Hat Bargeld noch eine Zukunft?

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Von Leonie Schulze 

14. Februar 2019 – Am 23. und 24. Januar 2019 fand die CashCon 2019 in Frankfurt / Sulzbach statt. Mehr als 150 Teilnehmer aus Handel, Wissenschaft und Industrie machten sich hierfür auf den Weg in den Taunus, um über alle Aspekte des Bargeldes zu diskutieren. Die Abgelegenheit des Dorint Hotels in Sulzbach vermittelte ein wenig den Eindruck, auf der CashCon würden große Staats- oder mindestens Branchengeheimnisse besprochen werden. Doch war dies der passende Rahmen, um konzentriert über aktuelle Entwicklungen und zukünftige Möglichkeiten diskutieren, sowie sich mit Vertretern unterschiedlichster Fachgebiete austauschen zu können.

GS1 Germany und das EHI Retail Institute luden zur CashCon 2019 in Frankfurt / Sulzbach ein. Foto: LS.

Das Bargeld gestern, heute und morgen

Sind die Freiheit und der Datenschutz, die das Bargeld verspricht, unbezahlbar? Welchen Preis und (Mehr-) Wert haben Münzen und Geldscheine? Wie hat sich der Umgang der Bevölkerung mit Bargeld verändert? Wo stecken die Probleme und Chancen im Hinblick auf Sicherheit und Logistik? Das waren nur einige der vielen Fragen, die an den zwei Konferenztagen diskutiert wurden. Das Abwägen zweier Wünsche, nämlich Bewährtes zu bewahren und Fortschritt zu fördern, das war der rote Faden, der sich durch die gesamte Veranstaltung zog.

So fasste es der letzte Redner des zweiten Tages, Gerrit Stehle, am besten zusammen, als er aufzeigte, welche Vielzahl an Themenbereichen es zu analysieren gilt, wenn über Bargeld gesprochen wird: die Wirtschaft und Wirtschaftlichkeit, die Politik, der rechtliche Rahmen und die Gesellschaft samt ihrer Gefühle und Verhaltensmuster. 

Soziologieprofessor Dr. Klaus Kraemer untersuchte die gesellschaftlichen Funktionen des (Bar-) Geldes. Foto: GS1 Germany / Jörn Wolter.

Der menschliche Aspekt

Der sozialwissenschaftliche Themenbereich, in dem es um Menschen als Nutzer des Bargeldes geht, kam in den zahlreichen Vorträgen der CashCon zu kurz. Lediglich zwei Referenten, Prof. Dr. Franz Seitz und Univ.-Prof. Dr. Klaus Kraemer, legten den Fokus ihrer Darlegungen auf die Gesellschaft. Letzterer resümierte basierend auf einer eigenen Studie, dass die Menschen im Allgemeinen relativ wenig über Geldschöpfung, Gelddeckung und Geldinstitutionen wüssten – und zwar unabhängig ihres Alters, Geschlechts, ihrer Bildung oder ihrer Erwerbslage. Eine Bewertung dieser Ergebnisse blieb aus. Er betonte jedoch, dass es vor allem die Alltagsvertrautheit sei, die das Bargeld unersetzbar mache. Geld an sich sei ein Statussignal. Ein Haufen Bargeld im Portemonnaie sowieso.

Prof. Dr. Franz Seitz von der Ostbayerischen Technischen Hochschule Weiden betonte die Freiheit und den Datenschutz, die das Bargeld sichert. Foto: GS1 Germany / Jörn Wolter.

Zumindest im Hinblick auf die Bedeutung der Bargeldnutzung als Sicherung der Anonymität und Freiheit waren sich in den Diskussionsrunden alle einig. Immerhin sind die sichersten Daten die, die gar nicht erst gespeichert werden. Dennoch war dies im Verlauf der Konferenz kein Punkt, auf dem weitere grundlegende Argumente und Vorschläge basiert hätten. Der Fokus lag klar auf neuen Geschäftsideen und technologischen Innovationen.

In zahlreichen Kaffeepausen konnten Konferenzteilnehmer sich auf dem Marktplatz über die neusten Entwicklungen im Bereich Geldlogistik informieren. Foto: GS1 Germany / Jörn Wolter.

Der wirtschaftliche und unternehmerische Aspekt

Auch wenn die Tageszeitungen manchmal etwas anderes suggerieren: das Bargeld stirbt vorerst nicht aus. Vor allem nicht in der Bundesrepublik. Die Deutschen haben international den Ruf, geradezu dickköpfig und besessen an ihren Geldscheinen und Münzen festzuhalten. Ausländische Touristen verzweifeln häufig, wenn sie merken, dass sie in einem kleinen Café nicht mit Kreditkarte bezahlen können. Oder ihren Einkauf im Einzelhandel erst ab einem Umsatz von 10 Euro.

Moderator Prof. Dr. Andreas Kaapke diskutierte mit Vertretern unterschiedlicher Branchen. Foto: GS1 Germany / Jörn Wolter.

Diese Beliebtheit geht mit entsprechend hohen Kosten im Hinblick auf die Bereitstellung und Sicherung von Bargeld einher. Bargeldlogistik war dementsprechend Dreh- und Angelpunkt der CashCon 2019. Wolfgang Kohl präsentierte die Handelsplattform Alvara Münzmarktplatz, die die Einsendung und Bestellung von Wechselgeld nachweislich vereinfacht. Erwin Wetzel berichtete von Fortschritten in der Bargeld- und Kartentechnologie im Bereich Vending und Automaten. Gerd Grümmer erzählte von einem Testlauf in vier seiner Edeka-Lebensmittelmärkte, in denen nicht nur geschlossene Bargeldsysteme eingeführt wurden, sondern auch komplette Bankgeschäfte abgewickelt werden konnten. Das Projekt musste nach einiger Zeit eingestellt werden. Doch es zeigt Ansätze dessen, was in Zukunft möglich sein könnte.

Johana Cabinakova von der Deutschen Bundesbank präsentierte mit ihrem Kollegen Fabio Knümann eine Studie über die Kosten der Bargeldzahlungen im Einzelhandel. Foto: GS1 Germany / Jörn Wolter.

Die Präsentationen und Diskussionen der CashCon 2019 gaben neue Impulse für Prozesszentralisierung und -vereinfachung, Effizienzsteuerung und Kosteneinsparung in der Bargeldlogistik. Die Marktlücken, die durch die flächendeckende Bargeldnutzung in Deutschland entstehen, wissen Industrie, Wertdienstleister, Banken und Handel zu schließen. Nie wurde während der Konferenz angezweifelt, dass Bargeld im Hinblick auf Anonymität, Nutzerfreundlichkeit und Freiheit unschlagbar ist und vorerst bleibt. Dennoch wirkte es ein wenig so, als wären die vorgestellten Konzepte doch nur ein Mittel, um die Zeit bis zur Abschaffung des Bargeldes möglichst rentabel zu überbrücken.

Journalist Dr. Norbert Häring ist überzeugt, dass es eine internationale politische Kampagne gegen das Bargeld gibt. Foto: GS1 Germany / Jörn Wolter.

Dass die internationale Politik aktiv daran arbeitet, Bargeld so schnell wie möglich abzuschaffen, dessen ist sich Journalist Dr. Norbert Häring sicher. Denn, so Häring, für Kreditkartenanbieter, Behörden, Banken und internationale Organisationen wie die Financial Action Task Force bedeute die Nutzung unbarer Zahlungsmittel vor allem eines: Kontrolle und Überwachung. Er hielt die Konferenzteilnehmer deshalb an, sich gegen die Verbreitung falscher Narrative und die schrittweise Aufgabe des Bargeldes zu wehren.

Zum Abschluss der CashCon 2019 war es dann doch bezeichnend, dass ein Sparkassenmitarbeiter aus Norddeutschland, der mich in seinem Taxi in Richtung Frankfurter Hauptbahnhof mitfahren ließ, die Fahrt nicht mit Geldscheinen und Münzen bezahlte – sondern mit einer Fingerbewegung per Smartphone-App.

Wenn Sie sich weiter in die Thematik einlesen wollen, sind hier ein paar Buchempfehlung der Konferenzteilnehmer selbst:

  • Der Nutzen von Bargeld von Malte Krüger und Franz Seitz (Fritz Knapp Verlag 2017)
  • Schönes neues Geld. PayPal, WeChat, Amazon Go – Uns droht die totalitäre Weltwährung von Norbert Häring (Campus Verlag 2018).
  • Die Zukunft des Bargelds. Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis von Jakob Lempp, Thomas Pitz und Jörn Sickmann (Hrsg.) (Springer Gabler Verlag 2018)

Weitere Informationen über das Programm der CashCon 2019 finden Sie auf der offiziellen Webseite.