von numiscontrol
20. Dezember 2018 – In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es in der Pfefferkuchenstadt Pulsnitz noch eine größere Anzahl an Pfefferküchlereien. Sachsens Industrie entwickelte sich bedeutend und das private Handwerk hatte damals noch einen goldenen Boden. Es war die Zeit der großen, fast jährlich stattfindenden, internationalen Industrie- und Gewerbeausstellungen in Deutschland.
Zwei Preismedaillen aus der Pfefferküchlerei. Foto: J. Förster.
Pfefferküchler im Wettbewerb
Auf Landwirtschaftsmessen sowie Bäckerei- und Kochkunstausstellungen präsentierten Pulsnitzer Pfefferküchler ihre gebackenen Spezialitäten und waren dort zu jeder Jahreszeit gern gesehene Aussteller. Mit einer großen Vielfalt an Pfefferkuchen-Sorten – jeder hatte ja seine eigenen Kreationen und Spezialitäten – reiste man regelmäßig nach Dresden, Leipzig, Magdeburg, Cottbus, aber auch weiter bis nach Weimar, Berlin und Karlsruhe.
Dort stellte man sich dem kritischen Publikum und der vom jeweiligen Landesfürsten beauftragten Preiskommission. Neben den beliebten „Klassikern“, gab es meist eine extra zur Ausstellung gebackene Spezialität zum Verkosten. Oft zierte ein aufwendig gebackenes großes Schaustück den Stand der ausstellenden Pfefferküchlerei, welches natürlich zusätzlich die Aufmerksamkeit der Besucher erweckte.
Nicht selten gab sich zur Eröffnung einer Ausstellung, der Landesfürst höchstpersönlich die Ehre und machte seinen Rundgang. Alle dort präsentierten Produkte konnten mit extra gestifteten Preismedaillen, Staatspreisen sowie Ehrendiplomen ausgezeichnet werden. Überall wurde von der beauftragten Jury geprüft, begutachtet und vor allem verkostet.
Es war den Preisrichtern sicherlich nicht zu verdenken, wenn man sich bei den Pulsnitzer Pfefferkuchen, gern noch einmal zusätzlich vom speziellen Geschmack der einzelnen angebotenen Sorten überzeugen „musste“. Bei der Preisvergabe war dann oft ein Pfefferküchler unter den Preisträgern und so kamen viele der dekorativen Gold- und Silbermedaillen nach Pulsnitz.
Werbeanzeige der Fa. G. T. Thomas von 1896. Foto: Privatarchiv numiscontrol.
Auf alten Geschäftsbriefen, Firmenrechnungen, aber auch auf den einzelnen Warenetiketten bildete man mit berechtigtem Stolz die Preismedaillen verkleinert ab. In den damaligen Werbeanzeigen der Tageszeitungen, Adressbüchern und Stadtführern fand solch eine Annonce natürlich zusätzliche Beachtung, wie zum Beispiel die der oft prämierten Pfefferküchlerei von Gottfried Tobias Thomas. Hier konnte man gleich einen ganzen Reigen von erworbenen Preismedaillen abbilden und noch zusätzlich auf weitere Auszeichnungen hinweisen.
Wettbewerbsvorteil für Pfefferküchler: Hoflieferant
Prämierte Waren konnten natürlich viel besser beworben werden und die Anzeigen wurden größer, die gezeigte Medaillenpracht dabei immer schöner. Ein ganz besonderes Privileg der damaligen Zeit war die Ernennung zum Hoflieferanten. Der Inhaber des Titels war damit auserwählt, seine Pfefferkuchen auf Bestellung einem Mitglied der Königlichen Familie zu liefern. Zusätzlich durfte man in der Firmenwerbung auf den Titel hinweisen und das spezielle Wappen des jeweiligen Landesfürsten oder des Mitgliedes der königlichen Familie auf der Verpackung präsentieren.
Dosendeckel oder Warenetikette der Fa. Rüdrich. Foto: Privatarchiv numiscontrol.
Die beiden Pfefferküchlereien Moritz Rüdrich und Richard Köhler besaßen solch einen Titel. Moritz Rüdrich belieferte regelmäßig das Königlich Sächsische Hofmarschallamt des Prinzen Johann Georg von Sachsen, Herzog zu Sachsen sowie die Kammerverwaltung der Söhne und Töchter des Königs. Später wurde er noch zusätzlich Hoflieferant Sr. Majestät König Friedrich August III. von Sachsen, Herzog zu Sachsen. Richard Köhler trug dagegen den Titel Hoflieferant des Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen sowie Schwarzburg-Rudolstadt.
Medaille an der Hauswand Obermarkt 126. Foto: Privatarchiv numiscontrol.
Hauserwände zeugen vom „gebackenen Gold“
Die Geschichte des Pulsnitzer Pfefferkuchens ist ein langer Weg, gesäumt mit vielen Preisen und Auszeichnungen namhafter Fachmessen über Jahrhunderte hinweg. Mit Recht könnte man dabei vom „gebackenen Gold“ sprechen – die erworbenen Goldmedaillen sprechen dafür und lassen uns die Bedeutung von einst noch heute erleben.
An der barocken Hausfassade der ehemaligen Pfefferküchlerei von Gottfried Tobias Thomas, Obermarkt 126, sind noch immer in vergrößerter Form beide Seiten einer erworbenen Preismedaille von 1887 angebracht.
Ehemalige Ansicht vom Geschäft von 1925 Foto: Privatarchiv numiscontrol.
Die Pfefferküchlerei E. C. Groschky, welche heute die zweitälteste in der Stadt Pulsnitz ist und 1825 von Johann Christian Groschky gegründet wurde, kann ebenfalls eine stattliche Anzahl von erworbenen Preisen belegen. Bei Renovierungsarbeiten fand man noch eine alte originale Schaufensterscheibe vom alten Ladengeschäft im Rietschelhaus. Auf dem Glas sind die damals erworbenen Auszeichnungsmedaillen und geprägten Ehrenpreise zu sehen.
Eine Medaille von 1905, verliehen auf einer Ausstellung in Cuxhaven. Foto: Privatarchiv numiscontrol.
Die alte Schaufensterscheibe hat man nun kurzerhand in die heutige Ladendekoration der Pfefferküchlerei mit einbezogen. Ein unbekannter Kunstmaler hatte die Medaillen, getreu dem Original, auf einer Art Spiegelfolie und mit viel Geschick einzeln gemalt. Zu sehen sind unter anderem die erworbenen Medaillen zu einer Fachausstellung in Cuxhaven von 1905, zu einer Ausstellung in Berlin 1905 …
Diese Medaille von 1905 wurde vergeben als Ehrenpreis für hervorragende Leistungen von Ernst Herzog von Sachsen Altenburg. Foto: Privatarchiv numiscontrol.
… und ein Ehrenpreis von Ernst Herzog von Sachsen Altenburg.
Gebackenes Gold kam und kommt aus Pulsnitz, denn jede einzelne Medaille, jeder erworbene Ehrenpreis, ist gleichzeitig ein zusätzlicher Beleg für die besondere Spezialität der Pfefferkuchen aus Pulsnitz und das seit 1558.
Pulsnitz widmet seinen Pfefferkuchen einen eigenen Markt, der jedes Jahr rechtzeitig vor der Adventszeit – im November – stattfindet.
Wo Pulnitzer Pfefferkuchen hergestellt werden und wie man sie macht, erfahren Sie in diesem kleinen Video.