von Ursula Kampmann
27. Oktober 2011 – Bescheidene 6.000-8.000 Pfund war der wundervolle Stater von Thurion geschätzt, den Morton & Eden am 24. Oktober 2011 unter Nummer 15 in ihrer Auktion einer alten englischen Sammlung zur Versteigerung anboten. Das Stück hatte eine bemerkenswerte Provenienz. Es stammte aus der sagenumwobenen Sammlung Kunstfreund und war 1974 auf dem Höhepunkt des Münzbooms für 30.000 Franken verkauft worden. 2011, nachdem die Preise nach einer langen Tiefphase wieder Rekordhöhen erreicht haben, wären wohl einige Sammler bereit gewesen, diesen Preis für das Spitzenstück zu zahlen. Sie wurden ausgeboten. Scheich Saud bin Mohammad bin Ali al-Thani ging auf 85.000 Pfund (= 97.693 Euro), um das Stück seiner Sammlung einzuverleiben.
Es ist mittlerweile ein gewohntes Szenario. Bei den Topp-Auktionen mit antikem Material geht der Löwenanteil der bemerkenswerten Münzen – gleichgültig ob Tetradrachme oder Kleinmünze – an den Bieter aus Katar. Allein in der jüngst abgehaltenen Auktion des Hauses Morton & Eden gab er nach Informationen von Hadrien Rambach, einem in London stationierten Berater in Münzfragen, mehr als eine Million Pfund aus, was etwa einem Drittel des Gesamtergebnisses für 24 % der Münzen entspricht. Der Scheich zahlte 70.000 Pfund für ein Tetradrachmon des Aitna Meisters aus Naxos, 40.000 für eine archaische Didrachme aus Dikaia und 140.000 für einen archaischen Doppelschekel von Tyros; die beiden letzteren Stücke stammten ebenfalls aus der Sammlung Kunstfreund. Alles in allem, ein Klacks für den Scheich. Erst jüngst kürte ihn ARTnews zum größten Sammler des Jahres 2011. Gelobt wird vor allem sein guter Geschmack. Händler dürften seine Entschlußfreude und seine finanzielle Unerschöpflichkeit mögen.
Ein Artikel des Independent faßte im Juni 2011 die Karriere des begeisterten Sammlers zusammen: Bis 2005 hatte al-Thani im Auftrag seines Cousins, des Emirs von Katar, Kunstschätze für ein neues Museumszentrum im reichen Ölstaat aufgekauft. Von bedeutenden Fotographien Man Rays und Alfred Stieglitz’ über ein Fabergé Ei bis hin zu einer vollständigen Ausgabe des wundervoll illustrierten Buchs von Audubon über die Vögel Amerikas; alles, was Kunstfreunde zum Träumen bringt, brachte al-Thani heim nach Katar. Doch dann kam es zu einem Skandal. Man spricht von Hausarrest, weil al-Thani mit Hilfe eines Londoner Händlers und dessen gefälschten Rechnungen staatliche Mittel für die eigene Sammlung zweckentfremdete. Doch die Verstimmung war nur vorübergehend. Bereits ein Jahr später war der kunstbegeisterte Scheich wieder auf den Auktionen zu sehen.
Mittlerweile ist er auch auf Münzauktionen ein bekanntes Bild. Beliebt ist er bei Sammlern allerdings nicht. Viele sind mittlerweile so verärgert, daß sie davon sprechen, einfach mit dem Sammeln aufzuhören. Sie haben die Lust verloren, sich sorgfältig auf eine Auktion vorzubereiten, um dann jedes Mal leer auszugehen. Eine ungute Situation, denn je weniger breit die Basis der Münzsammler ist, um so krisenanfälliger werden die Preise.
Diejenigen allerdings, die schon länger dabei sind, erinnern sich an die Zeit, als die Hunt-Brüder den Markt zu dominieren versuchten. Auch die konnten damals auf ein Vermögen zurückgreifen, das ihre Vorfahren mit Öl gemacht hatten. Ob die Ölquellen Katars reicher sprudeln als die Geldquellen der Brüder Hunt, wird sich zeigen. In den 90er Jahren jedenfalls konnten die Sammler die Schätze der Hunt Brüder in einer Serie von Auktionen der Firma Sotheby zurückkaufen – für einen Bruchteil dessen, was die Hunt-Brüder dafür gezahlt hatten.
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