von Björn Schöpe
6. September 2012 – Spätestens seit Indiana Jones sollte hinlänglich bekannt sein, dass Jesus Christus beim Letzten Abendmahl kaum aus einem prunkvollen Goldpokal trank, sondern wohl eher aus einem schlichten Holzbecher. Doch bestimmte Bilder bleiben hängen. So auch das der Ritter von der Tafelrunde, die einen prächtigen goldenen Becher suchen, der im Zentrum ihrer irdischen Handlungen steht und Erlösung und das himmlische Ziel verheißt: den Heiligen Gral.
Auch ein Schweizer „Finanzjongleur“ sah in einem goldenen Pokal seine irdische Erlösung – indem er ihn potentiellen und gutgläubigen Investoren als tatsächlichen Heiligen Gral mit gigantischen Finanzerwartungen anpries. Das gute Stück sollte bei professioneller Promotion bis zu einer Milliarde Euro abwerfen durch Ausstellungen, Lizenzrechte an Hollywood und dergleichen mehr. Was es genau mit dem Gerät auf sich hat, das der Mann als Gral verschacherte, weiß bis heute niemand völlig sicher. Sicher ist jedoch, dass der Schweizer jetzt von einem Gericht verurteilt wurde. Er hatte nämlich damals Geld dringend gebraucht – um Löcher zu stopfen bei seinen eigenen, erfolglosen und illegalen Finanzaktivitäten. Rund 24 Millionen Franken investierte er für Kunden riskant. Der „Chiemsee-Kessel“ war nur einer von vielen Versuchen. Dafür wurde er jetzt verurteilt. Doch zurück zum Anfang …
2001 fand ein Taucher im Chiemsee nahe bei Seebruck einen etwa 30 Zentimeter hohen Pokal mit 50 Zentimetern Durchmesser aus massivem Gold. Das Stück war außen mit Reliefs verziert, die an einen keltischen Fund erinnern. Angeblich soll der bayerische Staat ein Jahr lang die Existenz dieses Fundes verheimlicht haben. Später verkaufte der Staat Bayern zusammen mit dem Finder das Objekt auf dem freien Markt. Im Mai 2005 erwarb der mittlerweile verurteilte Schweizer das fast 11 Kilogramm schwere Stück für 300.000 Euro. Er ging über die Spekulationen, es könne sich um ein keltisches Sakralobjekt gehandelt haben, schnell hinaus, indem er es als den echten Heiligen Gral „verkaufte“. 7,4 Millionen Euro soll er von Anlegern erhalten haben, die sich ihrerseits riesige Gewinne von der Vermarktung des Fundes erhofften.
Recherchen eines Archäologen und eines Journalisten legen nahe, dass der „Chiemsee-Kessel“ in den 1930er Jahren auf Anregung hoher NS-Funktionäre angefertigt wurde, um bei Weihezeremonien auf einer Burg zu dienen. Kurz vor Kriegsende habe ein Agent den Goldbecher im See versenkt.
Nach Jahrzehnten im Wasser lagert der Kessel nun in einem Schweizer Banktresor als Teil der Konkursmasse des gescheiterten Finanzexperten. Allerdings soll der Geschäftsmann bereits einen Investor gefunden haben, der das Goldgefäß für 7 Millionen Franken kaufen wolle – womit seine eigenen Schulden beglichen wären. Während des Prozesses meinte er immerhin belegen zu können, der Chiemsee-Kessel stamme aus dem 15. Jahrhundert, ein andermal gar das Gold sei so rein, dass es nicht von dieser Welt sein könne. Die Vermarktungsstrategie geht jedenfalls in die nächste Runde.
Über die Verurteilung berichtete die Süddeutsche Zeitung.
Einen der ersten Artikel veröffentliche 2002 Spiegel Online.
2010 hatte der Schweizer Geschäftsmann noch große Pläne während des Prozesses, wie der Tagesanzeiger berichtete.
Sascha Priester und Jörg Michael Seewald gingen dem Geheimnis des „Chiemsee-Kessels“ auf die Spur und bereiten ein Buch dazu vor, das bei dtv erscheinen wird.
Über die verworrene Gralslegende können Sie sich bei Wikipedia informieren.