.
Am Anfang jeder Sitzung sagt jeder „Hallo“ und spricht ein paar Worte zu seinen Kommilitonen, erzählt wo er ist, wie es ihm gerade geht, um die Distanzen zwischen den Tausenden von Kilometern und mehrere Zeitzonen entfernten Lebenswelten zu überbrücken. Wie in einem Seminarraum sehen sich die zwölf Studenten und ihr Professor und können miteinander reden. Die Power Point gestützte Vorlesung kann von allen über den Bildschirm verfolgt werden, um im Anschluss lebhaft darüber zu diskutieren. Es gibt auch eine Tafel, auf die jeder schreiben kann, und die Möglichkeit eigener Präsentationen.
Das Seminar baut auf einer Konferenz- und Lehrplattform auf, jedoch müssen die Studenten keine eigene Software besorgen. Parallel wird der Ton über eine Internettelefonie übertragen. Das Arbeiten mit zwei unterschiedlichen Systemen bietet den Vorteil, dass beim Zusammenbruch eines Systems, der Student nicht vom Geschehen im Klassenverband abgeschnitten ist. Die Innovation liegt weniger in der Technologie, die es schon in den siebziger Jahren gab, sondern dass die Ausrüstung jedem ohne größeren Aufwand oder Kosten zur Verfügung steht, sei es in Fayyoum, Salamanca, Leiden oder Hamburg.
Die Themen der Lehreinheiten sind Definition und Terminologie der Numismatik, Produktion und Organisation von Münzstätten, Münzen als Mittel wirtschaftlichen Austausches im rechtlichen Kontext, Münz- und Wirtschaftsgeschichte des Vorderen Orients, Lesen und Analysieren von Texten auf Münzen verschiedener Epochen, archäologische Münzfunde und deren Interpretation.
Es wurde in den letzten Jahren offensichtlich, dass das Studium islamischer Münzen für das Verstehen wirtschaftlicher, politischer Geschichte und Archäologie des Vorderen Orients eine immer größere Bedeutung gewinnt und Teil des material turn in den Geisteswissenschaften ist. Dies gilt insbesondere für die Zeit vor 1500, in der uns nur wenige archivalische Quellen zur Verfügung stehen. Die Quelle ist jedoch nicht leicht zugänglich, sowohl methodisch als auch physisch. Das vorhandene Wissen ist leider weiträumig auf wenige Universitäten verteilt. Anleitung zum Arbeiten mit diesen Quellen ist daher an der jeweiligen Universität für den Studenten oder Doktoranden nur schwer zu finden. Das Webinar ist ein vorzügliches Werkzeug, um so zukünftige Historiker und Archäologen in Methodik und Forschungsfragen einzuführen.
Das Hamburger Webinar wurde international ausgeschrieben. Um daran teilzunehmen, mussten Studenten eine Bewerbung schreiben und in einem Interview bestehen. Modell für diese innovative Form des Unterrichts sind die webclasses zur arabischen Papyrologie, die von Andreas Kaplony an der Ludwig-Maximilians-Universität in München angeboten werden.
Warum sind gerade Islamische Münzen so wichtig für den Historiker der Geschichte des Vorderen Orients? Münzen sind die aussagekräftigsten, epigraphischen Quellen für die Geschichte des Vorderen Orients vor dem Jahr 1500. Dies unterscheidet sie von Münzen der Antike und des vom Christentum dominierten Europa, bei denen das Bild wichtigster inhaltlicher Bedeutungsträger ist. Islamische Münzen mit bis zu 150 Worten Text sind ein einzigartiges Phänomen in der Geschichte der Zivilisationen. Die Texte auf Münzen sind eine verkürzte Form von Urkunden, die auf verschiedene Weise entschlüsselt werden müssen, um den unterschiedlichen Forschungsfeldern als politisches, wirtschaftliches, industrielles, soziales, rechtliches, und künstlerisches Dokument zu dienen.
Weitere Informationen über Stefan Heidemann finden Sie auf seinem Profil auf der Seite der Universität Hamburg.