von Björn Schöpe
13. Dezember 2012 – Der vierte Teil der Indiana-Jones-Reihe mit Harrison Ford als abenteuerlustigem Archäologen war 2008 ein riesen Kassenerfolg. In „Das Königreich des Kristallschädels“ dreht sich alles um ein Objekt, das angeblich nicht nur uralt ist, sondern auch über magische Kräfte verfügt. Die Geschichte führte jedenfalls zu einem traumhaften Ergebnis: Die an dem Film beteiligten Paramount Pictures, Walt Disney Studios und die Lucasfilm nahmen fast 800 Millionen Dollar ein. Von dieser Summe sollen sie nun nach dem Willen des mittelamerikanischen Staates Belizes etwas an diesen abgeben. Worauf sich Belizes Klage stützt, mutet allerdings abenteuerlich an …
Harrison Ford am Set des letzten Indiana-Jones-Films. Foto: John Griffiths / Wikipedia. http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.de
Jaime Awe, Leiter des Archäologischen Instituts von Belize, vertritt im Prozess den Staat Belize. Nach dessen Ansicht geschah Folgendes: 1924 fanden der Brite Frederick Albert Mitchell-Hedges und seine Tochter Anna in einem Maya-Tempel in Lubaantun einen antiken Kristallschädel, den sie illegal außer Landes in die USA verbrachten. Nach dem Tod des Vaters verdiente die Tochter an dem Schädel, indem sie ihn gegen Geld öffentlich zeigte. Immerhin handelte es sich um ein Objekt mit magischen Kräften, das den Mayapriestern dazu diente, Menschen zu verfluchen, auf dass diese bald starben. So kolportierte jedenfalls Mitchell-Hedges in der ersten Auflage seiner Autobiographie.
Eben dieser Kristallschädel, der nach den ihm zugesprochenen Fähigkeiten auch als „Schädel des Verderbens“ (Skull of Doom) bekannt wurde, soll als Vorbild für das zentrale Objekt in der Indiana-Jones-Produktion gedient haben. Belize forderte seit Jahren die Rückgabe dieses „nationalen Kulturguts“ und stellt nun zusätzlich Ansprüche an einem Teil der Filmeinnahmen, weil eine Replik ohne Genehmigung verwendet wurde. Gründlich recherchiert wurde bei dieser Klage wohl nicht, denn ungeachtet aller juristischen Feinheiten (und der Frage, ob es überhaupt eine Replik genau dieses Kristallschädels war) lassen die belegbaren Fakten starke Zweifel an dieser Sichtweise aufkommen.
Dem Mitchell-Hedges-Schädel sehr ähnlich ist dieser Kristallschädel im British Museum. Foto: Rafal Chalgasiewicz / Wikipedia. http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.en.
Neben dem sogenannten Mitchell-Hedges-Schädel gibt es nämlich weitere ähnliche Schädel, die im Smithsonian Museum, im British Museum und in einem Pariser Museum ausgestellt sind. Und an allen klebt ein kleiner, aber misslicher Makel: Sie werden für eine Fälschung gehalten. Schließlich gibt es keine Hinweise in den Maya-Mythen oder in Bildern der präkolumbianischen Völker, dass diese tatsächlich solche Gegenstände gefertigt hätten.
Sämtliche Schädel, einschließlich des Mitchell-Hedges-Schädels, wurden in jüngster Zeit mit modernster Technik untersucht. Das Urteil lautet einhellig: Es handelt sich um Fabrikate des 19. und 20. Jahrhunderts, hergestellt mit Metallwerkzeug, wie die Maya oder Azteken es gar nicht kannten.
Und fragt man, woher diese geheimnisumwitterten Stücke stammen, kommt man gleich zum zweiten Teil der Argumentation. Höchstwahrscheinlich hat Anna Mitchell-Hedges gelogen. Tatsächlich widersprach sie sich mehrfach in ihren Angaben, wie sie den Kristallschädel gefunden habe. Die von Jaime Awe angeführte Behauptung, die junge Anna habe das Objekt unter einem verfallenen Altar in einem Maya-Tempel in Lubaantun entdeckt, ist nur eine romantische Version unter verschiedenen. Sie war sich da wohl selbst nicht sicher, was am überzeugendsten oder schönsten klang. Ihr Vater erwähnte diese Entdeckung in seiner Autobiographie jedenfalls nicht, auch kein anderer Expeditionsteilnehmer konnte sich an dieses Ereignis erinnern. Dafür belegt eine ganz profane Rechnung aus dem Jahr 1943, dass Frederick Albert Mitchell-Hedges den Schädel von einem Londoner Antiquitätenhändler und Sammler namens Sydney Burney in England kaufte.
Der französische Antiquitätenhändler Eugène Boban gab die Schädel in Auftrag. Vor 1867. Foto: Wikipedia.
Der Schädel im Smithonian wurde dem Museum 1992 anonym per Post zugestellt. Die Spuren der Kristallschädel in London und Paris hingegen führen nachweislich zu einer Person: dem französischen Antiquitätenhändler Eugène Boban. Boban war am Hof Kaiser Maximilians I. von Mexiko als Archäologe tätig. Daneben verkaufte er in Mexiko außer präkolumbianischen Altertümern auch diese antiken Kristallschädel – die er vermutlich im deutschen Kristallbearbeitungszentrum Idar-Oberstein hatte fertigen lassen.
Der Anwalt, der Belize vor Gericht vertritt, hält den Kristallschädel für ein Maya-Objekt, das ebenso wie die anderen Schädel Belize gestohlen wurde. Sie seien daher allesamt Eigentum des Volks von Belize. Ob auch Belizes Chefarchäologe Awe tatsächlich davon überzeugt ist, oder hier nur den Bekanntheitsgrad seines Landes erhöhen will, bleibt Spekulation – in jedem Fall erscheint seine Haltung als Wissenschaftler fragwürdig. Warum Belize Anspruch haben sollte auf die Replik eines Objekts, das ein französischer Antiquitätenhändler vermutlich in Deutschland aus wohl brasilianischem Quarz hat fertigen lassen und in Mexiko an einen Briten verkaufte, dessen Tochter es seitdem in den USA behielt, ist ebenso schleierhaft wie die Frage, warum Belize Anspruch an die Erträge stellt, die aus einer Nutzung einer Replik dieses Objektes entstanden. In einem ist dem Anwalt allerdings beizustimmen: Weitere Test an dem Schädel sind nach denen vor wenigen Jahren durchgeführten nicht nötig. Die Sachlage ist klar.
Ausführliche Informationen mit Belegen finden Sie in den deutschen und englischen Wikipediaartikeln zu Kristallschädeln.
Auf der BBC-Reise-Seite finden Sie einen schönen Artikel zu Belize, in dem der Autor auch ausführlich auf die mysteriösen Kristallschädel eingeht.
FoxNews druckte einen detaillierten LiveScience-Artikel zu den Tests und der absurden Klage ab.