von Ursula Kampmann
10. Oktober 2013 – Es gibt Bücher in meiner Bibliothek, die mag ich. Weil sie so unterhaltsam Information liefern, weil so schöne Münzen darin abgebildet sind, weil sie so bibliophil ausgestattet sind, und aus vielen anderen Gründen mehr. Und dann gibt es Bücher, ohne die wäre meine Bibliothek wertlos, weil sie die Grundlage darstellen für eine vertiefte Beschäftigung mit dem Gebiet, das sie behandeln. Der MEC gehört dazu.
Miquel Crusafont, Anna M. Balaguer, Philip Grierson. Medieval European Coinage. Volume 6: The Iberian Peninsula. Cambridge University Press. Cambridge 2013. 929 S. 136 Abb. 41 Tf. 25 x 20 cm. Leinen. Fadenbindung. ISBN 9780521260145. 150 Pfund.
MEC – Medieval European Coinage – die Abkürzung erinnert ein wenig an RIC, RPC, kurz an all diese gewaltigen Monumental-Corpora, in denen die gesamte Münzprägung einer Epoche wissenschaftlich und katalogisierend erfasst wird. Wie der Name schon sagt, dreht sich alles beim MEC um das Mittelalter, also um die Epoche zwischen ca. 450 und 1500 n. Chr. 20 Bände sind projektiert. Jetzt ist der 3. erschienen. Er behandelt die iberische Halbinsel, auf 886 Seiten und 60 Tafeln.
In neun Kapiteln ist die Zusammenfassung all dessen, was wir derzeit über die Numismatik des mittelalterlichen Spaniens wissen, organisiert. Nach einer kurzen Einleitung zum historischen Hintergrund und zur Numismatik folgt ein Abschnitt über den Geldumlauf auf der Halbinsel. Danach werden die prägenden Akteure vorgestellt, die muslimischen Reiche, die Karolinger, die Königreich von Katalonien und Aragon, Mallorca, Navarra, Kastilien und Leon, und zum Abschluss Portugal. Alle Kapitel sind ähnlich aufgebaut. Erst gibt es eine umfassende Bibliographie, dann eine Auflistung der Münzstätten, zum Schluss werden die Münzen nach kleineren geographischen, politischen oder chronologischen Einheiten geteilt behandelt.
Natürlich ist das kein Buch zum lockeren Schmökern. Spätestens nach einer halben Stunde schwirrt einem der Kopf von den vielen Details, die mit wissenschaftlicher Akribie an den ihnen gebührenden Platz gesetzt werden. Aber wer irgendetwas nachschlagen will, der kommt am MEC nicht vorbei.
Die meisten Münzhändler und Museumskuratoren werden sich sowieso mit dem wunderbaren Bilderbuch begnügen, das die Katalogtafeln im hinteren Teil bilden. Dort sind alle Münzen der Iberischen Halbinsel gelistet, die in der gewaltigen Sammlung mittelalterlicher Münzen des Fitzwilliam Museums liegen. Und das von 1 bis 1131, ein Musterbeispiel an Übersichtlichkeit! Jede Münze ist abgebildet und direkt gegenüber beschrieben. So findet auch der Anfänger kinderleicht über das Bild für seine Münze das Königreich, den Herrscher und die Münzstätte heraus. Nun gut, geben wir es zu, genaues Hinsehen ist notwendig, um die verschiedenen Varianten unterscheiden zu können. Nichtsdestotrotz erleichtert dieses Typen-Corpus die schwere Arbeit des Bestimmens ungemein!
Ausführliche Konkordanzen zu den wichtigsten bisherigen Standardwerken und umfassende Indices schließen das Buch ab, das in JEDE Bibliothek gehört, dessen Eigentümer sich ernsthaft mit der Numismatik des Mittelalters beschäftigt.
Ich möchte diese Buchvorstellung nicht abschließen, ohne zweier Männer zu gedenken, denen das Generationenprojekt des MEC verdankt, dass es noch nicht eingeschlafen ist. Philipp Grierson, dem die verdiente Ehre zuteil wurde, 7 Jahre nach seinem Tod neben den anerkannten Spezialisten Miquel Crusafont und Anna M. Balaguer noch als Autor mitgenannt zu werden, besaß den Weitblick, in der Nachkriegszeit europäische Münzen des Mittelalters zu sammeln. Damals interessierten sie kaum jemanden und kosteten nicht mehr, als sich ein Professor in Cambridge leisten konnte. Mehr als 20.000 Objekte, heute im Wert von mehreren Millionen, schenkte Philipp Grierson im Jahr 1976 dem Fitzwilliam Museum. Dank dieser gewaltigen Sammlung gibt es keine Probleme bei der Bebilderung des MEC.
Auch unter dem Vorwort steht der Name eines Numismatikers, den wir schmerzlich vermissen. Mark Blackburn schloss im Juli 2011 das Vorwort zu diesem 3. Band des MEC ab. Am 1. September verstarb er im Alter von nur 58 Jahren. Er war Jahrzehnte lang eine treibende Kraft gewesen, der gute Geist, der die Forscher anhielt, für das MEC weiterzuwirken. Dieser Band ist auch sein Monument.
Denn obwohl uns all die RICs, Sylloge und numismatischen Fachbücher so selbstverständliche Begleiter im Alltag sind, sollten wir nicht vergessen, wie viel Zeit und Mühe Forscher – meist neben den Anforderungen ihrer eigentlichen Arbeitsstelle – in sie gesteckt haben. Hinter jedem guten Buch stehen Menschen, die sich damit ein Denkmal für die Ewigkeit geschaffen haben.
Das Buch können Sie über die Website der Cambridge University Press erwerben.
Auf der Website des Fitzwilliam Museum finden Sie mehr Hintergrund über das MEC-Projekt.
Sie können Ursula Kampmann aber auch bei ihrem Besuch im Fitzwilliam Museum begleiten.