17. April 2014 – In den letzten Wochen und Monaten mussten wir von einer starken Zunahme gefährlicher Einbrüche und gewaltsamer Verbrechen lesen. Wir haben den deutschen Kriminaloberrat Harald Schmidt gebeten, uns ein paar Tipps zu geben, wie sich Münzhändler und -sammler möglichst gut schützen können. Hier sind seine Antworten:
MW: Herr Schmidt. Sie sind zuständig für polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes, Stuttgart. Wären Sie so freundlich, für uns die momentane Lage einmal einzuschätzen? Ist die gefühlte starke Zunahme von Verbrechen tatsächlich vorhanden?
Harald Schmidt: Raubstraftaten werden in verschiedene kriminologische Erscheinungsformen unterteilt: Raub auf Geld- und Werttransporte, Raub auf Zahlstellen und Geschäfte, Raub auf Straßen, Wegen und Plätzen, Handtaschenraub, räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, Raub aus Wohnungen. Der Straftatenanteil der Raubdelikte gemessen an der Gesamtzahl aller erfassten Straftaten lag im Jahr 2012 lediglich bei 0,8 Prozent. Allen Raubdelikten ist gemeinsam, dass der Täter oft ein unverhältnismäßig hohes Maß an Gewalt einsetzt, um in den Besitz der Beute zu gelangen. 2012 wurden 48.711 Raubdelikte polizeilich registriert. Nach einem stetigen Rückgang der Raubdelikte insgesamt seit 2004 (2011: -0,3 %, 2010: -2,3 %, 2009: -1,2 %, 2008: -5,7 %, 2007: -1,4 %, 2006: -2,1 %), war 2012 ein Anstieg um 1,4 % zu registrieren. Die Zahl der Raubüberfälle, bei denen mit einer Schusswaffe gedroht wurde, nahm gegenüber dem Vorjahr um 9,3 Prozent auf 3.164 Fälle ab. In mehr als 50 Prozent aller Fälle von Bank- bzw. Postraub wurde jedoch mit einer Schusswaffe gedroht. Auch bei Raubüberfällen auf sonstige Zahlstellen und Geschäfte ist die Zahl der Fälle, bei denen mit einer Schusswaffe gedroht wurde, relativ hoch, beim Straßenraub hingegen niedrig. Die höchsten Schäden wurden durch Raubüberfälle auf sonstige Zahlstellen und Geschäfte sowie durch Raubüberfälle auf Geldinstitute verursacht. Auf sie entfielen rund zwei Fünftel des gesamten Raubschadens. Die Gefahr eines Raubüberfalls besteht für nahezu alle Geschäfte und Betriebe, wenn Bargeld und/oder teure und leicht transportable Waren vorhanden sind; dies gilt z.B. für Juweliere und natürlich für Münzhändler und -sammler.
MW: Welche Maßnahmen würden Sie einem Münzhändler mit einem Ladengeschäft empfehlen?
Harald Schmidt: Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es in keinem Bereich. Durch organisatorische und technische Maßnahmen kann man jedoch das Risiko minimieren, Opfer eines Raubüberfalls zu werden. Ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist dafür von großer Bedeutung. Verpflichten Sie Ihr Personal regelmäßig, auf keinen Fall mit Außenstehenden über Sicherheitsmaßnahmen und die Aufbewahrung von Wertgegenständen (Münzen) und Bargeld zu reden. Und verhindern Sie den Zutritt Außenstehender in sensible Bereiche.
Der Bestand an Wechselgeld sollte den eines festgelegten Betrages nicht übersteigen. Verwahren Sie über diesen Betrag liegende Kassenbestände in einem Tresor.
MW: Würden Sie einem Münzhändler raten, eine Überfallmeldeanlage einzubauen?
Harald Schmidt: Einbruch- (EMA) und Überfallmeldeanlagen (ÜMA) bieten einen zusätzlichen Schutz und ergänzen mechanische Sicherungen um einen wichtigen Aspekt. Je nach Art und Umfang kann eine Überfallmeldeanlage abschrecken, sodass es erst gar nicht zum Überfall kommt, oder sie kann bei einem Überfall schnell und gezielt Wach- und Sicherheitsunternehmen oder die Polizei alarmieren.
Bei der Planung sollte möglichst nach dem Prinzip verfahren werden „Zuerst die Alarmierung, dann das mechanische Hindernis“, d. h., die Einsatzkräfte sollten noch vor dem Überwinden der mechanischen Sicherungen eintreffen. Einbruchmeldeanlagen sollten am besten so ausgelegt sein, dass über sie im Notfall auch ein Überfallalarm ausgelöst werden kann.
Eines ist dabei besonders wichtig: Informieren Sie sich vor dem Einbau einer Einbruchmeldeanlage möglichst frühzeitig bei einer (Kriminal-)Polizeilichen Beratungsstelle. Die Beratung ist neutral und in vielen Bundesländern kostenlos. Hier bekommen Sie in der Regel auch einen Adressennachweis für qualifizierte Errichterunternehmen. Denn eine Überfall- und Einbruchmeldeanlage sollte unbedingt fachgerecht projektiert, installiert und instand gehalten werden. Projektierungs- und Installationsfehler müssen vermieden werden, denn die beste und teuerste Anlage ist nutzlos, wenn sie überwunden werden kann oder wenn ständig Falschalarme ausgelöst werden. Überfall- und Einbruchmeldeanlagen sollten den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Diese sind in Normen und Richtlinien (z. B. VDE 0833, VdS 2311) niedergelegt. Für den Einsatz in Gewerbeobjekten kommen Anlagen der Klassen B oder C in Frage, wobei die Anlagen der Klasse C einen höheren Schutz aufweisen.
MW: Was halten Sie von Videoüberwachung?
Harald Schmidt: Für viele potenzielle Täter hat eine Videoüberwachung eine nicht zu unterschätzende, abschreckende Wirkung. Werden die Videobilder aufgezeichnet und damit das Ereignis dokumentiert, ist eine spätere Auswertung möglich. Dadurch können sich wichtige Fahndungs- und Ermittlungsansätze für die Polizei ergeben.
Auf eine fachgerechte und kriminaltaktisch richtige Projektierung und Montage eines dem Stand der Technik entsprechenden Videosystems sollte besonderer Wert gelegt werden. Beachten Sie dabei die gesetzlichen und arbeitsrechtlichen Bestimmungen.
MW: Münzhändler haben ja alle einen gut gesicherten Tresor in ihrer Münzhandlung. Aber manch ein Münzsammler mag über einen kleinen Safe nachdenken, der es ihm ermöglicht, seine Sammlung im Haus aufzubewahren, um sie immer wieder sehen zu können. Was muss ein Sammler bei einem eher kleinen Tresor beachten?
Harald Schmidt: Halten Sie bei der Aufstellung und beim Einbau von Tresoren unbedingt die Vorgaben der VdS-Schadenverhütungs GmbH ein. Um zu vermeiden, dass ein Wertbehältnis komplett entwendet und anschließend aufgebrochen wird, sollte es generell nach Vorgabe des Herstellers massiv und fachgerecht verankert werden; dies gilt insbesondere, wenn es ein Eigengewicht von weniger als 1.000 kg aufweist.
Als Verschlusssysteme gibt es die klassischen Doppelbartschlösser sowie mechanische bzw. elektronische Zahlenkombinationsschlösser. Diese Schlösser sind auch miteinander kombinierbar. Soll der Wertschutzschrank nur zu einer bestimmten Zeit zu öffnen sein, ist dies mit einem zeitgesteuerten Schloss möglich. Wichtig ist, dass sowohl mit dem Schlüssel als auch mit der jederzeit umstellbaren Zahlenkombination besonders sicherheitsbewusst umgegangen wird. Der Wertschutzschrank sollte möglichst verdeckt aufgestellt werden und nicht von jedermann einsehbar sein.
Wenn Sie einen Tresor mit einem elektronischen Zahlenschloss haben, können Sie diesen an eine vorhandene Einbruch- (EMA) und Überfallmeldeanlage (ÜMA) aufschalten und über ihn einen Überfallalarm auslösen. Der Schrank lässt sich trotzdem öffnen, setzt aber über einen speziellen Öffnungscode einen Alarm ab.
MW: So ein Alarm im Geheimen ist ja auch über einen Notrufknopf leicht auszulösen. Was gibt es dabei zu beachten?
Harald Schmidt: Ein so genannter Notruftaster einer Überfallmeldeanlage ist in jedem Fall zu empfehlen. Dies bedeutet aber einen organisatorischen und finanziellen Mehraufwand, da eine angemessene Reaktion auf den Notruf erfolgen muss. Lassen Sie sich am besten von einem Fachmann zum Einbau einer Überfall- und Einbruchmeldeanlage beraten. Informationen der Polizei hierzu finden Sie im Faltblatt „Tipps für mehr Sicherheit: Schlagen Sie Alarm!“ der Polizeilichen Kriminalprävention, das kostenlos bei den (Kriminal-) Polizeilichen Beratungsstellen ausliegt oder im Internet heruntergeladen werden kann.
MW: Und wenn es trotzdem passiert? Was würden Sie dem Opfer eines Raubüberfalls raten?
Harald Schmidt: Hören Sie dem Täter genau zu, erfüllen Sie seine Anweisungen widerspruchslos und ruhig. Passives Handeln und eine ruhige Stimme beugen unüberlegtem Handeln des Täters vor. Benutzen Sie keine Waffen oder waffenähnliche Gegenstände. Stellen Sie sich dem Täter nicht in den Weg und greifen Sie ihn nicht an. Halten Sie Ihre Hände für den Täter gut sichtbar, machen Sie keine unangekündigten und hastigen Bewegungen. Kommentieren Sie Ihre Handlungen, um den Täter zu beruhigen.
Falls Sie den Täter erkannt haben, lassen Sie sich nichts anmerken. Und verlassen Sie nie einen sicheren Bereich, um einem durch Überfall bedrohten Mitarbeiter zur Hilfe zu kommen. Dies kann zur Eskalation der Situation führen.
Für die anschließenden Ermittlungen der Polizei ist es wichtig, sich Täterbeschreibung, Tathergang, Hilfsmittel des Täters und evt. dessen Fahrzeugtyp / Kennzeichen genau einzuprägen.
Gerade nach dem Raubüberfall ist es wichtig, überlegt zu handeln. Als erstes leisten Sie wenn nötig Erste Hilfe. Beruhigen Sie Betroffene, befreien Sie gefesselte Personen. Spätestens jetzt alarmieren Sie die Polizei (110 oder nächste Polizeidienststelle) und geben erste Hinweise zu Täter, Bewaffnung, Fluchtfahrzeug und Fluchtrichtung durch. Halten Sie eine Standleitung zur Polizei. Stellen Sie den Geschäftsbetrieb ein, schließen Sie die Kundenzugänge und bitten Sie Zeugen, das Eintreffen der Polizei abzuwarten. Falls dies nicht möglich ist, notieren Sie Namen und Anschrift.
MW: Wenn es offene Fragen und das Bedürfnis nach einer konkreten Beratung gibt, an wen kann sich ein Münzhändler oder -sammler wenden.
Harald Schmidt: Es gibt in ganz Deutschland den Service der Kriminalpolizeilichen Beratungsstellen. Die nächste Filiale ist im Internet ganz einfach herauszufinden.
Auch wenn es natürlich nie wirklich vollständige Sicherheit geben wird, bemühen wir uns, Ihre Wohnung, Ihr Haus, Ihr Ladengeschäft sicherer zu machen.
MW: Sehr geehrter Herr Schmidt, wir danken Ihnen im Namen unserer Leser für das Gespräch.