von Ursula Kampmann
16. Januar 2014 – Das Wort „Gutmensch“ ist in den letzten Jahren in Deutschland geradezu zu einem Schimpfwort geworden. Und fast den selben Beigeschmack hat der Beiname Ferdinands I. von Österreich, den man als den Gütigen bezeichnet. Man hat ihm seine weltfremde Einfachheit vorwerfen wollen, die ganz eigene Prioritäten setzte. Berühmt wurde er für Aussprüche wie „Ich bin der Kaiser, und ich will Knödel.“ Doch während keines dieser Zitate historisch verbürgt ist, weiß man, dass Ferdinand fünf Sprachen beherrschte, zwei Musikinstrumente spielte, die Landwirtschaft und die Gärtnerei liebte und von der modernen Technik geradezu begeistert war.
Geboren 1793, in Wien erlebte Ferdinand in seiner Kindheit den Aufstieg Napoleons mit. Er war ein etwas zurückgebliebenes Kind, das noch dazu mit Krankheiten wie der Epilepsie zu kämpfen hatte. Seine Eltern trauten ihm nicht viel zu. Deshalb sorgte der Vater testamentarisch dafür, dass Ferdinand nach dessen Tod 1835 zwar Kaiser wurde, aber ohne selbst zu herrschen. Das tat ein Kabinettsrat bestehend aus dem allgegenwärtigen Metternich, dem Erzherzog Franz Karl, Lieblingssohn des Verstorbenen, und dem Innenminister Kolowrat-Liebsteinsky. Nun hätte sich Ferdinand gegen diese Bevormundung wehren können. Er tat es nicht. Genauso wie er sich nicht wehrte, als ihn der engste Kreis der Familie anlässlich der Revolution von 1848 zwang, zugunsten seines Neffen Franz Joseph zurückzutreten.
Tomas Kleisner, Medals of the Emperor Ferdinand the Good (1793-1875). Collection of the National Museum, Prague. National Museum, Prag, 2013. 192 S., 21 x 29,8 cm, durchgehend farbige Abbildungen. Paperback, Klebebindung. ISBN: 978-80-7036-396-6. Preis: 300 CZK (= 12 Euro) + Porto und Verpackung.
All diese Informationen und noch viel mehr darüber hinaus liefert die interessant geschriebene und reich bebilderte Einleitung von Tomas Kleisner zum Leben von Kaiser Ferdinand. Es folgt ein sehr informativer Text zur Bedeutung von Medaillen im 19. Jahrhundert. Hier schildert der Autor zum Beispiel, wer in den Entscheidungsprozess über eine offizielle Medaille zu Ehren des Kaisers involviert war, oder wie der private Verkauf der Medaillen durch die Münzstätte geregelt wurde. Ferner gibt es ein Kapitel zur Münzprägung des Kaisers sowie zu den Beständen des Nationalmuseums in Prag.
Auf S. 52 beginnt dann das Kernstück dieses Buchs, der Katalog der Medaillen. Er ist vorbildlich, und man würde sich wünschen, dass mehr Autoren so viel Mühe wie Tomas Kleisner auf die exakte Beschreibung der Darstellungen, auf die Suche nach Vorbildern in anderen Medien und auf die Kommentierung aufwenden würden. Es ist ein optisches Vergnügen, die guten Bilder und die vielen zusätzlichen Illustrationen zu betrachten. Jedes Stück ist in einem Metall abgebildet. Anlass, Prägeort, Stempelschneider und das Jahr der Ausgabe werden im Titel angegeben. Nach den Inventarnummern und numismatischen Details der in Prag vorhandenen Stücke folgt eine exakte Beschreibung der Darstellung mit Angabe der meist lateinischen Legende, die ins Englische übersetzt ist. Im Kommentar findet man dann alles Mögliche an Interessantem zum Ereignis selbst, zum Stempelschneider oder dieser speziellen Ausgabe. Ausführliche Literaturangaben schließen den Eintrag ab.
61 Medaillen werden in diesem vorbildlichen Katalog vorgestellt, der eine echte Bereicherung ist für jede Bibliothek. Die 17 weiteren bekannten Medaillen von Ferdinand dem Gütigen, von denen Fotos bekannt sind, sind im Vorwort abgebildet, beschrieben und im Index aufgelistet, so dass ein komplettes Corpus vorliegt! Tomas Kleisner bleibt das Verdienst, nicht nur ein wunderbares Buch geschrieben, sondern dazu den tschechischen Text ins Englische übersetzt zu haben, um das Buch so einer internationalen Gemeinschaft zugänglich zu machen.
Wenn Sie an dem Kauf dieses Buches interessiert sind, schicken Sie dem Autor ein E-Mail. Es gibt übrigens nur 200 Exemplare des Katalogs, und ich empfehle jedem, sich sein Exemplar möglichst schnell zu sichern.