von Ursula Kampmann
24. Mai 2018 – Dass die Schweiz und ihre Schützen ein ganz besonderes Verhältnis haben, zeigt schon die erste Seite der 2. Auflage des Erfolgstitels aus der Feder von Jürg Richter. Das erste von insgesamt fünf Vorwörtern schreibt nämlich Guy Parmelin, schweizerischer Bundesrat und zuständig für das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport. Wo man stolz ist auf sein Milizsystem, bei dem die Wehrpflichtigen in regelmäßigen Abständen ein Pflichtschießen absolvieren, spielt der Schießsport eine entscheidende Rolle für die Identität. Deshalb ist der Katalog von Jürg Richter über „Die Schützentaler und Schützenmedaillen der Schweiz“ nicht „nur“ ein reiner Münzkatalog. Er ist ein Ausflug in das Schweizerische Selbstverständnis, eine numismatische Anmerkung zur „bewaffneten Neutralität“ à la Suisse.
Jürg Richter, Die Schützentaler und Schützenmedaillen der Schweiz / Swiss shooting thalers and shooting medals / Monnaies et médailles de tir Suisses / Monete e medaglie di tiro de la Svizzera. Battenberg Gietl Verlag, Regenstauf 2018. 2. Auflage. 559 S., durchgehend farbige Abbildungen. 24,8 x 28,5 cm. Hardcover. ISBN: 978-3-86646-162-8. 85 Euro.
Viele Leser werden die erste Auflage des Buches kennen. Es handelt sich um einen Katalog aller Medaillen, die im Rahmen von Schützenfesten als Auszeichnungen oder Erinnerungen geprägt wurden. Aber Achtung: Es geht nicht um Medaillen, auf denen ein Schütze abgebildet ist. Schulprämien, Medaillen zu Festen des Grütlivereins, von Militärveteranenvereinen, Unteroffiziersmedaillen und ähnliches wurden ganz bewusst weggelassen.
Jede einzelne Schützenmedaille ist abgebildet, das Jahr der Prägung, der Ort des Schießens und der genaue Anlass angegeben. Geordnet sind die Prägungen nach Kantonen, innerhalb der Kantone chronologisch. Vom ersten bis zum letzten Stück wird eine durchlaufende Nummerierung vergeben. Zu den Nummern existieren Unternummern (a, b, c), die unterschiedliche Metalle bzw. Durchmesser auflisten. Für jede Unternummer sind zwei Preise für „sehr schön bis vorzüglich“ bzw. „FDC“ angegeben.
Soweit so gut. Das Prinzip ist für die 2. Auflage geblieben, aber dazu kamen mehrere hundert neue Medaillen als A-Nummern. Außerdem wurden erstmals die wichtigsten und häufigsten Kranzabzeichen mit aufgenommen. Für alle Nicht-Schweizer: Kranzabzeichen erhält jeder Teilnehmer eines Schießens ab einer gewissen Punktezahl. Erst nach dieser Vorausscheidung findet der eigentliche Wettbewerb zwischen den Besten statt.
Außerdem hat Jürg Richter, der alle Fotos für sein Buch selbst gemacht hat, die vorhandenen Fotos verbessert, sobald er irgendwo ein neues, besser erhaltenes Stück gefunden hat.
Neu hinzugekommen sind außerdem die Hinweise zum Marktverfügbarkeit, die häufig eklatant von den Prägezahlen abweichen. Gerade die silbernen Stücke wurden oft wegen ihres Materialwerts eingeschmolzen, so dass die Auflage allein für die Seltenheit einer Medaille nichts aussagen kann. Deshalb gibt Jürg Richter die von ihm geschätzte Zahl der auf dem Markt frei verfügbaren Stücke zusätzlich an.
Und er hat der Tatsache Rechnung getragen, dass Schützenmedaillen sehr gerne in der englischsprachigen Welt, vor allem in den USA gesammelt werden. Deshalb ist die Einleitung durchgehend ins Englische übersetzt. Der Katalog enthält in komplizierteren Fällen – zum Beispiel bei den Anmerkungen – ebenfalls englische Übersetzungen.
Zwei Buchvorstellungen an einem Abend: Von l. nach r.: Ruedi Kunzmann, Karl Weisenstein und Jürg Richter. Foto: UK.
Ein 47(!) Seiten umfassender Index erschließt das schwergewichtige Buch. Deren Druck ist so klein, dass man sehr gute Augen (oder eine Lupe) braucht, um den Index zu konsultieren. Gut, dass die Lupe zur Grundausstattung eines Numismatikers gehört.
Wollen wir hoffen, dass dieser Katalog auch in den Vereinigten Staaten die Aufmerksamkeit erhält, die er verdient. Denn die Kenntnis der Hintergründe zu den Schweizer Schützenmedaillen scheint manches zu wünschen übrig zu lassen. So lässt es sich der Autor nicht nehmen, einen Wunsch seinerseits zu nennen bzw. seine Verärgerung über eine unsinnige Praxis beim Grading von Schützenmedaillen zum Ausdruck zu bringen: „In jüngster Zeit werden Schweizer Schützenmedaillen sehr oft durch die beiden amerikanischen Grading-Firmen PCGS und NGC beurteilt. Da diese Firmen Münzen und Medaillen mit Henkelspuren grundsätzlich nicht beurteilen, muss hier in aller Deutlichkeit erwähnt werden, dass bei Schützenmedaillen der Schweiz Henkelspuren absolut normal sind und, im Sinne einer Ausnahme, auch von PCGS und NGC beurteilt werden sollten. Dies gilt ebenfalls für die wenigen original gelochten Medaillen (Typ D). Als Referenz, welche Medaillen original gelocht wurden, gilt der vorliegende Katalog. Analog zu den Schützenmedaillen mit Henkelspuren sollten auch diese original gelochten Medaillen von PCGS und NGC beurteilt werden.“
Dies scheint vernünftig und sinnvoll. Der neue Katalog von Jürg Richter ist der schlagende Beweis, dass der Autor im Moment die bestinformierte Autorität in Sachen Schweizer Schützenmedaillen ist. Und auf echte Autoritäten sollte man hören, vor allem wenn man selbst den Anspruch erhebt, eine zu sein.
Kaufen können Sie das Buch hier.
2016 erhielt Jürg Richter den Otto-Paul-Wenger Preis. Die MünzenWoche berichtete.
Jürg Richter leitet das Zürcher Auktionshaus Sincona. Im Rahmen der Mai-Auktionen wurde die Neuauflage der „Schützentaler und Schützenmedaillen der Schweiz“ vorgestellt.