Unterirdische Wunderkammer
Wussten Sie, dass Gold ursprünglich aus dem All zu uns kam, und dass das Element älter ist als unser Sonnensystem? Dass deutsche Flüsse noch immer Gold führen? Wieviel Goldflitter braucht es für ein Gramm reinen Edelmetalls? 40 Mobiltelefone enthalten soviel Gold wie eine Tonne Erz! Ja, wieso ist Gold eigentlich so wertvoll? Wie es sich wohl anfühlt, einmal einen Goldbarren hochzuheben?
Unter einer kernsanierten Villa im Frankfurter Westend gelangen Besucher in ein System unterirdischer Stollen und Kammern, in denen es kostbare Schätze und Wissenselemente aus mehreren Jahrtausenden zu entdecken gilt.
Museum für alle Sinne
Der Auftakt fand oberirdisch statt. Raphael Scherer, Geschäftsführer der Degussa Sonne/Mond Goldhandel GmbH, eröffnete die Feierlichkeiten im Garten. Museumsdirektorin Dr. Nadja Tomoum erläuterte uns das Ausstellungskonzept. Die Eigentümerfamilie war durch Dr. Stephan Ring rtreten. Kaum zu glauben, aber zwischen der ersten Idee und der Fertigstellung liegen nur vier Jahre!
Dass solch ein ambitioniertes Projekt in so kurzer Zeit umsetzbar war, verrät Hingabe und trägt die Handschrift von Profis: Gesamtkonzept und Architektur stammen von dem renommierten Architektenbüro HG Merz. Die Objektauswahl traf Prof. Dr. Reinhold Baumstark von der Bayerischen Staatsgemäldegalerie, das audiovisuelle Konzept entwarfen Prof. Joachim Sauter und sein Gestalterbüro art+com.
Familienfreundlich, barrierefrei
Frankfurt jüngstes Museum ist besonders familienfreundlich, betont Dr. Nadja Tomoum, für Kinder und Jugendliche ist der Eintritt frei.
Durch die gesamte Ausstellung zieht sich eine Goldader, auf deren Spur jüngere Gäste von Maskottchen Águila (einem präkolumbianischen Adlerwesen) multimedial geführt werden. Spannende Märchen enthüllen Wissenswertes.
Hier wurde nichts dem Zufall überlassen: dass die Goldkammer in Frankfurt gebaut wurde – und nicht etwa in Hamburg oder München, hat guten Grund, erklärte Raphael Scherer. Frankfurt ist Finanzort, direkt nebenan befindet sich der Firmensitz der Degussa Sonne/Mond Goldhandel GmbH.
Ein Höhepunkt der Ausstellung ist die Barrensammlung der Familie Rothschild. Sie kehrt nun an den ursprünglichen Wohnsitz der Familie zurück. Kernanliegen des Museums ist es, Menschen einen neuen Zugang zum Gold zu vermitteln.
Gold is never angry
Das Edelmetall steht für Wertbeständigkeit und Stabilität in wirtschaftlich instabilen Zeiten. Hierin reflektiert die Goldkammer Frankfurt die Firmenphilosophie ihrer Muttergesellschaft und trägt sie nach außen. Last but not least: Gold is never angry, wie Dr. Nadja Tomoum den Dichter Jo Rippier zitierte. Gold ist auch Freude!
Das durften wir dann leibhaftig erleben. In kleinen Gruppen ging es im Halbdunkel in das Stollensystem hinab, ganz schön geheimnisvoll…
Von der Bronzezeit bis zur Sammlung Rothschild
Die Dauerausstellung hat sieben Abteilungen:
(1) den geologischen Prolog, (2) Frühe Kulturen, (3) Vom Goldstück zum Geldstück, (4) Antike Welten, (5) Eldorado, (6) Gold aus den Meeren sowie (7) die Sammlung Rothschild mit 300 Standardbarren aus aller Welt, die den Fortbestand des Goldes als Wertreserve veranschaulichen.
Der Rundgang beginnt in den Bergstollen und endet in einem verspiegelten Saal, der als Veranstaltungsraum gemietet werden kann.
Kulturgeschichte des Goldes
In der Ausstellung finden Sie Meteroitengold, einen riesigen Goldnugget und Flussgold.
Seit der Kupfersteinzeit vor rund 7000 Jahren bearbeiten Menschen Gold. Es diente dazu, sozialen Status und Glaubensvorstellungen zum Ausdruck zu bringen. Frühe Kulturen stellten aus Gold Prestigeobjekte und Grabbeigaben her. Die Ausstellung zeigt einen atemberaubenden Fund von Kunstschmiedeerzeugnissen aus der Bronzezeit (2. Jahrtausend v. Chr.), den wohl ein Schmied verborgen hat.
Gold als Inbegriff des Göttlichen
Viele Objekte haben sakralen Charakter, so eine prächtige Greifenphiale der skythischen Reitervölker aus dem 5. Jahrhundert v. Chr., mit der den Göttern Trankopfer gespendet wurden.
Andere Ausstellungsstücke stammen aus Gräbern und zeigen, dass Menschen ihre Liebsten auch für die Reise ins Jenseits reich ausstatteten und ehrten – staunend blieb ich vor einem filigranen Eichenlaubkranz aus Gold stehen, dessen Blättchen so dünn sind, dass sie sich noch immer im Luftzug bewegen… Kaum vorstellbar, dass dieser Kranz über zweitausend Jahre lang im makedonischen Erdreich lag!
Gold ist unbeschränkt recycelbar, betont Museumsdirektorin Dr. Nadja Tomoum bei unserem Rundgang. Kunstobjekte vergangener Epochen wurden daher oft eingeschmolzen. Gold wurde früh zum Standard von Währungen und erfuhr als Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel einen Funktionszuwachs, der zulasten anderer Objekte ging.
Die goldene Büste des Kaisers Licinius I.
Eines der Highlights der Goldkammer ist die goldene Portraitbüste des römischen Kaisers Licinius aus dem frühen 4. Jahrhundert n. Chr. – die einzige erhaltene Büste dieses Kaisers weltweit. Licinius wurde von Konstantin besiegt, sein Andenken zerstört.
Die Büste wird in der Goldkammer gemeinsam mit einem Licinius-Aureus ausgestellt, was das Numismatiker-Herz höher schlagen lässt. Ich war verblüfft, wie dünn das Gold der filigranen Büste doch ist. Auch ein Fund keltischer Regenbogenschüsselchen und frühe Elektronmünzen sind zu sehen.
Eldorado: präkolumbianische Glaubensrituale
Die Völker Altamerikas glaubten, dass das Licht der Sonne Goldgegenstände mit göttlichen Energien auflade.
Amulette in Tierform sollten ihren Trägern magische Fähigkeiten verleihen und sie auf spirituellen Reisen unterstützen. Verstorbene wurden mit Goldartefakten beschützt. Für die Einheimischen war es eine Katastrophe, als europäische Eindringlinge ihre Kultur aus Gier blind zerstörten – hilflos mussten sie mitansehen, wie ihre Kultgegenstände eingeschmolzen wurden.
In der Ausstellung finden Sie meisterhafte Artefakte wie einen goldenen Affen des 14. Jahrhunderts mit Coca-Blatt aus Peru, dem heilende und berauschende Kräfte nachgesagt werden – und Águila, ein Raubvogelamulett, welches selbst geraubt wurde. Mit dem spanischen Schiff El Rubi ging es 1733 unter.
Schätze aus Schiffswracks
Nach dem Gang durch dunkle Kammern ist es erhebend, einen hellen Raum zu betreten.
Wir befinden uns unter dem Meer, bei den versunkenen Schätzen spanischer Galeonen, die mit Beute schwer beladen waren. Funde aus dem Wrack der Atocha (gesunken 1622) sind ausgestellt, so die sechs Meter lange Kette ihres Admirals – die längste ihrer Art. Wieso sich ein Mensch soviel Gold um den Hals hängte?
Es gibt einen handfesten Grund: Gold durfte nicht privat ausgeführt werden. Ausnahme war persönlicher Schmuck. Die einzelnen Glieder der Kette konnten abgetrennt und als Zahlungsmittel verwendet werden. Nach der Ankunft in Spanien wurden diese Ketten eingeschmolzen und wieder zu Münzen verarbeitet. Mit diesem Trick wurden Steuern hinterzogen…
Ein erlebnisreicher Besuch
500 Exponate vermitteln auf 480 Quadratmetern die Geschichte des Goldes. Das Museum wirkt durch sein Kammersystem viel größer. Unterirdische Architektur, szenische Lichtkunst und kreative audiovisuelle Inhalte bieten einen ästhetisch runden Rahmen. Auf Groß und Klein wartet ein erlebnisreicher Besuch. Von Raumkonzept und Inszenierung bin ich begeistert.
Der Museumsshop ist übrigens genauso liebevoll gestaltet wie das übrige Museum – halten Sie ruhig ein paar Euros bereit! Die brillanten Fotografien des Architekturfotografen Hubertus Hamm gibt es hier als hochwertige Poster und Postkarten.
Pssst, noch etwas: Maskottchen Águila wird von einem namhaften deutschen Spielzeughersteller als Kuscheltier hergestellt und ist bald im Museumsshop erhältlich. Meine Nichten freuen sich schon.
Zum Ausklang: Café-Restaurant Aureus
Im hauseigenen Café-Restaurant Aureus können Sie Ihren Besuch genussvoll ausklingen lassen. Das Restaurant bietet gehobene Küche und eine Außenterrasse inmitten alter Bausubstanz und moderner Wolkenkratzerkulisse. Ich kann Ihnen sagen: das lohnt sich
Übrigens: Vormittags ist die Goldkammer Schulklassen und Gruppen vorbehalten, nachmittags kann sie individuell besucht werden. Falls Ihre Reise Sie geschäftlich nach Frankfurt führt, sind Sie bereits im Zentrum: Das Museum befindet sich nah bei der Alten Oper im Kettenhofweg 27.
Aktuell gibt es eine Ausstellungs-App sowie einen hochwertigen Katalog im Handtaschenformat. In Zukunft sollen auch Führungen angeboten werden.
Weitere Informationen
Eintrittspreis: Erwachsene zahlen zehn Euro, ermäßigt fünf Euro. Sozialhilfeempfänger zahlen einen Euro. Der Eintritt für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ist frei.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 11 bis 17 Uhr. Montag ist Ruhetag, an Feiertagen geschlossen.
Schulklassen und Gruppen können die Goldkammer werktags zwischen 9 und 11 Uhr besuchen.
Adresse: Kettenhofweg 27, 60325 Frankfurt am Main
Kontakt: 069/860068298
Für alle weiteren Informationen gehen Sie direkt auf die Website der Goldkammer Frankfurt.