von Ursula Kampmann
12. September 2013 – Manchmal bin ich entsetzt, wie viel trotz einer mehr als 500-jährigen Forschungsgeschichte in der Numismatik noch zu tun bleibt. Eines der großen Desiderate war es, die parthische Münzprägung weit über Sellwood hinausgehend nach modernsten Methoden zu katalogisieren und zu kommentieren. Ein neues Projekt der Österreichischen Akademie der Wissenschaften soll diese Münzprägung in neun Bänden vorlegen. 17.000 Münzen wurden dafür in den größten Münzkabinetten der Welt, darunter übrigens auch das National Museum of Iran, zusammengetragen. Fabrizio Sinisi legte 2012 den ersten Band der Sylloge Nummorum Parthicorum (SNP) vor. Er widmet sich der Münzprägung von Vologases I. bis Pacorus II., also der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr.
Es ist übrigens durchaus erwähnenswert, dass die Herausgeber des SNP – Michael Alram, Vesta Sarkhosh Curtis und Daryoosh Akbarzadeh – sich entschieden, in englischer Sprache zu publizieren. Eine weise Entscheidung, denn Englisch hat sich immer mehr zur Lingua Franca der Numismatik entwickelt.
Fabrizio Sinisi, Sylloge Nummorum Parthicorum 7: Vologases I-Pacorus II. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien, 2012. 431 S. mit sw-Abbildungen, 94 Taf. 21,6 x 30,3 cm. Hardcover, Fadenbindung. ISBN: 978-3-7001-7206-2. 129 Euro.
Vom alten Prinzip der Sylloge Nummorum Graecorum abweichend, will diese Publikation nicht nur das Material bieten. Mindestens eben so wichtig ist die Einordnung, die historische, numismatische und kunstgeschichtliche Interpretation. So gibt es als erstes einen historischen Überblick, der knapp 10 Seiten umfasst. Es folgt eine ausführliche Interpretation der Darstellungen und Legenden. Teilweise muss man schon sehr genau hinsehen, um die verschiedenen Büsten-Typen voneinander zu unterscheiden. Metrologische Studien schließen den aufs Material fokussierten Teil ab.
Es folgt die Diskussion der zeitlichen Abfolge der in den vorherigen Kapiteln definierten Typen und ihre Anbindung an die historischen Vorgänge. Wem das ein bisschen zu kompliziert ist, der kann sich auf die Synopse der chronologisch angeordneten Typen beschränken, die in Umzeichnung auf 6 Seiten wiedergegeben sind. Anschließend sind alle Typen noch einmal einzeln aufgeführt und äußerst exakt beschrieben.
Für die meisten Nutzer dürfte der Katalog das sein, was sie am meisten interessiert. Einige von ihnen werden sich in die guten alten Sellwood-Zeiten zurücksehnen, als es noch ein Kinderspiel war, parthische Münzen zu bestimmen. Denn das neue Opus versteht sich als weit mehr als nur ein Typenkorpus. Es will dem Wissenschaftler möglichst viele Münzen für seine Arbeit zur Verfügung stellen. Zusammen mit den vielen Zusatzinformationen macht das den Katalog für das schnelle Bestimmen ziemlich unübersichtlich. Daran ändern auch die am Schluss angehängten Übersichten zu den verschiedenen Darstellungstypen und Umschriften nichts. Dafür dürfte es jetzt möglich sein, jeden Stempel einer zu bestimmenden Münze auf den 71 dick bepackten Tafeln zu finden.
Der Benutzer dieses Buches wird geradezu erschlagen von der Materialfülle, die der Autor Fabrizio Sinisi in seinem Opus vorlegt. Man erschrickt, wenn man daran denkt, das dies nur der erste von insgesamt neun Bänden ist. Wir freuen uns auf jeden einzelnen von ihnen! Und am meisten werden wir uns freuen, wenn danach ein Autor kommt, die neuen Erkenntnisse zusammenfasst und einen neuen Sellwood schreibt, der – wissenschaftlich auf dem neuesten Stand – das Bestimmen parthischer Münzen wieder zu einem Kinderspiel macht.
Das Sylloge-Projekt wird auf der Seite des Kunsthistorischen Museums vorgestellt …
… sowie auf seiner eigenen Homepage.
Band 7 finden Sie auf der Seite des Verlags der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.