Ende des Jahres 2012 klingelte im vatikanischen Münzkabinett das Telefon. Giancarlo Alteri, damals Chef des Münzkabinetts nahm ab und erfuhr zu seiner freudigen Überraschung, dass sich die Witwe des Medailleurs Erminio Varisco und ihr Sohn entschlossen hatten, den Nachlass ihres Mannes dem Vatikanischen Münzkabinett anzuvertrauen. Dies war logisch, denn der Künstler hatte viele Medaillen im Auftrag des Vatikans geschaffen. Seine Papstporträts zieren die Vorderseiten von unzähligen Medaillen, wie sie in den Souvenir- und Devotionalienläden rund um den Petersdom verkauft, und so in den Taschen der Pilger zum Gedenken an ihren Aufenthalt in Rom in zahllose Länder der Welt verstreut wurden.
Damit kann das Münzkabinett nun mittels unterschiedlicher Zeugnisse das Schaffen von Erminio Varisco dokumentieren. Zu der Schenkung gehörten nicht nur die in Bronze gegossenen Modelle der Entwürfe, sondern auch eine Sammlung der ausgeführten Stücke sowie der Medaillen seiner Kollegen, die Erminio Varisco in seiner eigenen Sammlung aufbewahrte.
Eleonora Giampiccolo, die im Juni 2013 Giancarlo Alteri als Kurator des Vatikanischen Münzkabinetts ablöste, gab 2018 einen umfassenden Katalog heraus, der diese großartige Schenkung dokumentiert und in den künstlerischen Zusammenhang einordnet. Sie beginnt mit einem kurzen Überblick zur Medaillenkunst der Nachkriegszeit, in der sie eine kleine Auswahl der großen italienischen Künstler präsentiert, die zeitgleich mit Erminio Varisco arbeiteten. Es folgt eine umfangreiche, reich illustrierte Biographie des Künstlers, die in Teilen auf seiner nie veröffentlichten Autobiographie beruht.
Es folgt eine Präsentation einer Auswahl aus dem geschenkten Material. 509 Stücke wurden dem Münzkabinett übergeben, darunter zahlreiche ein- und zweiseitige Güsse, geprägte Medaillen – geschaffen von Varisco selbst und von anderen Künstlern, sowie eine Kreidezeichnung.
Vollständig veröffentlicht wurden die Güsse, die sich eindeutig Varisco zuschreiben ließen. Von den Medaillen ist zu einem Teil nicht mehr bekannt, wer sie schuf. Deshalb wurden aus dem Medaillenschatz nur 85 Stücke ausgewählt, von denen sicher feststand, dass Varisco der Urheber war. In einem Anhang präsentiert die Autorin 24 Medaillen, die sich in Variscos Besitz befanden, die aber eindeutig von anderen Künstlern geschaffen wurden.
Der von Eleonora Giampiccolo verfasste Katalog ist ein wertvoller Beitrag zur zeitgenössischen Medaillenkunst, der uns das Werk eines wichtigen und erfolgreichen Medailleurs des 20. Jahrhunderts nahe bringt. Was aber wirklich erschreckend ist, ist die Tatsache, wie schnell das Wissen um das Werk der Künstler geschwunden ist. Erminio Varisco starb am 29. März 2005. Und schon jetzt sind wir zum Großteil auf stilistische Überlegungen angewiesen, wenn wir erfahren wollen, welche Medaillen zu seinem Werk gehörten.
Das sollte uns zu denken geben. Informationen zu Lebzeiten eines Künstlers zu sammeln, mag wissenschaftlich vielleicht nicht so „sexy“ sein wie die Forschung über lange verstorbene Künstler, effektiv aber ist es auf jeden Fall!
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Mehr über das Münzkabinett des Vatikans finden Sie auf dieser Seite – und das auch noch in englischer Sprache!
Besonders viel gibt das Internet nicht zum Thema „Erminio Varisco“ her, aber auf dieser Seite finden Sie einige seiner Medaillen in Auswahl.