von Ursula Kampmann
25. Oktober 2018 – Der Fund von Thun wurde am 4. März 1955 im Rahmen von Kanalarbeiten entdeckt. In einem Bronzegefäß lagen zwischen 2.300 und 2.400 Münzen, die alle in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. geprägt wurden. Die Schlussmünzen stammen aus dem Jahr 293, wurden also vor der großen Münzreform des Diocletian geprägt, die mit dem Nummus und dem Argenteus völlig neue Nominale schuf. Ein Privatmann hatte wohl den neuen Münzen mißtraut, den Kurs, gegen den er seine guten alten Münzen eintauschen sollte, für inakzeptabel gehalten und deswegen den Schatz der Erde anvertraut. Dort blieb er auch, weil die Münzen außer Kurs gesetzt wurden, so dass ihr Eigentümer mit ihnen nichts mehr kaufen konnte. Sie blieben in ihrem Versteck, bis der Kanalarbeiter sie 1955 fand. Nun wurden sie von Sylviane Estiot, Suzanne Frey-Kupper und Pierre Zanchi als Band 15 im Inventar der Fundmünzen der Schweiz publiziert und wissenschaftlich bearbeitet.
Sylviane Estiot, Suzanne Frey-Kupper, Pierre Zanchi, Le trésor de Thun 1955 (CH, Berne) 2.304 monnaies romaines au terminus 293 de notre ère. Inventaire des Trouvailles Monetaires Suisse 15. Bern 2017. 202 S. 52 Tf. mit CD-Rom. Broschiert, 210 x 297 mm. ISBN 978-2-940086-14-6. 55 CHF.
Thun, wo der Schatz gefunden wurde, ist eine kleine Stadt am Fuß der Schweizer Alpen. Touristen lieben das wunderschöne Schloss mit seinem Donjon vom Beginn des 12. Jahrhunderts. Naturfreunde wissen, dass der Thuner See mit seinem Alpenpanorama zum Unesco Weltnaturerbe gehört. Das römische Erbe Thuns ist dagegen weniger bekannt. Nichtsdestotrotz war hier ein wichtiger Knotenpunkt am Handelsweg zwischen Italien und Germanien. Bei Thun wurden die Waren, die man mühsam über das Gebirge getragen hatte, auf Schiffe umgeladen. So ist Thuns römisches Erbe reich. Man fand einen Tempelkomplex, eine kleine Siedlung – und einen bedeutenden Schatz mit römischen Münzen.
Seine ausführliche wissenschaftliche Bearbeitung findet sich in Band 15 der Publikationen des IFS. Behandelt werden die Fundumstände und der archäologische Kontext, aber auch die numismatische Seite, also die neuen Erkenntnisse, die wir für die Rekonstruktion der Münzprägung der Soldatenkaiser aus den bei Thun gefundenen Münzen ziehen können. Dafür werden die 2.302 Antoniniani / Aureliani und zwei Denare beschrieben und untersucht.
Schließlich sind viele Fragen, mit der sich die Numismatik der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts beschäftigt, bis heute nicht geklärt. Die Vielzahl von sich schnell abwechselnden Münzstätten, die aus historischen Notlagen heraus – man denke an die schnellen Herrscherwechsel und die zahlreichen Gegenkaiser – in kurzer Zeit große Mengen von Münzen prägen mussten, sie stellen die Wissenschaft vor zahlreiche grundlegende Probleme, die nur mit Hilfe des Materials bewältigt werden können.
Deshalb ist die Vorlage möglichst vieler Hortfunde aus dieser Periode wissenschaftlich so wichtig. Auch wenn der Preis solcher Münzen auf dem freien Markt geringer ist als das, was ihr Foto und ihre wissenschaftliche Bearbeitung kosten mögen, ist der Ertrag an numismatischer Erkenntnis hoch. Nicht umsonst ist der längst veraltete Band des RIC, der sich mit den Münzen der Soldatenkaiser beschäftigt, immer noch nicht neu geschrieben… Das Material ist gewaltig und erst zu einem Bruchteil wissenschaftlich erschlossen.
Neben der numismatischen Auswertung enthält das Buch einen Kurzkatalog der 2.304 Stücke mit Vorder- und Rückseitenlegende sowie Rückseitentyp, dazu Offizin, Zitat, Gewicht und Stempelstellung. Ein Großteil des Materials ist auf 52 Tafeln abgebildet. Dazu liegt dem Buch eine CD-Rom bei, auf der die Fotos aller Münzen enthalten sind sowie eine Excel-Tabelle, mit der das Material leicht durchsuchbar wird.
Auch wenn das Buch in französischer Sprache geschrieben wurde, ist es durch detaillierte Zusammenfassungen in deutscher und englischer Sprache problemlos von denjenigen zu benutzen, die mit dem Französischen nicht vertraut sind.
Es lohnt sich also für alle, die sich wissenschaftlich mit der Zeit der Soldatenkaiser beschäftigen, den Band zu kaufen. Und dazu nützt er allen, die auf eine vollständige und wissenschaftliche Katalogisierung ihrer Münzen Wert legen, indem er eine Fülle von Material präsentiert, wie es nicht im RIC zu finden ist.
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