von Ursula Kampmann
12. April 2018 – Es ist dem guten Verhältnis zu danken, das Manfred Mehl mit seinen russischen Kollegen entwickelt hat, dass nun, nach mehr als 125 Jahren der in der Eremitage verbliebene Anteil des berühmten Fundes von Chotin veröffentlicht wurde. Kirill M. Tschwernyschow hat basierend auf Vorarbeiten von Vsevolod M. Potin die 795 bestimmten, die 96 unbestimmbaren und die 36 fragmentierten Münzen vorgelegt. Übersetzt hat das Ganze aus dem Russischen Manfred Mehl.
Vsevolod M. Potin (+), Kirill M. Tschernyschow, Der Münzfund von Chotin. Bestandskatalog der Exemplare im Münzkabinett der Staatlichen Ermitage St. Petersburg. Verlag Manfred Mehl, Hamburg 2018. 21,7 x 30,3 cm. 202 S., durchgehend Abb. in Farbe. Hardcover. ISBN: 978-3-933420-05-9. 39 Euro.
Der Münzfund wurde 1889 in der Stadt Chotin entdeckt, dem administrativen Zentrum des Gebietes Tschernowzy. Wer – wie ich – ein bisschen schwach ist in Sachen russischer Geographie, dem sei gesagt, dass es sich bei Chotin um eine Stadt in der Ukraine handelt, deren Keimzelle auf einem Felsen liegt, den der Dnjestr umgibt. Hier kreuzten sich im frühen Hochmittelalter die Handelswege, so dass es durchaus im Bereich des Vorstellbaren liegt, dass Brakteaten aus dem deutschen Reich immer wieder mal in diese Handelsstadt verbracht wurden. Natürlich nicht als Geld im eigentlichen Sinne, sondern als Schmelzsilber. Dass die deutschen Münzen in Chotin als Rohmaterial verwendet wurden, wird überdeutlich an den Stücken aus dem Münzfund, die in der Eremitage erhalten geblieben sind.
Nein, eine Augenweide sind die Stücke wirklich nicht, auch wenn der ausgezeichnete Fotograph Höchstleistungen erbracht hat, um die Brakteaten so abzulichten, dass der Typ darauf noch zu erkennen ist. Aber wer kein geschultes Auge besitzt, wird sich in vielen Fällen auf die Beschreibung verlassen müssen, weil er auf den vielfach gefalteten Stücken nichts zu erkennen vermag. Das ist schade, denn in diesem Fund verstecken sich zahlreiche unedierte Stücke und solche, die hier zum zweiten Mal überhaupt erst nachgewiesen werden konnten.
Warum nur die schrecklich erhaltenen Stücke in der Eremitage verblieben? Erstens stimmt das so nicht ganz. Die besser erhaltenen legte man in die systematische Sammlung, da in dieser Epoche der Numismatik das Objekt im Mittelpunkt stand und nicht sein Zusammenhang. Diese wurden übrigens nicht in den Katalog integriert. Und zweitens verkaufte man damals einen Teil des Fundes. Und wie Käufer nun mal sind, suchten sie sich die schönsten Brakteaten raus. So liegen heute eine Reihe von bedeutenden Stücken im Berliner Münzkabinett und in der ehemaligen Sammlung der Welfen, heute im Landesmuseum Hannover. Auch Privatsammler sollen Münzen aus dem Fund erworben haben.
Die Zusammensetzung des Fundes kann dank dem Numismatiker Eduard Fiala rekonstruiert werden. Er beschrieb den Fund kurz, so dass wir zumindest in groben Zügen orientiert sind.
Schließen wir die kleine Buchvorstellung mit den Schlussfolgerungen, zu denen der Autor Kirill Tschernyshow dank des vorliegenden Materials kommt:
Erstens ist der Schatzfund ein absolutes Unikum hinsichtlich der Menge von deutschen Brakteaten im Gebiet er alten Rus.
Zweitens ist er in seiner Zusammensetzung mit den Funden von Seega und Nordhausen zu vergleichen, was bedeutet, dass die Brakteaten des Funds von Chotin wohl in Deutschland zusammengetragen wurden, ehe sie zu den Rus verbracht wurden.
Dabei kann man drittens mit einem Zeitpunkt der Verbergung um die Mitte des 13. Jahrhunderts mit einem terminus ante quem von 1250 rechnen.
Bestellt werden kann diese wichtige Publikation beim Initiator und Verlagseigentümer Manfred Mehl unter 040 536 20 93 oder per E-Mail.
Die Einleitung können Sie übrigens bei academia.edu herunterladen.
Und dank des wunderbaren Artikels von Alan Walker über die Gruppen der Hortfunde, wissen Sie auch sofort, unter welcher Kategorie Sie diesen Münzfund einordnen müssen.