von Ursula Kampmann
17. Dezember 2015 – Die Zeit des Eisernen Vorhangs hat es uns vergessen lassen: Mitteleuropa – mit Böhmen, Ungarn und Polen – war einst genauso ein Zentrum des internationalen Handels wie das deutsche Rheinland und die französische Champagne. Kein Wunder, waren der Prager Groschen und der ungarische Gulden ein Erfolgsmodell. So bringt der neue Katalog von Jedrzej George Frynas ein bisschen historische Gerechtigkeit, indem er die mittelalterlichen Münzen von Böhmen, Ungarn, Polen und Schlesien in einem Katalog zusammenstellt:
Jedrzej George Frynas, Medieval Coins of Bohemia, Hungary and Poland. London 2015, Spink. 340 S., durchgehend farbig bebildert, dazu zahlreiche Tabellen. Hardcover. 14,5 x 22,3 cm. ISBN 978-1-907427-52-7. 45 Pfund.
Dieser neue, von Spink herausgegebene Typenkatalog ist kein Preiskatalog, aber er orientiert sich an dem, was wir inzwischen von Preiskatalogen gewohnt sind. Jedem der vier Gebiete ist eine historisch-numismatische Einleitung vorausgeschickt. Es folgt der Katalog, zunächst streng chronologisch nach Herrschern geordnet. Jedem Herrscher ist seinerseits eine kleine Biographie gewidmet, bevor der reich bebilderte Katalog kommt.
Wenn man sich genauer in das Buch vertieft, wird man angenehm überrascht. Da ein ausführliches Inhaltsverzeichnis genauso fehlt wie ein Stichwortindex glaubt man zunächst, den Index der Herrscher am Ende des Buches als Inhaltsangabe lesen zu müssen. Tatsächlich hat der Autor aber auch die Prägungen der Städte, der Bistümer und Herrschaften miteinbezogen. Wobei es für diese „Nebengebiete“ leider keine Einführungen gibt, was schade ist, denn zu den dort vorkommenden Persönlichkeiten und Gebieten fehlt in der allwissenden Wikipedia häufig die Information.
Aber das ist ein bisschen kleinlich, freuen wir uns lieber an dem unglaublichen Material, das der Autor zusammengetragen hat. Über 1.600 Münztypen sollen in seinem Katalog abgebildet sein, was anders herum heißt, dass noch wesentlich mehr Typen katalogisiert sind. Nachzählen geht leider nicht, da der Autor ein etwas kompliziertes System für die Nummerierung gewählt hat, das die Anfangsbuchstaben des Münzherren mit einer Zahl für den Fürsten und dem untergeordnet, eine Zahl für die Prägung enthält. Es wird also beim Zitieren unumgänglich sein, die Seitenzahl zu nennen, um eine Münze leicht wieder auffindbar zu machen.
Die meisten Münzen sind entweder mit Foto oder – für die mittelalterlichen Prägungen fast besser – mit Zeichnungen illustriert. Außerdem ist jeder Nummer eine kurze Beschreibung beigegeben, dazu ein Literaturzitat. Zwar hat sich der Autor entschieden, keine Preise zu nennen, aber er gibt dem Sammler mit Seltenheitsangaben eine nützliche Hilfestellung.
Ein Glossar numismatischer Begriffe sowie der deutschen Namen von Prägeorten, ein kleiner Beitrag zu zeitgenössischen „Fälschungen“, Literaturhinweise und ein vorbildliches Abbildungsverzeichnis ergänzen das Buch.
Für Menschen, die sich mit mittelalterlichen Prägungen kaum auskennen, ist der Katalog von Frynas ein Geschenk. Man kann darin blättern, bis man einen Münztyp findet, der dem ähnelt, den man bestimmen möchte. Es ist ein Bilderbuch im besten Sinne, ein Buch, das auch dem Nicht-Spezialisten ermöglicht, eine Münze korrekt zu bestimmen.
Allerdings kann man das Buch auch nicht ohne reichliches Blättern benutzen. Hier dürften sich viele Nutzer für die zweite Auflage ein ausführliches Inhaltsverzeichnis, vielleicht gar einen Stichwortindex wünschen. Und bei der vielen Arbeit, die in diesem unglaublich reichhaltigen Katalog steckt, sollte es ja an diesen beiden Kleinigkeiten nicht scheitern.
Hier können Sie das Buch direkt bestellen.