Die Medici – eine prunkvolle Ausstellung in Mannheim

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21. Februar 2013 – Die Ausstellung „Die Medici – Menschen, Macht und Leidenschaft“ entführt nach Florenz, in die Stadt, die untrennbar mit dem Schicksal der berühmten Familie verbunden ist. Der Besucher betritt zunächst die Basilika San Lorenzo. Dort wurden fast alle berühmten Medici bestattet. Eine Inszenierung gibt einen Einblick in die Grablegen der Familie, ein großer Stammbaum entwirrt das komplizierte Familiengeflecht. Am Anfang des Ausstellungsprojekts stand eine Forschungskooperation zwischen den Reiss-Engelhorn-Museen und der Universität Florenz. Die Ergebnisse der Forschung über Lebensumstände, Krankheit und Todesursache verschiedener Familienmitglieder der Medici fließen in die Ausstellung ein. Zur Einstimmung bekommt der Besucher einen Einblick in die Arbeit der Forscher und ihre Methoden.

Plakatmotiv. © Curt-Engelhorn-Stiftung für die Reiss-Engelhorn-Museen.

Danach macht er sich auf die Reise durch mehr als 350 Jahre Familiengeschichte. Er lernt schillernde Mitglieder wie Lorenzo den Prächtigen, die beiden Päpste der Familie, den Söldnerführer Giovanni dalle Bande Nere oder Großherzog Cosimo I. kennen. Anhand ausgewählter Personen spannt die Ausstellung den Bogen vom Aufstieg der Familie im 14. Jahrhundert bis zu ihrem Niedergang im 18. Jahrhundert – vom Gründungsvater Giovanni di Bicci (1360-1429) bis zur letzten Medici, der Kurfürstin Anna Maria Luisa von der Pfalz (1667-1743). Zwölf Themenblöcke präsentieren das Auf und Ab einer der berühmtesten Familien der Welt.
Im Mittelpunkt stehen die Menschen mit ihren Leidenschaften, unterschiedlichen Charakteren, Schicksalsschlägen und Krankheiten. Verschiedene Exponatgruppen fügen sich zu einem facettenreichen Bild zusammen. Prachtvolle Porträts von bedeutenden Malern wie Bronzino stehen neben ungewöhnlichen Alltagsgegenständen, wie beispielsweise dem Rasierbesteck von Papst Clemens VII. oder dem Buch mit den schwarzen Konten der Medici-Bank von Cosimo il Vecchio, Schädelabgüssen und speziellen für die Ausstellung angefertigten Computeranimationen, die die Gebrechen und Krankheiten der Medici hinter der schönen Fassade zeigen. Goldschätze, Rüstungen, kostbare Bücher, Schmuck und prunkvolle Gewänder lassen die große Epoche der Medici wieder aufleben.

Goldflorin aus dem Schatzfund von Willanzheim, Lkr. Kitzingen. © Staatliche Münzsammlung München, Nicolai Kästner.

Anhand der Familie Medici werden in den einzelnen Ausstellungsbereichen aber auch bedeutende Themen ihrer Zeit behandelt, wie zum Beispiel das Bankwesen, die Medizin in der Renaissance, das Aufkommen eines neuen Weltbildes mit Galileo Galilei oder die Begeisterung für Alchemie. Der Besucher lernt mit Calcio Storico eine der brutalsten Sportarten der Welt kennen und erfährt mehr über das Militär in der Renaissance oder die Erziehung junger adeliger Mädchen.

Alte Sakristei der Basilika San Lorenzo, Florenz. © Donatella Lippi.

Kein Ort der Ruhe – Die Grablegen der Medici in San Lorenzo
Die Medici wurden anfangs nur in der Alten und der Neuen Sakristei von San Lorenzo bestattet. Als dort der Platz nicht mehr ausreichte, kamen 1791 alle freistehenden Särge zunächst in ein Zwischenlager und 1857 in die Krypta der Medici-Kapellen. Im Zweiten Weltkrieg wurden die in der Neuen Sakristei über den Gräbern thronenden Statuen Michelangelos in Sicherheit gebracht. Ihre Rückführung nach Kriegsende gab Anlass, verschiedene Gräber von Mitgliedern der Familie Medici im Komplex von San Lorenzo zu öffnen und zu untersuchen. Obwohl einige Körper durch Einbalsamierung mumifiziert waren, wurden alle Überreste von anhaftendem Gewebe befreit. Nach ihrer Vermessung wurden die Knochen 1947 in kleinen Zinkkassetten in die Grablegen zurückgeführt. 1966 überflutete das Hochwasser des Arno die Krypta und beschädigte die Gräber. Seit 2004 haben Forschergruppen erneut damit begonnen, verschiedene Familienmitglieder zu exhumieren und mit interdisziplinären Methoden zu untersuchen.

Kluge Strategen, Visionäre und starke Persönlichkeiten
Die Medici waren anfangs weder wohlhabend noch hochgeachtet. Es war Giovanni di Bicci, der die Medici-Bank 1393 von einem Verwandten übernahm und somit die Grundlage für den Reichtum seines Zweiges der Familie schuf. Er war Geschäftsmann und hielt, anders als seine Nachfolger, nur wenig von politischen Ämtern.

Porträt Großherzog Cosimo I. © Su Concessione del Ministero per i Beni e le Attività Culturali.

Sein Sohn Cosimo der Ältere führte die Geschäfte weiter und machte aus der Bank ein mächtiges Finanzunternehmen. Er begründete auch die politische Macht der Medici, indem er Ämter bekleidete und ein großes Netz mit einflussreichen „Klienten“ knüpfte. Piero „der Gichtige“, Sohn von Cosimo dem Älteren, konnte in den vier Jahren seiner Führung nur in geringem Maße seine persönliche Note in die Familiengeschichte einbringen, er sorgte aber dafür, dass seine Söhne den Aufstieg der Familie fortsetzen konnten. Alle Handlungen dieser Männer waren in die Zukunft gerichtet, auf eine Vision von Macht und Reichtum für ihre Familie, die aber nur allmählich verwirklicht werden konnte.

Prunk, Macht und Verschwörung
Als Lorenzo der Prächtige mit 20 Jahren Familienoberhaupt wurde, waren die Medici eine sehr reiche und sehr mächtige Familie mit vielen Freunden und vielen Feinden.

Porträt Lorenzo il Magnifico de‘ Medici. © Su Concessione del Ministero per i Beni e le Attività Culturali.

Wie stark letztere waren, zeigt sich an der so genannten Pazzi-Verschwörung und dem ihr nachfolgenden Krieg, aus dem Lorenzo sich und Florenz nur durch Glück und politische Genialität retten konnte. Sein Bruder Giuliano überlebte die Verschwörung nicht. Die Macht der Familie festigte sich durch die Ereignisse, doch Florenz blieb weiterhin eine Republik und ein sehr hoher Aufwand war nötig, um die Vorrangstellung der Medici zu sichern. Unter Lorenzo schrieb die Bank hohe Verluste, aber das Mäzenatentum der Medici wurde von ihm fortgeführt und ausgebaut. Er war selbst Dichter und förderte die Künste. Nach dem Tod von Lorenzo dauerte es nur zwei Jahre, bis die Medici aus Florenz verjagt wurden. Sie kehrten erst 1512 nach zahlreichen Schwierigkeiten zurück.

Leo X. und Clemens VII. – Zwei Päpste der Medici
Giovanni de’ Medici wurde 1475 als Sohn Lorenzos des Prächtigen geboren und war wie viele zweitgeborene Söhne für eine kirchlich Laufbahn bestimmt. Im Alter von 13 Jahren wurde er aus politischem Kalkül von Papst Innozenz VIII. zum Kardinal ernannt.

Porträt Papst Leo X. mit den Kardinälen Luigi de‘ Rossi und Giulio de‘ Medici. © Su Concessione del Ministero per i Beni e le Attività Culturali.

Unter Papst Alexander VI. kehrte er zeitweise nach Florenz zurück, wo er nach dem Tod seines Bruders Piero die Familienführung übernahm. 1513 bestieg er als Leo X. den Papstthron. Sein Pontifikat war vom Konflikt mit Luther und einem ausufernden Ablasshandel geprägt. Er legitimierte die Geburt seines Cousin Giulio, des unehelichen Sohns von Giuliano de’ Medici, und verhalf ihm zum Kardinalsamt. Nach Leos Tod 1521 wurde Giulio im zweiten Anlauf 1523 zum Papst gewählt. Als Clemens VII. verheiratete er seine Verwandte Caterina mit dem zukünftigen französischen König, musste aber bis zu seinem Tode 1534 auch die Abspaltung der anglikanischen Kirche, die Reformation und die schmähliche Plünderung Roms durch kaiserliche Truppen hinnehmen.

Die Eltern einer Königin
Seit der Vertreibung 1494 arbeiteten die Medici ununterbrochen daran, nach Florenz zurückzukehren. 1512 reiste der jüngste Sohn von Lorenzo dem Prächtigen, Giuliano Herzog von Nemours, mit seinem Neffen Lorenzo, Sohn von Piero dem Unglücklichen, nach Florenz.

Porträt Lorenzo Herzog von Urbino. © Su Concessione del Ministero per i Beni e le Attività Culturali.

Obwohl sie keine Machtansprüche erhoben, wurden sie sehr misstrauisch empfangen, ein geplanter Anschlag auf sie wurde aber vereitelt. Papst Leo X., zweiter Sohn Lorenzos des Prächtigen, unternahm alles, um seine Familie wieder in Amt und Würden zu setzen, und verhalf dem jungen Lorenzo nicht nur zum Titel des Herzogs von Urbino, sondern auch zu einer überaus vorteilhaften Heirat mit einer französischen Prinzessin, Madeleine de la Tour d’Auvergne. Doch Leos Pläne wurden durch den frühen Tod seines Bruders Giuliano, Vater eines kleinen unehelichen Sohnes, und seines Neffen Lorenzo durchkreuzt. Dieser hinterließ eine neugeborene Tochter, Caterina, die zukünftige Königin von Frankreich, und vielleicht einen unehelichen Sohn, den 9-jährigen Alessandro.

Beginn der Herrschaft und Ende einer Ära
Im Jahre 1530 schienen für die Medici die Zeiten des Chaos beendet und eine Ära der Sicherheit angebrochen: Alessandro, illegitimer Sohn von Lorenzo Herzog von Urbino oder von Papst Clemens VII., wurde von Kaiser Karl V. als Herzog von Florenz eingesetzt. Ippolito, unehelicher Sohn von Giuliano Herzog von Nemours, hatte zwar ebenfalls einen Anspruch auf die Macht in Florenz, wurde aber von Clemens zum Kardinal ernannt. Ippolito starb 1535 an Malaria. Er war auf einer Gesandtschaftsreise zum Kaiser, bei der er sich über das Betragen Alessandros beschweren wollte. Dieser wurde des Mordes bezichtigt, aber nicht überführt. Die Ehe zwischen Alessandro und Margarethe von Parma, einer unehelichen Tochter des Kaisers, blieb kinderlos. 1537 endete die Herrschaft der älteren Linie der Familie: Alessandro wurde durch seinen Verwandten Lorenzino ermordet. Der Rat der Stadt entschied sich dafür, den 17-jährigen Cosimo, Spross der jüngeren Linie, zum Herzog zu ernennen.

Ein politisch passender Kunstfehler
Giovanni di Bicci (1369-1428) hatte zwei Söhne: Cosimo il Vecchio und Lorenzo il Vecchio. Cosimo war der Stammvater der sog. älteren Linie der Familie, während Lorenzo die jüngere Linie begründete. Diese Linie, die nach finanzieller Ausbeutung durch Lorenzo den Prächtigen den Beinamen „Popolani“ annahm, um sich von dem älteren Zweig zu distanzieren, teilte mit ihm den Wohlstand, die Kunstförderung und das so genannten Medici-Syndrom, eine Mischung aus Arthritis, Wirbelsäulenversteifung und Schuppenflechte. Nur Lorenzos Macht teilte die jüngere Linie nicht, auch wenn ihre Mitglieder immer wieder in Machtspiele verwickelt waren, wie der begnadete Condottiere Giovanni de’ Medici, genannt „dalle Bande Nere“. Er kämpfte als Söldnerführer auf wechselnden Seiten und war ein gefürchteter Gegner. Dies mag der Grund gewesen sein, warum durch einen Kunstfehler aus einer schweren Verletzung eine tödliche Blutvergiftung wurde. Er erlebte nicht mehr, wie sein Sohn nach dem Aussterben der älteren Linie deren Macht übernahm und zur Vollendung brachte.

Endlich Fürst
Nach der Ermordung von Alessandro il Moro konnte ihn niemand direkt beerben: sein Sohn Giulio war erst vierjährig und illegitim. Es blieben aus der jüngeren Linie der Medici nur seine beiden Großcousins Lorenzino, der Mörder Alessandros, und Cosimo, damals 17 Jahre alt. Cosimo vereinte beide Zweige der Familie in sich, weil seine Mutter die Enkelin von Lorenzo dem Prächtigen war. Der Rat von Florenz entschied sich für Cosimo, da er ihn als leicht beeinflussbar ansah. Doch Cosimo war selbstbewusst, zielstrebig, stolz und sehr auf Macht bedacht. Er sorgte dafür, dass die Kinder Alessandros bei ihm aufwuchsen, und als Giulio seine Position anerkannte, ernannte er ihn zum ersten Ritter des Ordens vom Heiligen Stephanus, der die Piraten im Mittelmeer bekämpfen sollte. Er erweiterte sein Herrschaftsgebiet und arbeitete sein Leben lang darauf hin, den Rat auszuschalten, Alleinherrscher zu werden und einen königlichen Rang zu erreichen. Dies gelang ihm erst wenige Jahre vor seinem Tod, als der Papst ihn zum Großherzog der Toskana erhob. Der Kaiser sollte den Titel erst bei seinem Sohn anerkennen.

Keine glückliche Familie
Zwei Jahre nach dem Tod Eleonoras (1562) übergab Cosimo I. seinem Sohn Francesco die Regierungsgeschäfte und widmete sich seinem Privatleben. Francesco interessierte sich indessen mehr für Alchemie und Wissenschaft als für Politik und unterwarf sich Kaiser Ferdinand I. und dem König von Spanien, um politische Streitfälle zu vermeiden. Nach dem Tode Cosimos erkannte der neue Kaiser, Maximilian II., ihn als Großherzog an. Die Ehe zwischen Francesco und Johanna von Österreich, der Schwester des Kaisers, wurde nicht glücklich. Francesco hatte bereits eine Geliebte und Johanna war schweigsam, religiös und physisch benachteiligt. Die ersten sechs Kinder waren Töchter, von denen nur zwei das Erwachsenen alter erreichten. Der einzige Sohn Filippino, ihr siebtes Kind, war kränklich und hatte wegen der schwierigen Geburt einen Wasserkopf. Er wurde nur fünf Jahre alt. Kurz nachdem Johanna an der Folgen eines Gebärmutterrisses bei der achten Entbindung gestorben war, heiratete Francesco seine Geliebte Bianca Cappello. Sie starben neun Jahre später wenige Stunden nacheinander, vermutlich an Arsenvergiftung.

Worum dreht sich die Welt?
Nach dem Tod seines Bruders Francesco I. und dessen Frau Bianca Cappello riss Kardinal Ferdinando die Macht sofort an sich, und ehe sich eine Opposition bilden konnte, war er als Großherzog etabliert.

Porträt Großherzog Ferdinando I. als Kardinal. © Su Concessione del Ministero per i Beni e le Attività Culturali.

Da er nun Nachkommen zeugen musste, legte er, der zwar Kardinal war, aber die Priesterweihe nie erhalten hatte, den Purpur ab. Er heiratete Christiane von Lothringen, eine französische Prinzessin und Enkelin von Caterina de’ Medici. Es wurde eine prunkvolle Hochzeitsfeier, die in ganz Europa Beachtung fand. Ferdinando war sehr auf Majestät und guten Ruf bedacht. Noch heute wird er als tolerant und weitsichtig angesehen, seine Frau jedoch als bigott und machtgierig und seine Nachfolger als unfähig und frömmelnd. Die aktuelle Forschung zeichnet ein komplexeres Bild von dem Herrscherpaar, sie billigt Christiane Weltoffenheit und Regierungsgeschick zu und bescheinigt Ferdinando eine gewisse Portion Egomanie neben seiner Verdienste für die Toskana.

Die tragischen Frauen
Die Geschichte jeder mächtigen Familie wird in loyalen, ihrem Rang angepassten Chroniken festgehalten, aber auch in einer parallelen Geschichtsschreibung, die zuweilen einer deutlich anderen Sichtweise entspringt, wie derjenigen der ins Exil verbannten Florentiner oder verfeindeter Mächte. Oft gibt es mindestens zwei Versionen der Todesursache, vor allem wenn die Verstorbene eine schöne Frau aus dem Hause Medici war. Hier werden exemplarisch drei Frauen präsentiert: zwei Töchter und eine Schwiegertochter von Cosimo I. und Eleonora di Toledo. Um sie ranken sich Mordgeschichten, die eine aberwitzig (Maria), die andere weitgehend belegt (Dianora), die dritte noch ungeklärt (Isabella). Allen drei Frauen ist gemeinsam, dass ihr Grab bislang nicht identifiziert wurde und dass ihre letzte Ruhestätte in einem der Schächte in der Alten Sakristei vermutet wird. Bei Isabella hat sich dies dank der Gesichtsrekonstruktion bestätigen lassen. Im Fall der zwei anderen Frauen muss noch weiter geforscht werden.

Ungleiche Brüder
Man kann sich kaum unterschiedlichere Brüder vorstellen als Francesco und Carlo, zwei der fünf Söhne von Ferdinando I. und Christiane von Lothringen. Francesco, der ältere der beiden, war sehr fromm, sportlich und spielte gerne florentinischen Fußball, genannt Calcio, ein sehr hartes Ballspiel. Hierbei zog er sich eine Knieverletzung zu, die ihm schwer zu schaffen machen sollte. Der Jüngere, Carlo, dagegen war von Kindheit an schwächlich, schwer krank und konnte sich als Folge einer angeborenen Wirbelsäulenverformung kaum bewegen, war aber immer heiter. Trotz der unterschiedlichen körperlichen Verfassungen war es Francesco, der 19-jährig von Typhus dahingerafft wurde. Sein ständig kranker Bruder wurde Kardinal und erreichte das für seine Zeit hohe Alter von 71 Jahren.

Herrscherdämmerung
Zur Sicherung von Macht bedarf es eines männlichen Erben aus einer möglichst vorteilhaften Ehe. Cosimo III. und Marguerite-Louise d’Orléans, die nach ein paar Jahren aus Hass auf ihren Mann nach Frankreich flüchtete, hatten drei Kinder. Ferdinando, der Älteste, starb kinderlos vor dem Vater. Anna Maria Luisa hatte das Glück, in Johann Wilhelm II., Kurfürst von der Pfalz, einen liebevollen Ehemann zu haben. Die Ehe blieb aber kinderlos.

Porträt Großherzog Gian Gastone de‘ Medici. © Claudio Giusti.

Gian Gastone, der später seinem verstorbenen Bruder nachfolgen musste, wurde mit einer ihm völlig wesensfremden Frau verheiratet. Auch dieser Ehe entstammten keine Kinder. Der schwermütige Gian Gastone verfiel immer mehr in Depressionen und flüchtete allein zurück nach Florenz. Cosimo III. zwang nun seinen 48-jährigen Bruder Francesco Maria, der sich als Kardinal eigentlich sehr wohl fühlte, zur Dynastiesicherung in eine Ehe. Die 28 Jahre jüngere, von ihrem Ehemann angeekelte Eleonora Gonzaga weigerte sich, die Ehe zu vollziehen, und Francesco Maria starb zwei Jahre später. Gian Gastone versöhnte sich nie mit seiner Frau, und es wurde noch zu seinen Lebzeiten vertraglich ausgehandelt, dass Franz von Lothringen ihn beerben würde.

Anna Maria Luisa de’ Medici – Bindeglied zwischen Toskana und Kurpfalz
Die Ausstellung findet anlässlich des 270. Todestages von Anna Maria Luisa de’ Medici (1667-1743) statt. Sie war die letzte Vertreterin der Hauptlinie dieser bedeutenden Familie. Mit ihrem Tod im Jahre 1743 ging die Dynastie, die Jahrhunderte lang die Geschicke Florenz und Europas geprägt hat, zu Ende. Anna Maria Luisa hat ihre Spuren jedoch nicht nur in der Toskana hinterlassen, sondern auch in der Kurpfalz. Die einzige Tochter von Cosimo III. heiratete 1691 Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz (1658-1716).

Kurfürstin Anna Maria Luisa von der Pfalz, geborene Medici. © rem, Foto: Jean Christen.

Sie galt als schön und humorvoll, war musisch und sprachlich gebildet. Die Ehe mit Johann Wilhelm blieb zwar kinderlos, war aber trotzdem sehr glücklich. Das Paar teilte zahlreiche gemeinsame Interessen. Sie residierten in Düsseldorf, das sie zu einer kulturellen Blüte führten. Ihr Hof war bald Anziehungspunkt für bedeutende Künstler. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1716 kehrte Anna Maria Luisa in ihre Heimatstadt Florenz zurück. Hier wird sie auch heute noch hoch verehrt. Ihr ist es nämlich zu verdanken, dass die Kunstschätze, die die Medici über drei Jahrhunderte zusammen getragen haben, auf ewig in der Stadt am Arno bleiben. Sie handelte als letzte Erbin der Medici 1737 mit dem neuen Großherzog Franz von Lothringen einen Vertrag aus, den so genannten Patto di Famiglia. Dieser legte fest, dass die umfangreichen Kunstsammlungen der Medici Florenz niemals verlassen dürfen. Dort locken sie noch heute in den weltberühmten Museen der Stadt wie den Uffizien oder dem Palazzo Pitti jährlich Millionen Kulturinteressierte an.
Anna Maria Luisa starb nach zweijähriger Leidenszeit 1743. Sie wurde von den Florentinern mit allen Ehren zu Grabe getragen. Als Todesursache werden entweder die Spätfolgen der Syphilis oder Brustkrebs vermutet.

Die Exhumierung von Anna Maria Luisa de’ Medici
Zahlreiche historische Dokumente belegen, dass schon zu Lebzeiten das Wohlbefinden unterschiedlicher Familienmitglieder der Medici genau beobachtet und gesundheitliche Probleme schriftlich festgehalten wurden. Fast alle berühmten Familienmitglieder – mit Ausnahme der Königinnen und Päpste – wurden in der Basilika San Lorenzo in Florenz bestattet. Eine erste Exhumierung und Beschreibung der Leichname fand 1857 statt. Zwischen 1945 und 1949 erfolgten größere anthropologische Untersuchungen durch Giuseppe Genna. Seit 2004 untersuchen unterschiedliche Forschergruppen ausgewählte Mitglieder der Familie Medici mit modernen naturwissenschaftlichen Methoden.

Grabplatte Anna Maria Luisa de‘ Medici. © Wilfried Rosendahl, rem.

Eine wichtige Grundlage für die Ausstellung stellt die Forschungskooperation zwischen Prof. Donatella Lippi und ihrem Team von der Universität Florenz einerseits sowie dem German-Mummy-Project der Reiss-Engelhorn-Museen und seinen Partnern unter der Leitung von Dr. Wilfried Rosendahl andererseits dar. Seit 2010 geht das interdisziplinäre Team Rätseln der Medici auf den Grund.

Gemeinsam führten sie im Oktober 2012 die Exhumierung von Anna Maria Luisa de’ Medici (1667-1743) durch. Die letzte Vertreterin der großen Dynastie war nach ihrem Tod zunächst in der Neuen Sakristei bestattet worden. 1857 wurde der Sarg umgebettet und liegt seitdem in der Krypta von San Lorenzo.

Florenz wurde immer wieder von Hochwasserkatastrophen heimgesucht. Eine der schwersten ereignete sich im November 1966. Auch die Medici-Kapellen und die Krypta wurden dabei überschwemmt. Zahlreiche Gräber, wie zum Beispiel das von Gian Gastone, wurden durch das Hochwasser stark in Mitleidenschaft gezogen. Lange war nicht bekannt, welche Auswirkungen das Ereignis auf die Grablege von Anna Maria Luisa hatte. Aus diesem Grund beschlossen im Juni 2012 die kirchlichen und staatlichen Behörden, die Universität Florenz und die Reiss-Engelhorn-Museen die Exhumierung von Anna Maria Luisa de’ Medici. Ziel war die Dokumentation und der Erhalt der Bestattung sowie ihre wissenschaftliche Untersuchung.

Die Wissenschaftler wussten nicht, was sie bei der Graböffnung erwarten würde. Am 8. Oktober 2012 begannen die Kooperationspartner mit der einwöchigen Exhumierung. Sie entfernten die marmorne Grabplatte und bohrten ein Sondierungsloch. Beim Blick durch ein Endoskop war bereits zu erkennen, dass die Bestattung weitgehend ungestört war.

Exhumierung Anna Maria Luisa. © Wilfried Rosendahl, rem.

Die Wissenschaftler machten eine sensationelle Entdeckung. Anna Maria Luisa trug eine Krone. Allerdings handelte es sich dabei nicht um eine Totenkrone der Medici, wie sie bei ihrem Bruder Gian Gastone gefunden wurde, sondern um eine Kurfürstenkrone, den sogenannten Kurhut. Dieser gehörte wahrscheinlich ihrem Ehemann Johann Wilhelm von der Pfalz, der bereits 1716 starb und nach dessen Tod sie in ihre Heimat Florenz zurückgekehrt war. Vom Brustbereich abwärts war das Skelett mit völlig durchnässten, unregelmäßig gefalteten, dunkelroten Textilien bedeckt.

3D-Scan. © Wilfried Rosendahl, rem.

Verschiedene Bereiche waren von Schlamm überdeckt. Die Befundsituation wurde mit Hilfe eines 3D-Scan dokumentiert. Diese neue Methode erlaubt den Wissenschaftlern eine detailgetreue Dokumentation ohne die Bestattung zu stören. Nach dem 3D-Scan wurden Schlammablagerungen abgesaugt und zwei Medaillen, das Inschriftentäfelchen sowie die Jesusfigur vom Kreuz zur Restaurierung entnommen. Für naturwissenschaftliche Analysen wurde eine Knochenprobe genommen.
Von dieser Probe erhoffen sich die Experten weitere Erkenntnisse. Die Körper und die Eingeweide der Medici wurden separat bestattet. In der Alten Sakristei von San Lorenzo wurde ein Eingeweidekrug, auf dem der Name Anna Maria Luisa steht, gefunden. Anhand der im Oktober 2012 entnommenen Knochenprobe kann die DNA abgeglichen und der Krug eindeutig zugeordnet werden. Aufgrund von Gewebeproben aus dem Krug lassen sich Rückschlüsse auf Lebensumstände, Krankheit und Todesursache ziehen. Bisher gibt es verschiedene Vermutungen, woran Anna Maria Luisa gestorben ist.
Manche Quellen sprechen von Syphilis, andere von Brustkrebs. Auf Basis der Daten des 3D-Scans wurde im 3D-Labor der Reiss-Engelhorn-Museen eine bis hin zur Farbigkeit detailgetreue Reproduktion des Schädels mit Krone aus Spezialgips angefertigt.

3D-Druck. © Wilfried Rosendahl, rem.

Hierfür bedienten sich die Experten einer neuen Methode, die ursprünglich aus der Industrie stammt, aber auch für die Wissenschaft viele Möglichkeiten bereithält: eines 3D-Drucks.
Auch die Kurfürstenkrone erstrahlt wieder im Glanz längst vergangener Zeiten. Der Juwelier und Schmuckdesigner Georg Hornemann aus Düsseldorf und das Atelier für Textilrestaurierung der Reiss-Engelhorn-Museen rekonstruierten den Kurhut, der wieder mit Anna Maria Luisa rückbestattet wurde. Dieses Schmuckstück aus vergoldetem Kupfer, rotem Samt und Hermelin ist in der Ausstellung zu bewundern.
Darüber hinaus gibt der Einführungsbereich der Ausstellung einen Einblick in die Arbeit des Forschungsteams. Hier läuft u.a. ein Film von der Exhumierung und es werden die Methoden der Wissenschaftler vorgestellt.

Die Geschichte von Anna Maria Luisa de’ Medici zum Nachhören in einem Audio-Podcast von Jörg Tröger.

Alle Informationen zur Ausstellung finden Sie auf der eigens eingerichteten Seite der Reiss-Engelhorn-Museen Medici 2013.