von Isabel Rodríguez Casanova
7. August 2014 – Die Tageszeitung ABC berichtete von einem neuveröffentlichten Buch. „El tesoro del Vita“ („Der Schatz der Vita“) von Francisco Gracia y Gloria Munilla erzählt von der Plünderung des spanischen Kulturerbes im Auftrag der Regierung der Zweiten Republik. Es ist kein neues Thema, da es bereits zuvor von vielen anderen Autoren und Historikern behandelt worden war. Der Umstand, dass ein wichtiger Teil von historischem spanischem Gold auf der Jacht Vita nach Mexiko verschwand und auf immer verlorenging, ist eine der beschämendsten Geschehnisse, die wir aus der Geschichte des kulturellen Erbes unseres Landes kennen.
Die Hauptfassade des Museo Arqueológico Nacional heute. Foto: Dodo / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/
Ein veritabler Aderlass war der Verlust der Goldmünzen aus der Münzsammlung des Museo Arqueológico Nacional (MAN). Felipe Mateu y Llopis, unfreiwilliger Protagonist des unheilvollen Ereignisses, erzählte bei verschiedenen Gelegenheiten sehr detailliert, wie diese tragische Nacht des 4. November verlief, als das Münzkabinett im Laternenlicht und unter Anwesenheit bewaffneter Miliz ausgeplündert wurde. (Eine sehr detaillierte Beschreibung veröffentlichte ABC hier.)
Höchstwahrscheinlich war einer der ersten veröffentlichten Berichte dieses Raubes derjenige von Wilhelm Reinhart, einem österreichischen Gelehrten und bekannten Sammler westgotischer und suebischer Münzen. Er berichtete bereits 1939 in den Deutschen Münzblättern, dass das Münzkabinett ausgeplündert wurde, wie es ihm F. Mateu y Llopis persönlich berichtet habe. Ferner sprach er von der Beschlagnahmung privater Sammlungen, darunter seiner eigenen, wobei auch die Schließfächer der Bank aufgebrochen wurden.
Vor einigen Jahren publizierte Carmen Alfaro, von 1985 bis zu ihrem verfrühten Tod 2005 Chefkonservatorin des Münzkabinetts des MAN, ein Buch, in dem sie den Bestand der Sammlung antiker Goldmünzen des Museums zu rekonstruieren versuchte (Catálogo de las monedas antiguas de oro del M.A.N., Madrid, 1993), um so möglichst verlässlich beurteilen zu können, was vermutlich verloren gegangen ist.
Im Zuge der Beschlagnahmung der Münzen des MAN erstellte man eine oberflächliche Liste der Objekte, die die Milizionäre mitnahmen und von der sowohl C. Alfaro als auch M. Almagro Gorbea bei ihren späteren Recherchen ausgingen. Almagro Gorbea ist Antiquar der Real Academia de la Historia und hat kürzlich diese Frage genauer untersucht:
- 58 griechische Münzen im Gewicht von 0,429 kg.
- 830 römische Münzen im Gewicht von 5,353 kg.
- 297 byzantinische Münzen im Gewicht von 0,992 kg.
- 343 arabische Münzen im Gewicht von 1,251 kg.
- 242 arabische Münzen, die nicht gewogen wurden.
- 322 westgotische Münzen, die nicht gewogen wurden.
- 94 mittelalterliche und neuzeitliche spanische Münzen im Gewicht von 1,028 kg.
- 111 französische und portugiesische Münzen im Gewicht von 0,577 kg.
- 432 ausländische Münzen im Gewicht von 2,581 kg.
- 67 Medaillen im Gewicht von 3,636 kg.
- 2 weitere Medaillen im Gewicht von 0,061 kg.
Folgt man der Zusammenstellung von Carmen Alfaro, so umfasste diese 2.796 Münzen – also nahezu alle Goldmünzen, die das Münzkabinett besaß. M. Almagro berechnete ausgehend von dem in dieser Liste angegebenen Gesamtgewicht des Goldes, dass sich allein der Edelmetallwert nach der Quotierung Ende 2006 auf rund 270.000 Euro belaufen würde. Der numismatische Wert allerdings könnte bei 10 Millionen Euro liegen.
Sowohl Mateu y Llopis als auch Felipa Niño, ebenfalls Konservatorin des Münzkabinetts, setzten ihr Leben aufs Spiel, als sie auf verschiedenste Weise versuchten, einige der kostbarsten Münzen der Sammlung zu verbergen: in Geheimfächern, unter den Statuen im Garten, in einer Munitionskiste aus Blei im Keller, oder indem sie vorgaben, bei den Stücken mit niedrigerem Feingehalt handele es sich um Silbermünzen. Ihre Voraussicht und Klugheit vermochten einige der großen numismatischen Kostbarkeiten zu bewahren, die wir noch heute im Archäologischen Museum betrachten können.
Hingegen befand sich unter den verlorenen Münzen die komplette Sammlung westgotischer Prägungen, die erst kurz zuvor von Mateu in Form einer Monografie publiziert worden war (Juni 1936). Die geraubten römischen Stücke ließen sich rekonstruieren dank eines Notizbuchs, das die Prägungen auflistete und von einem Schüler von D. Manuel Gómez-Moreno angefertigt worden war: Von den ungefähr 1.000 Stücken dieser Gruppe wurden kaum 90 gerettet. Unter den für immer verschollenen befanden sich beispielsweise ein äußerst seltener Quinar des Augustus und des Tiberius, sowie sehr rare Aurei der Severer. Ebenso verschwanden neben anderen Raritären der griechischen Welt die Goldmünzen der Ptolemäer.
Ebenfalls schwer gezeichnet ist die Sammlung islamischer Münzen, die zum großen Teil weggeschafft wurde. Unter den Verlusten ist auch die Sammlung Antonio Vives zu beklagen, von der wir heute nur noch die Abgüsse und Veröffentlichungen besitzen.
Obwohl aus numismatischer Sicht weniger gravierend sei doch erwähnt, dass noch weitere Verluste hinzukamen. So raubte die Regierung der Zweiten Republik die Goldmünzen des Banco de España (obwohl bereits zuvor ein Großteil nach Moskau verbracht worden war) und die Münzen der Casa de la Moneda, sowie sehr wertvolle Privatsammlungen. Von diesen Sammlungen erhielten sich kaum Dokumentationen, weswegen es sehr schwierig ist, den numismatischen Wert der verlorenen Bestände zu beziffern.
Von dem Punkt an, als die Jacht Vita mit ihrer unschätzbaren Fracht der „Kronjuwelen“ des historischen Erbes Spaniens Mexiko erreichte, lässt sich die Fährte nur schwer weiterverfolgen. Das endgültige Schicksal der Münzen hat man nie klären können, obwohl es wahrscheinlich erscheint, dass sie eingeschmolzen wurden. Denn im Laufe der fast achtzig Jahre konnte niemals auch nur eine der gestohlenen Münzen identifiziert werden, weder im Handel noch in irgendeiner numismatischen Sammlung der Welt.
Zur vertiefenden Lektüre:
- Alfaro, C.: Catálogo de las monedas antiguas de oro del Museo Arqueológico Nacional. Madrid, Ministerio de Cultura, 1993.
- Almagro Gorbea, M.: “El expolio de las monedas de oro del Museo Arqueológico Nacional en la Segunda República Española”, Boletín de la Real Academia de la Historia, nº 205, 2008, S. 7-72.
- Almagro Gorbea, M.: “Las monedas de oro del Banco de España depositadas en la URSS. Un cálculo teórico de su valor actual”, Numisma, 253, 2009, S. 127-141.
- Reinhart, Wh.: “Über einige Fälschungen westgotischer Münzen”, Deutsche Münzblätter, Nº 444; Dez. 1939, S. 389-391.
- Tortella, T.: “Las monedas de oro del Banco de España”, im Sammelband: Monedas de oro del Banco de España, Madrid, 1991.
Wir haben den Text mit freundlicher Genehmigung der Autorin übersetzt und veröffentlicht. Die spanische Originalfassung finden Sie auf der Seite von Panorama Numismatico.