von Hartmut Kreutzer
24. September 2015 – Am Donnerstag, den 24. und am Mittwoch den 30. September jeweils um 17.30 Uhr kann man im Fernsehen auf arte noch einmal eine (erstmals am 22. August ausgestrahlte) Sendung sehen, die sich unter dem Titel „Der korsische Schatz“ mit einem Vorgang befasst, der zwar schon 20 Jahre zurückliegt, angesichts der geplanten Novellierung des Kulturgutschutzrechts aber eine ganz aktuelle Brisanz erlangt hat.
Trésor de Corse – Der Schatz von Lava
Es geht um den sogenannten „Schatz von Lava“ (in Frankreich „trésor de Corse“ genannt), der vor einigen Jahren die Gerichte beschäftigt hat. Einzelheiten sind nachzulesen im nachfolgenden Beitrag, der erstmals in der Kunstzeitschrift „Kunst und Auktionen“ publiziert wurde. Der Fernsehbericht ist zwar etwas sensationslüstern aufgemacht, vermittelt aber ein erstaunlich ausgewogenes Bild der Vorgänge. Er macht vor allem deutlich, dass der Schatz keinesfalls aus einem in der Antike untergegangenen Schiff stammen kann. Die im Bericht dramatisch geschilderte Unterwassersuche im fraglichen Küstenbereich hat nicht den kleinsten Hinweis in diese Richtung erbracht. Wäre das Gold tatsächlich Teil der Ladung eines Schiffes gewesen, das an der Küste gescheitert war, hätten sich außer den Münzen noch irgendwelche Reste des Schiffes und der Ladung finden müssen! Alles spricht dafür, dass der Schatz sich ursprünglich an Land befunden hatte, wohl von Räubern oder Schatzsuchern – vielleicht schon in der Antike oder aber in neuerer Zeit – in einer Höhle im felsigen Uferbereich versteckt, und dann in Vergessenheit geraten oder infolge eines Bergrutsches nicht mehr zugänglich geworden war. Sensationell Neues bringt die Sendung insoweit, als zum Schatz ursprünglich auch eine kostbare Statuette aus Gold gehört haben soll, die dann angeblich eingeschmolzen und zu Zahngold verarbeitet wurde, nachdem der Direktor des Museums in Sarténe den Ankauf der ihm von den Findern zum Goldpreis angebotenen Figur entrüstet abgelehnt hatte. Dichtung oder Wahrheit?
Die Legende vom Trésor de Corse – Erstveröffentlichung in der Zeitschrift Kunst und Auktionen Nr. 5 vom 8. April 2011
Ein römisches Schiff, beladen mit gemünztem Gold in ungeheurer Menge, geht um das Jahr 275 vor der Westküste Korsikas unter und nimmt den Goldschatz mit auf den Grund des Meeres. Knapp zwei Jahrtausende später kommt das Gold dann wieder ans Tageslicht, korsische Taucher wollen auf der Suche nach Seeigeln zufällig darauf gestoßen sein … Eine schöne, die Phantasie anregende Geschichte, unbestritten, aber wie viel davon ist Realität?
Tatsache ist, dass im Jahr 1957 in Frankreich auf dem Münzmarkt eine größere Menge römischer Goldstücke auftauchte, von denen man annahm, dass sie aus einem einzigen Fund stammten. Es handelte sich um Prägungen verschiedener römischer Kaiser aus dem 3. Jahrhundert (Gallienus, Glaudius II. Goticus, Quintillus und Aurelianus). Münzen dieser Art waren zwar schon längst bekannt, aber noch nie in solcher Menge in den Handel gelangt. Wo- her die Goldstücke stammten, blieb im Dunkel, aber schnell setzte sich die Geschichte von der Bergung aus einem im Golf von Lava versunkenen römischen Schiff, von dem freilich jede Spur fehlt, in den Köpfen fest.
In der französischen Fachzeitschrift Revue Numismatique wurden 1958 die 41 bekannt gewordenen Stücke in dem Beitrag „Trésor d’un navire Romain trouvé en méditerrané“ besprochen und katalogisiert. Im Jahre 1980 wurde an gleicher Stelle erneut darüber berichtet, nachdem weitere 87 ähnliche Stücke auf den Markt gekommen waren.
Zwei Prozesse gegen Biancamaria
Einige Jahre später nahm sich dann die französische Strafjustiz der Sache an. Seit 1985/86 waren nämlich nochmals römische Goldmünzen aus der fraglichen Zeit in großer Zahl im Handel aufgetaucht. Ein Korse namens Felix Biancamaria, den man als Finder der Münzen ermittelt hatte, sowie der bekannte Pariser Münzhändler Jean Vinchon wurden verhaftet und 1995, also erst zehn Jahr später, wegen Unterschlagung von Staatseigentum beziehungsweise Hehlerei zu Freiheitsstrafen mit Bewährung und hohen Geldstrafen verurteilt. Nach französischem Recht gehören nämlich Schätze, die aus dem Meer geborgen wurden, dem französischen Staat.
Neun Jahre später vermarktete Biancamaria seine Geschichte vom Schatzfund literarisch. In seinem 2004 in Paris erschienenen Buch „Le Trésor de Lava – La fièvre de l’or romain chez les plongeurs corses“ gibt er, illustriert mit zahlreichen Fotos von Unterwasseraktionen, eine eingehende Schilderung seines Falles. Was davon Dichtung und was Wahrheit ist, wird man wohl nie genau erfahren. Jedenfalls muss Biancamaria nach seiner Verurteilung noch im Besitz weiteren Goldes gewesen sein, das er aus dem Meer geholt hatte, denn seit kurzem ermittelt die französische Polizei erneut gegen ihn wegen Unterschlagung und Hehlerei. Es heißt, er habe unter anderem eine in seinem Buch beschriebene, aus dem „Fund von Lava“ stammende Goldschale mit Medaillon in der Mitte, die zunächst als verschollen galt, zum Verkauf angeboten.
Dieses neue Ermittlungsverfahren wollen nun anscheinend die mit dem Schutz nationaler Kulturgüter befassten französischen Behörden als Mittel benutzen, um sich in den Besitz möglichst aller im Ausland gehandelten Goldmünzen der genannten Kaiser zu setzen, die nach ihrer Sicht nur aus dem „Trésor de Corse“ stammen können, indem sie diese als französisches Kulturgut reklamieren, das nur unter Missachtung eines gesetzlichen Ausfuhrverbots in strafbarer Weise ins Ausland gelangt sein könne. Unter Berufung auf die Vorschriften über internationale Rechtshilfe in Strafsachen haben sie es mittlerweile in mehreren Fällen in Deutschland und auch in Österreich erreicht, dass in Auktionen angebotene Münzen gerichtlich beschlagnahmt wurden, und zwar mit der Begründung, sie würden als Beweismittel für das in Frankreich gegen Biancamaria geführte Ermittlungsverfahren wegen Unterschlagung beziehungsweise Hehlerei benötigt.
Dass jemand, der wegen Diebstahls oder Unterschlagung einer Sache bereits rechtskräftig abgeurteilt wurde, nicht noch einmal wegen Unterschlagung oder wegen Hehlerei in Bezug auf dieselbe Sache belangt werden kann, stört die Strafverfolgungsbehörden offenbar nicht weiter.
Goldmedaillon des Claudius II. Goticus (268-270), Mediolanum (Mailand), Brustbild mit Inschrift IMP.C.M.AVRL.CLA-VDIVS.P.F.AVG Revers: CONCORDIA.EX-ERCITVS und Concordia, 39,19 g, Künker, Osnabrück, Auktion 12. März 2010 (Taxe Euro 50.000. Zuschlag 54.000 Euro.).
Opfer unter Auktionshäusern in Deutschland und Österreich
Erstes Opfer wurde im März 2010 das Auktionshaus Künker aus Osnabrück. In dessen 168. Auktion wurde als Los 7844 ein Goldmedaillon im Wert von 8 Aurei angeboten, das unter Kaiser Claudius II. Goticus (268–270) in Mediolanum (Mailand) geprägt worden war. Das Stück, das im Januar 2007 in New York (Baldwin’s, Markov, M & M = The New York Sale) für $40.000 versteigert worden war, wurde nun für 54.000 € zugeschlagen.
Eine Aushändigung an den Käufer war aber nicht möglich, weil das Amtsgericht Osnabrück mit Beschluss vom 9. März 2010 auf Ersuchen der Republik Frankreich beflissen und offenbar ohne jegliche Prüfung der Sach- und Rechtslage die Beschlagnahme der Münze mit der Begründung angeordnet hatte, es komme eine Herausgabe an die französischen Behörden in Betracht, da der Verdacht der Unterschlagung bestünde. Mittlerweile musste das Medaillon an das Auktionshaus zurückgegeben werden, nachdem zwischenzeitlich noch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur erfolglos versucht hatte, mit einer „Anhalteverfügung“ nach dem Kulturgüterrückgabegesetz die Münze für den französischen Staat zu sichern. Nach einem Jahr konnte nun endlich der Käufer das von ihm ersteigerte Stück in Empfang nehmen.
In einem anderen Fall, betroffen ist das Stuttgarter Auktionshaus Meister & Sonntag, haben sich die französischen Behörden nicht gescheut, ihre haltlose Behauptung, die auf ihr Ersuchen vom Amtsgericht Stuttgart im November 2010 „als Beweismittel“ beschlagnahmte Münze, einen Aureus des Quintillus, könne „nach dem derzeitigen Wissensstand … nur vom Gebiet von Lava … stammen“, durch sinnentstellende und zudem inhaltlich falsche Zitierung einer bekannten Wissenschaftlerin stützen zu wollen. Die Sache ist derzeit noch beim Oberlandesgericht Stuttgart anhängig.
In einer von der Staatsanwaltschaft Wien im Dezember 2010 gegen das Auktionshaus Rauch erlassenen Sicherstellungsanordnung (dort geht es um einen Aureus des Claudius II.) heißt es ganz unverhohlen, die Maßnahme sei notwendig zur „Erreichung des angestrebten Zieles, nämlich … die Rückführung des Kulturgutes“. Es drängt sich damit der Eindruck auf, dass in allen angeführten Fällen das strafrechtliche Ermittlungsverfahren den französischen Behörden nur als Vorwand dient und es in Wirklichkeit darum geht, jeweils die beschlagnahmten Münzen als französisches Kulturgut „zurückzuführen“ und französischen Museen einzuverleiben. Auf diese Weise würde der französische Staat auf dem Wege über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen illegal etwas erreichen, was ihm auf legalem Wege kaum möglich wäre, denn um vor einem deutschen beziehungsweise österreichischen Zivilgericht Eigentumsansprüche durchzusetzen oder eine Rückführung nach dem Kulturgüterrückgabegesetz erwirken zu können, müsste er den vollen Beweis für die Berechtigung seines Anspruchs erbringen, was ihm den Umständen nach schwer fallen dürfte.
Der Artikel ist am 8. April 2011 in Kunst und Auktionen Nr. 5, S. 49 unter dem Titel „Die Legende vom Trésor de Corse. Frankreichs Kulturpolizei im Goldfieber – Münzauktionshäuser und Sammler als Opfer“.
Damals ist auch ein Artikel in der MünzenWoche erschienen.