Die Münzen des mittelalterlichen Hochstifts Würzburg

Hubert Ruß, Die mittelalterlichen Münzen des Hochstiftes Würzburg. Münzgeschichte und Katalog der Prägungen von ca. 900 bis 1495. München 2020. 514 S. mit ca. 1.400 farbigen Abb. Hardcover, Fadenbindung. 22 x 30 cm. ISBN 978-3-98137-192-5. 95 Euro.
[bsa_pro_ad_space id=4]

Bücher spiegeln die Erfahrungen der Menschen, die sie geschrieben haben, und so merkt man diesem Buch von der ersten Seite an an, dass sich sein Autor Hubert Ruß in seinem Leben über viel zu viele Zitierwerke geärgert hat, die wegen ihres chaotischen Aufbaus nur mit großem Zeitaufwand zu benutzen sind. Sein neues Standardwerk zu den „mittelalterlichen Münzen des Hochstiftes Würzburg“ ist klar gegliedert, umfassend und mit viel Liebe und Wissen geschrieben.

 

Wissenschaftler und Münzhändler

Hubert Ruß ist Wissenschaftler und gleichzeitig Münzhändler und das sieht man seinem Buch an. Der Wissenschaftler zeigt sich an der geballten Information und der fundierten Recherche, der Münzhändler kommt zum Vorschein bei der praxisorientierten Aufbereitung des Materials. Dem Autor ist also eine Art Quadratur des Kreises gelungen: Er hat ein Werk verfasst, das höchsten wissenschaftlichen Anforderungen genügt, für Münzhändler leicht zu benutzen ist und Münzsammler genau mit dem Lesefutter versorgt, das Münzen für sie so spannend macht.

 

Das Bistum Würzburg: Vom Frühmittelalter bis zum 15. Jahrhundert

Aber von Anfang an: Es soll Bonifatius höchstpersönlich gewesen sein, der Mitte des 8. Jahrhunderts ein Bistum im strategisch günstig gelegenen Würzburg einrichtete. Durch Würzburg fließt der Main, der Fluss also, der über Frankfurt in den in den Rhein fließt und so das reiche Böhmen mit den mittelalterlichen Handels- und Handwerkszentren im Rheinland und Flandern verbindet. Würzburg war ein Verkehrsknotenpunkt. Und wer diesen Knotenpunkt kontrollierte, war von höchster politischer und wirtschaftlicher Bedeutung für das Reich. Kein Wunder, dass die deutschen Könige relativ früh den Würzburgern Anteil an ihrem Münzprivileg gaben. Die früheste, bisher bekannte Würzburger Münze wurde bereits unter Ludwig dem Kind (899-911) geprägt! Und viele Jahrhunderte lang übten in Würzburg deutsche Könige das Prägerecht parallel zu den Bischöfen aus.

Ein Typenkatalog mit vielen Extras

Hubert Ruß fasst diese frühmittelalterlichen Prägungen bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Würzburger Bischöfe das Prägerecht allein übernahmen, in einem Kapitel zusammen.

Ab Erlung (1106-1121) bis Rudolf II. von Scherenberg (1466-1495) ist jedem einzelnen Bischof ein Kapitel gewidmet. Hier ist der Aufbau identisch: Vita, Münzgeschichte, Katalog.

Hubert Ruß präsentiert die Biographie jedes einzelnen Bischofs und seines historischen Umfelds – und zwar nicht im Wikipedia-Stil! Seine Viten sind kleine Essays, in denen die Finanzpolitik eine entscheidende Rolle spielt, so es die Quellenlage hergibt.

Es folgt die Münzgeschichte des jeweiligen Bischofs. Der Autor gibt darin den bischöflichen Münzen ihren wirtschafts- und geldgeschichtlichen Hintergrund, und zwar sowohl auf lokaler als auch auf überregionaler Ebene. Wie viel Arbeit in dem Buch steckt, sieht man gerade an diesen Einleitungen zum Katalog.

Der ist natürlich auch beeindruckend: Es handelt sich um einen Typenkatalog mit einem Foto und einer ausführlichen Beschreibung pro Typ. Alle Schriftvarianten sind – ohne zusätzliche Fotos – aufgelistet, nicht etwa weil es problematisch gewesen wäre, die Fotos zu beschaffen, sondern weil es für den Nutzer so einfacher ist, die Münze zu bestimmen. Eine umfangreiche Aufstellung, wo dieser Münztyp zu finden ist, und zwar in Münzkabinetten, Literatur, Hortfunden und in Auktionskatalogen zeigt, wie häufig oder selten ein bestimmtes Stück ist.

 

Konzentration auf das Wesentliche

Das von prograph schön und übersichtlich gestaltete Buch beeindruckt durch seinen Verzicht auf alles Überflüssige. Das Grußwort des Bezirkstagspräsidenten ist unaufgeregt auf eine linke Seite gedrängt. Und sogar sein Vorwort nutzt der Autor noch dafür, die Forschungsgeschichte kurz zusammenzufassen.

Und doch ist alles da, was man sich wünschen mag: Eine Übersicht zu Münzpersonal und Münzstätten, mehrere Verzeichnisse der Hortfunde, unterschiedlich geordnet, und zwar alphabetisch, chronologisch und geographisch, Informationen zu den Gewichten, Quellen-, Literatur- und Abbildungsnachweis …

Besonders dankbar aber wird jeder Münzhändler Hubert Ruß für seine Konkordanzen und die Monogramm-Konkordanz sein, die einem im Alltag des Münzbestimmens unendlich viel Zeit sparen wird!

Und last but not least muss man erwähnen, dass Hubert Ruß seinem Buch ein Register beigibt, das sich eben nicht – wie aus Zeitmangel heutzutage üblich – auf Namen und Orte beschränkt, sondern auch Sachthemen, Motive u. a. beinhaltet.

Ich mag Bücher, denen man ansieht, dass sie nicht geschrieben wurden, um der Eitelkeit eines Autors zu schmeicheln, sondern weil die numismatische Welt sie braucht und benutzen soll. Dies ist ein Buch zum Brauchen. Selbst für diejenigen, die bisher mittelalterliche Münzen schwer bestimmbar fanden.

 

Bestellen können Sie das Buch bei Künker für 95 Euro.

Und wenn Sie mehr über den Autor lernen möchten, lesen Sie unseren Who’s-Who-Beitrag zu Hubert Ruß.