5. Mai 2011 – Noch bis zum 31. Juli 2011 präsentiert das Forum Internationale Photographie in seinen Räumen in den Reiss-Engelhorn-Museen fünfzig ausgewählte Reisefotografien aus den Beständen der Geschwister Reiss. In der Ausstellung „Am Fuße der Akropolis – Licht über Hellas“ wird die Faszination greifbar, die das Griechenland des 19. Jahrhunderts auf die Gelehrten und Bildungsbürger des Nordens ausübte.
Johann Joachim Winckelmann, Porträt von Raphael Mengs kurz nach 1755, Metropolitan Museum of Art, New York.
Der Begründer der Klassischen Archäologie, Johann J. Winckelmann (1717-1768), äußerte 1755: „Das allgemeine vorzügliche Kennzeichen der griechischen Meisterstücke ist endlich eine edle Einfalt und eine stille Größe, sowohl in der Stellung als im Ausdrucke“. „Edle Einfalt und stille Größe“ wurden zum angestrebten Ideal in der Kunst.
Winckelmanns Hauptwerk: Geschichte der Kunst des Altertums, Dresden 1764.
Schon Goethe formulierte die Griechenlandsehnsucht, als er „Iphigenie auf Tauris“ „das Land der Griechen mit der Seele“ suchen ließ. Hölderlin besang im „Hyperion“ das Zauberland der griechischen Götter und Kleist führte mit der Amazonenkönigin „Penthesilea“ die dunkle Kraft der griechischen Tragödie wieder vor Augen.
Die Befreiungskriege im Land der Hellenen wurden im 18. und 19. Jahrhundert zum Symbol für jegliche Befreiung von Tyrannei und Unterjochung und fanden Widerhall in der europäischen Geisteswelt. Lord Byron zog um dieses Kampfes willen nach Hellas und ließ sein Leben im Zeichen des Philhellenentums.
Akropolis, Athen, 1889, anonym. Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim.
Die Entdeckungen von Heinrich Schliemann (1822-1890) schließlich schienen zu beweisen, dass das antike Griechenland nicht nur im Mythos lebte, sondern einst auch in der Wirklichkeit bestanden hatte. Dies bedeutete, man konnte jetzt in das Land der Sehnsucht reisen und in den Ruinen das noch sichtbare klassische Ideal mit eigenen Augen bestaunen. Dort standen sie noch unter dem leuchtenden Himmel, die Säulenhallen der Tempel, die Grabsteine der Heroen und die Theater, in denen einst die Worte von Aischylos, Sophokles und Euripides ertönten.
Dank des steigenden bürgerlichen Wohlstands und des sich entwickelnden Tourismus fand die Sehnsucht zu ihren Zielen: man reiste nach Athen, bestieg die Akropolis und bewunderte die Kunstwerke voll „edler Einfalt und stiller Größe“.
Mann aus Attika, 1889, anonym.
Das im 19. Jahrhundert zunehmend etablierte Medium der Fotografie erlaubte es dabei, die freudig erlebten, aber vergänglichen Augenblicke des Kunstgenusses festzuhalten. Wie an anderen Reisezielen, die zum Bildungskanon gehörten, gründeten auch in Griechenland versierte Fotografen Ateliers und versorgten die Reisenden mit Bildern.
Mann aus Korfu, 1889, anonym.
Diese Ateliers florierten. Zu den berühmten Fotografen jener Zeit gehörten Dimitrios Konstantinou und James Robertson. In ihren Fotografien wird Hellas’ Licht eingefangen, die Aufnahmen wirken für den heutigen Betrachter wie ein Blick in eine untergegangene Zeit, rätselhaft und mythisch.
Auch die Geschwister Reiss, die ersten Stifter für die Reiss- Engelhorn-Museen, bereisten Hellas und kauften Fotografien. Diese Bilder befinden sich nun in den Beständen des Forums Internationale Photographie der Reiss-Engelhorn-Museen. Fünfzig ausgewählte Werke, die als erstklassige digitale Modernprints nach dem neusten digitalen Druckverfahren aufwendig hergestellt wurden, sind hier im Ausstellungspavillon des Modehauses Engelhorn zum aller ersten Mal ausgestellt. Die Ausstellung zeigt unter anderem den Turm der Winde und natürlich die Akropolis, nicht nur in Einzelansichten vom Parthenon oder von der Korenhalle des Erechtheions, sondern auch in einem fast zwei Meter langen Panorama des Burgberges und seiner Umgebung. Allein dieses Ausstellungshighlight bezeugt die Meisterschaft der Fotografen jener Zeit.
Karyatidenhalle des Erechtheion, Akropolis, Athen, um 1889, Foto: D. Konstantinou. Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim.
Zudem sind die einstigen Reiseerinnerungen historische Dokumente, die den damaligen Zustand der Bauwerke bezeugen: Die Gesichter der Karyatiden des Erechtheions sind noch zu erkennen.
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