von Ursula Kampmann
5. Februar 2015 – Eigentlich ist nichts Besonderes an dem Held des Romans: Robert H. Packard, wie Hewlett-Packard, aber ohne das Geld, geboren 1974, unglücklich (noch) verheiratet, Weinliebhaber ohne das Geld, sich die wirklich teuren Tropfen leisten zu können, aber voller Träume von seinem geliebten Frankreich. Und eines Tages öffnen sich für diesen Packard im Keller zwei Fenster, zwei Fenster, wie für ihn gemacht. Das eine gibt einen Weg frei nach dem französischen Ort Pauillac im Jahre 1860, das andere nach Monticello und 1818.
Marc Emory, The Time Cellar. Ivy Press, Inc. Dallas 2012. 334 S. 15 x 22 cm. Broschiert. ISBN 978-1-59967-971-6.
Wer nun wie der Held der Geschichte guten Rotwein liebt, weiß sofort, worauf das hinausläuft. Denn bei Pauillac liegt das heute selbst unter Antialkoholikern bekannte Château Lafite. Der Bankier Nathaniel de Rothschild hatte es 1853 gekauft und erhebliche Summen in die Qualitätsverbesserung des Weines investiert. Und Weine aus dieser weit zurückliegenden Vergangenheit mit solch großen Namen erzielen heute Rekordergebnisse bei Auktionen.
Dazu Monticello; das ist jedem Amerikaner als das Heim von Thomas Jefferson geläufig. Was allerdings nur eine kleine Minderheit von Wein-Sammlern wissen dürfte: Auch Jefferson war ein begeisterter Weintrinker. Er hatte während seiner Reise nach Frankreich viele Flaschen Bordeaux gekauft, mit seinen Initialen Th. J. markiert und in die Neue Welt verschifft.
Mit den beiden Fenstern hat nun unser Robert H. Packard Zugriff auf einige der teuersten Weine der Welt – und er kennt die Mechanismen des Marktes, kann also seine Flaschen (äußerst) gewinnbringend an den Mann bringen. Was wie ein idealer Zustand aussieht, entpuppt sich als ziemlich unangenehm. Da ist zum einen der Zwischenhändler am Rodeo Drive in Beverley Hills, der nur zu gerne direkt mit Packards „Quelle“ ins Geschäft kommen möchte. Da ist zum anderen der IRS – für Nicht-Amerikaner, der Internal Revenue Service, das Gegenstück zu unserem Finanzamt. Klar, dass der Staat wissen will, woher Packards zusätzliches Einkommen stammt. Nicht zu vergessen der Anwalt der Ehefrau, die einen möglichst großen Anteil aus diesem Vermögen an sich bringen will. Kurz, das Leben, das unser Robert in der Gegenwart lebt, wird durch seine Gewinne aus dem Weingeschäft nicht gerade erfreulicher.
Natürlich gibt es ein Happy End, eine intelligente Auflösung des schön konstruierten Plots. Und sie liest sich genauso spannend wie das ganze Buch. Der Autor, Marc Emory, ist unter seinen Kollegen als Sprachgenie bekannt. Er spricht genauso fließend Französisch, wie er sich in Schwedisch, Russisch und Holländisch auszudrücken weiß. Sein Sprachgefühl macht aus dem Buch ein kleines Kunstwerk, dessen leicht zu lesende, kurze Sätze immer wieder überraschende Pointen mit sich bringen. Es ist ein Feuerwerk an Sprachwitz und ein wunderschöner Blick von außen auf unsere geliebte Münzwelt. Denn die darf natürlich auch nicht fehlen.
Denn wer Wein in der Vergangenheit kaufen will, braucht die passenden Münzen dazu. Und die bekommt Robert bei einem Münzhändler namens Josh Crane. Der ist, wie Münzhändler halt so sind, hilfsbereit, für jeden noch so ausgefallenen Kundenwunsch offen und immer bereit, die Mysterien der numismatischen Geheimsprache zu erklären.
Es ist also ein echtes Vergnügen, diesen Roman zu lesen und die aufeinander prallenden Welten zu betrachten. Marc Emory schreibt als einer, der selbst zwischen den Kulturen wandert und seine Zeitgenossen aufmerksam beobachtet. Seine Charaktere sind glaubhaft und haben schon vielen Lesern Freude gemacht. Die Rezensionen, die er von Science Fiction Fans auf Amazon bekommen hat, sind geradezu hymnisch. Ich möchte mich diesen Lobeshymnen uneingeschränkt anschließen!
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