von Ursula Kampmann
23. Dezember 2015 – Wie wandte sich eine Regierung an die Außenwelt, als es noch keine Pressekonferenz und keinen Pressesprecher gab? Richtig, man produzierte Münzen. Unter anderem. Genau wie offizielle Statuen und Gemälde, Gebäude und öffentliche Zeremonien waren Münzen seit der Antike nicht „nur“ ein Zahlungsmittel, sondern dienten dem direkten Kontakt der Herrschenden mit ihren Untergebenen und ihren Standesgenossen. So sind die Darstellungen auf Münzen eben nicht ausschließlich von ökonomischen Gesichtspunkten beeinflusst, sondern auch davon, wie sich ein Herrscher nach außen hin präsentieren wollte.
Torsten Fried, Geprägte Macht. Münzen und Medaillen der mecklenburgischen Herzöge als Zeichen fürstlicher Herrschaft. Böhlau Verlag, Köln – Weimar – Wien (2015). 502 S. mit 114 farbigen und sw Abb. 23×15,5 cm. Kartoniert. Fadenheftung. ISBN 978-3-412-2242-4. 69.90 Euro.
Torsten Fried hat diese Funktion der Münzen in den Mittelpunkt seiner Arbeit gestellt. Er spürt der Frage nach, wie im Mecklenburg der zweiten Hälfte des 17. und des 18. Jahrhunderts Münzen benutzt wurden, um herzogliche Anliegen zu propagieren. Zum Vergleich zieht er andere, gleichzeitige Fürstenhäuser heran, dabei vor allem das Herrscherhaus von Württemberg, da dieses von seiner politischen Bedeutung durchaus mit dem Mecklenburger Herrscherhaus verglichen werden kann.
Fünf zentrale Fragen stellt sich der Autor:
1.) Wie gelingt es, die Herrschaft auf Münzen zu vergegenwärtigen? Hier werden die verschiedenen Bestandteile des Münzbilds: Porträt, Umschrift, Wappen u. a. beschrieben und gedeutet.
2.) Welche Rolle spielten Münzen im Gesamtgefüge des Handelns? Also, wie wurden die Münzen konkret eingesetzt, um politische Anliegen zu fördern?
3.) Wurden Gedenkmünzen geprägt? Also, gab es Münzen, die nicht in erster Linie für den Zahlungsverkehr gedacht waren, sondern eine wesentlich wichtigere Rolle in der Selbstdarstellung spielten?
4.) Welche Rolle spielte die Medaille bei der Selbstdarstellung? Wie wurden Medaillen benutzt?
5.) Gab es bei der Ausgabepolitik von Medaillen Unterschiede oder Ähnlichkeiten zu anderen Fürstenhäusern?
Torsten Fried beantwortet diese Fragen auf 339 Seiten in schönster deutscher Gelehrtentradition, sprich, auf vielen Seiten gibt es mehr Anmerkungen als Text. Nichtsdestotrotz liefert uns sein Buch eine eindrückliche Darstellung dessen, dass in der Vergangenheit wirklich hinter jedem kleinen Detail der Münz- und Medaillenprägung genaue Überlegungen standen. Der Autor hat hier die Archive konsultiert und kann häufig die zeitgenössischen Deutungen zitieren. Das ist überaus inspirierend, denn es zeigt uns, dass genaues Hinsehen und akurates Beschreiben sich lohnt, will man die Bedeutung erschließen. Man muss den historischen Hintergrund einer Prägung kennen, aber auch die damals gängige Ikonographie verstehen. Mit unseren eigenen Assoziationen kommen wir bei vielen Bildern nämlich oft nicht weiter. Torsten Frieds Buch ist der schlagende Beweis dafür, dass die Numismatik wesentlich mehr ist, als Münzen hintereinander aufgelistet in einem Typenkatalog niederzuschreiben. Münzbilder sind ein Kristallisationspunkt des zeitgenössischen Denkens und Handelns, und können deshalb zur Rekonstruktion sowohl des einen als auch des anderen dienen.
Nur schade, dass man sich entschieden hat, die beschriebenen Prägungen nicht im Text abzubilden, sondern ohne Querverweis in einem eigenen Abbildungsteil. Damit ist es praktisch unmöglich, aus den so sorgfältig erarbeiteten Deutungen Nutzen zu ziehen (Katalogersteller würden die Information für ihre Anmerkungen lieben!), ohne ganze Kapitel durchzulesen. Denn auch beim Index beschränkt sich die Arbeit auf einen Personenindex. Ich weiß ja, wie froh jeder Autor ist, wenn er mit seiner Arbeit endlich fertig und das Buch gesetzt ist. Wer hat da noch Lust, viele Stunden in die Erstellung mehrerer detaillierter Indices zu investieren? Aber wie dieses Buch rezipiert wird, hängt häufig genau von diesen Indices ab. Und dieser Arbeit hätte ich die Indices gewünscht, damit sie in möglichst vielen Auktionskatalogen zitiert wird.
Wie auch immer. Es ist ein eindrucksvolles Werk, das Torsten Fried vorlegt. Man wird es mit Gewinn lesen und seine Vorstellung zur neuzeitlichen Numismatik modifizieren. Zu selten werden die Münzen und Medaillen der Neuzeit als hochrangige Quelle behandelt. Dass sie dies sind, kann nach der Lektüre dieses Buchs, niemand mehr bestreiten.
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