von Joachim Walser
20. Juli 2017 – Ein Sammler ersteigert eine Münze in Großbritannien und erhält diese mit dortiger Exportlizenz nach Deutschland übersandt. Dem lag ein, unglücklich formulierter, Anzeigentext zu Grunde, aufgrund dessen der Staat Slowenien die Inhaberschaft der Münze für sich reklamierte. Der Einlieferer und das englische Auktionshaus gaben dann notarielle Erklärungen zum Anzeigentext und zur Provenienz ab. Das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus erließ eine Anhalteanordnung zu Gunsten des Staates Slowenien. Der Staat Slowenien verlangte vom deutschen Sammler die Herausgabe der Münze. Der Herausgabeprozess vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht und in der Berufungsinstanz vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ist nun zu Gunsten des Sammlers entschieden. Beide Instanzen haben sich große Mühe mit der Aufklärung des Sachverhaltes und vor allem der Aufarbeitung der Rechtslage in der Übergangsphase vom alten Kulturgüterrückgabegesetz zum neuen Kulturgutschutzgesetz gegeben und mit hoher Sorgfalt stringente rechtliche Begründungen gefunden. Diese werden sowohl den Zielen des Gesetzgebers als auch den Interessen der Sammler in abgewogenem Interessenausgleich gerecht.
Joachim Walser. Mediator DA (Deutsche Anwaltsakademie), Rechtsanwalt seit 1986, Aufsichtsrat a.D., Sprecher eines Wirtschaftsausschusses a.D., Prokurist a.D., Vorstand einer Unternehmervereinigung, ausgebildeter Mediator.
Beide Instanzen legen den alten Herausgabeanspruch nach § 6 Abs. 1 des ehemaligen KultGüRückG im Rahmen des „UNESCO-Übereinkommens vom 14.11.1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut“ sowie der „Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15.03.1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates verbrachten Kulturgütern“ aus. Demnach musste sowohl bei EU-Mitgliedsstaaten als auch bei Vertragsstaaten des UNESCO-Kulturgutübereinkommens aus Gründen der Rechtssicherheit der zurückverlangte Gegenstand „individuell identifizierbar in öffentlich zugänglichen Verzeichnissen erfasst sein“ (BT-Drs. 16/1371 S. 16 und 18). Wie das Verwaltungsgericht München ausdrücklich betonte, sprach für die Notwendigkeit der Verzeichnung des konkreten Gegenstandes durch den ersuchenden Mitgliedsstaat auch die Warenverkehrsfreiheit, die in den Art. 28 ff. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – geregelt ist. Da die Richtlinien 93/7/EWG und 2014/60/EU mit ihren Beschränkungen des Handels mit nationalen Kulturgütern in die Warenverkehrsfreiheit eingriffen, war das Interesse des Kunsthandels an Rechtssicherheit zu berücksichtigen, der im Einzelfall prüfen muss, ob ein für den Erwerb vorgesehenes Objekt möglicherweise ein nationales Kulturgut ist, welches nicht ohne die erforderliche Genehmigung gehandelt werden darf.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof stellt nun klar, dass nach dem neuen Kulturgutschutzgesetz ein EU-Mitgliedsstaat zwar die Rückgabe eines unrechtmäßig aus seinem Hoheitsgebiet verbrachten Kulturgutes verlangen kann, das er lediglich abstrakt als ein solches Kulturgut definiert hat. Aber, und dies ist die entscheidende Einschränkung, die im Ergebnis in der Praxis letztlich keine wesentliche Abweichung von der alten Gesetzeslage darstellt und im Interessenausgleich unabdingbar ist: Es muss der die Herausgabe verlangende Staat beweisen, dass das nationale Kulturgut (Münze) in seinem Hoheitsgebiet aufgefunden wurde. Der die Herausgabe verlangende Staat trägt das Risiko der Nichterweislichkeit (Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 86 Rdnr. 2a).
Ein fremder Staat, der von einem deutschen Sammler eine Münze zurückerhalten will, muss also beweisen, dass die Münze (qualifiziert als nationales Kulturgut) aus seinem (aktuellen) Hoheitsgebiet stammt.
„Die aktuelle bayerische Verwaltungsgerichtsbarkeit hat damit die altrömische Beweislastverteilung des non liquet“, die auch Grundlage des bundesrepublikanischen Rechtssystems ist, bekräftigt und bestätigt. Was gerade im Zusammenhang mit einer altrömischen Münze, wenn auch keltischen Ursprungs aus dem Noricum, durchaus angemessen ist und womit sich der Kulturkreis und der Rechtskreis harmonisch schließen.
Die Schlagzeile in der Presse lautete: „Slowenien verliert Streit um Keltenmünze“. Richtiger wäre die Überschrift gewesen: „Der Rechtsstaat auf der Grundlage des Grundgesetzes und des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union hat gesiegt“.
Abzuwarten bleibt nun, ob, gegebenenfalls in einem anderen Verfahren, das neue Kulturgutschutzgesetz einer Verfassungsbeschwerde oder einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof standhält.
(Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Az.: 7 BV 15.1964, Urteil vom 31.5.2017).
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