6. April 2017 – Zum 100. Jahrestag der Russischen Revolution beleuchtet eine Sonderausstellung im Erweiterungsbau des Landesmuseum Zürich die Beziehungen der Schweiz und Russland in einer Zeit des Umbruchs. Die Ausstellung erzählt anhand von Fotos, Dokumenten, Kunstgegenstände und Gemälden die Geschichte Russlands in dieser Epoche und die Auswirkungen auf die Schweiz. Es ist eine Geschichte von erstaunlich engen Verflechtungen zweier höchst unterschiedlicher Länder.
Die Schweizer Behörden schenkten den russischen Emigranten wenig Beachtung. Erst nach der Oktoberrevolution wird die Bedeutung Lenins wahrgenommen. Schweizer Illustrierte Zeitung, Nr. 50, 15.12.1917. Foto: © Schweizerisches Nationalmuseum.
Im 19. Jahrhundert galt Russland als eines der wichtigsten Auswanderungsländer für Schweizerinnen und Schweizer. Bis 1917 sind es über 20.000, die als Unternehmer, Bäcker, Käser oder Lehrerinnen und Gouvernanten in Russland ein neues Leben beginnen. Die Migration verläuft aber auch in umgekehrter Richtung. Der wohl berühmteste Exilant war Lenin. Über sechs Jahre lebte der Revolutionär in Genf, Bern und Zürich und bereitete sich von hier aus auf den Umsturz vor. Sein Schreibtisch aus der Zürcher Wohnung an der Spiegelgasse 14 steht in der Ausstellung symbolisch für diese Zeit. Doch auch für russische Künstler, Intellektuelle und andere Revolutionäre ist die Schweiz ein Sehnsuchtsort. Als liberale Demokratie und außenpolitisch neutraler Staat garantiert sie die Meinungs- und Pressefreiheit. Zudem ist es Frauen – anders als in Russland – erlaubt, an einer Universität zu studieren. 1910 leben in der Schweiz knapp 8500 Personen aus dem europäischen Russland, die Hälfte davon in Zürich.
Zar Alexander III. schenkt dem Arzt Dr. Johann Mezger eine Tischuhr in Form eines Fabergé-Eis. Die von vom Juwelier Peter Carl Fabergé hergestellten Preziosen gelten im Zarenreich als Inbegriff von Pracht und Kostbarkeit. Peter Carl Fabergé, Fabergé Ei, Tischuhr mit Moser-Uhrwerk in Form, 1893. St. Petersburg. Foto: © Fondation Igor Carl Fabergé, Genève.
Die Schweizerinnen und Schweizer leben in Russland in einem agrarischen Vielvölkerreich, das von großen sozialen Gegensätzen geprägt ist. Während russische Bauern am Existenzminium leben, umgibt sich die autokratische Zarenherrschaft mit Luxus und Pracht. Ein Fabergé-Ei mit einem integrierten Uhrwerk der Firma Moser & Cie, gegründet vom Schaffhauser Auswanderer Heinrich Moser, zeugt davon. Kunstwerke der Russischen Avantgarde illustrieren den Aufbruch, der ab 1900 spürbar wird und schließlich in der Februarrevolution von 1917 mündet. Lenin kehrt im April von Zürich nach Petrograd (St. Petersburg) zurück und stürzt im Oktober mit seinen Bolschewiki die provisorische Regierung.
Der Bau des Weißmeerkanals 1931-1933 ist das Vorzeigeprojekt von Stalin, das mit zehntausenden von Strafarbeitern des GULAGs gebaut wird. Alexander Rodtschenko illustriert den Bau in diesem Heft mit seinen Fotos. UdSSR im Bau, Heft 12, 1933. Museum für Gestaltung Zürich / Grafiksammlung / Zürcher Hochschule der Künste. Foto: © MAMM / Multimedia Art Museum, Moscow.
Mit der Machtübernahme der Bolschewiki nach der Oktoberrevolution und dem 1918 beginnenden Bürgerkrieg kühlen sich die diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Russland ab. Fotos, Briefe und offizielle Dokumente lassen erahnen, wie Gerüchte über eine Einmischung der sowjetischen Gesandtschaft im Landesstreik von 1918 in der Schweiz die Furcht vor dem Kommunismus weiter aufkommen lassen. Die sowjetische Gesandtschaft wird aus der Schweiz ausgewiesen, die diplomatischen Beziehungen werden abgebrochen und erst 1946 wieder aufgenommen.
Auf 26 Schreibtischen werden Stationen der Ereignisse in Russland ab 1917 bis 1932 erläutert: Bürgerkrieg, Hungersnöte, Entwicklung der Wirtschaftspolitik, Stalins Kampf gegen die Opposition und seine Machterlangung, Industrialisierung und ihre Folgen. Die Ausstellung thematisiert auch die Entstehung des Gulags. 1923, noch unter Lenin, entsteht das erste Besserungsarbeitslager, welches zum Modell des sowjetischen Lagersystems wird. Unter Stalin entsteht dann ein dichtes Netz an Zwangsarbeitslagern. Die Ausstellung endet in den frühen 1930er Jahren mit dem Ende des Ersten Fünfjahresplans. Der „Große Terror“, die Verfolgungs- und Säuberungskampagnen Stalins, stehen noch bevor.
Kooperation mit dem Deutschen Historischen Museum in Berlin
Die Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Historischen Museum in Berlin (DHM) entstanden. Es finden zwei separate Ausstellungen statt, die jedoch durch ein gemeinsames Kapitel und einen gemeinsamen Katalog miteinander verbunden sind.
Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Landesmuseums Zürich.
Und mehr über die Partnerausstellung erfahren Sie auf der Seite des Deutschen Historischen Museum in Berlin.