17. November 2011 – Überfälle und Einbrüche, Mord und Totschlag, Diebstähle und natürlich Münzfälscherei – in der Antike hatte das Verbrechen viele Gesichter. Vom 8. Juli 2011 bis 12. Februar 2012 zeichnet die Sonderausstellung im LVR-RömerMuseum Xanten das Bild einer Epoche voller krimineller Umtriebe.
Die Ausstellung zeigt erstmals eine Vielfalt archäologischer Zeugnisse und antiker Textquellen zu Verbrechen, Strafverfolgung und Rechtsprechung im Römischen Reich. Sie führen auf die Fährte von kriminellen Machenschaften, die das Leben in Stadt und Land unsicher machten. Zu sehen sind Handschellen und Ketten, Belege für Mordopfer und Hingerichtete oder Papyri aus dem römischen Ägypten. Schlüssel, Fenstergitter und kunstvolle Darstellungen mythologischer Wächter zeugen vom Sicherheitsbedürfnis der Menschen. Die lebendig präsentierten Ausstellungsstücke werden ergänzt durch interaktive Stationen, die den Besuchern ein Fenster in die Welt der Kriminalität im Römischen Reich öffnen.
Mit Gussformen aus Ton fälschte man in der Antike Münzen…
Die Menschen vor zweitausend Jahren mochten dem mächtigsten Reich angehören, das die Alte Welt bis dahin gekannt hatte – wirklich sicher konnten sie sich kaum fühlen. Wie ging die Bevölkerung mit der allgegenwärtigen Bedrohung um? Eine Polizei im heutigen Sinne gab es nicht. Man tat daher gut daran, stets wachsam zu sein und sich selbst zu schützen. Mit Schlössern und Fenstergittern sicherte man sein Hab und Gut. Und wer es sich leisten konnte, hielt einen Wachhund.
…oft in großem Stil, wie zahlreiche Funde aus Augst belegen. Foto: Ursi Schild, Augusta Raurica.
Besonders die Straßen waren ein gefährliches Pflaster. Wegelagerer und Banditen lauerten überall. „Erschlagen von Räubern“ lesen wir häufig auf den Grabsteinen der Opfer: vom kleinen Mädchen bis zum erfahrenen Veteranen, niemand konnte seines Lebens sicher sein. Doch was ist eigentlich Recht, und was Unrecht? Die Antwort auf diese Frage sah in römischer Zeit oft anders aus als heute. So galt die Vergewaltigung einer verheirateten Frau als Kapitalverbrechen und konnte sogar mit dem Tod bestraft werden. Wurde eine Sklavin von einem Fremden vergewaltigt, konnte ihr Herr den Täter nur auf Schadensersatz wegen Sachbeschädigung verklagen. Der Besitzer selber durfte mit seiner Sklavin machen, was er wollte.
Auch die alltägliche Kleinkriminalität trieb viele Blüten. Von Schmuck und Geld über Kleidung und Lebensmittel war nichts vor Langfingern sicher. Berüchtigt waren auch die Falschspieler: Mit Taschenspielertricks und gezinkten Würfeln erleichterten sie ihre Mitmenschen.
Langfinger und Straßenräuber waren oft nur kleine Fische im Vergleich mit Geldfälschern, die im großen Stil Wirtschaftskriminalität betrieben. Für den römischen Staat mit seinen kaiserlichen Prägestätten war dieses Delikt besonders gefährlich, deshalb stand es unter Todesstrafe. Unzählige Funde von gefälschten Münzen belegen, wie stark das „Handwerk“ der Falschmünzer dennoch im gesamten Reich verbreitet war.
Ihre Werkstätten sind dagegen nur höchst selten archäologisch nachgewiesen. Aus einer solchen Fälscherwerkstatt in Augst bei Basel zeigt die Ausstellung Prägestempel, Schrötlinge und täuschend echt gefälschte Silberdenare.
Ums liebe Geld ging es häufig auch in den Amtsstuben der römischen Behörden. Wer sich dort als Opfer eines Verbrechens meldete, blieb nicht selten auf sich allein gestellt: Die Klagen über korrupte Staatsdiener, die mehr ihr eigenes Interesse im Auge hatten als das vielbeschworene Wohl der Allgemeinheit, sind Legion. Einen eindrucksvollen Einblick in die Missstände geben antike Schriftstücke auf Papyrus aus Ägypten, die dank des trockenen Wüstenklimas dem Zahn der Zeit getrotzt haben. Geldgierig und auf den eigenen Vorteil bedacht waren nicht nur Steuereintreiber, Gerichtsschreiber und Verwaltungsangestellte, sondern häufig auch die höheren Chargen bis zum Leiter der Provinzfinanzen und dem Statthalter selber. Korruption gehörte ganz offensichtlich zum Tagesgeschäft bis in die engsten Zirkel der Macht.
Oft war es bittere Armut, die viele Menschen in die Kriminalität trieb. Doch auch Beamte, ranghohe Militärs und Senatoren konnten zu skrupellosen Tätern werden. Korruption gehörte zum politischen Tagesgeschäft. Wie konnte man als Opfer eines Verbrechens Gerechtigkeit erlangen? Die zuständigen Offiziellen konnten häufig nicht helfen. Viele Geschädigte suchten Zuflucht in okkulten Praktiken. Sie verwünschten die Übeltäter mit Flüchen voller Unglück, Krankheit und Tod – der brennende Wunsch nach Vergeltung ist auch heute noch hautnah zu spüren.
Verlor ein Verbrecher das Katz-und-Maus-Spiel mit seinen Verfolgern und geriet in die Hände der Justiz, wurde oft kurzer Prozess mit ihm gemacht. Haftstrafen gab es nicht. Verurteilte Übeltäter erwartete eine Geldstrafe, Verbannung, Schinderei in den Bergwerken oder der Tod. Besonders grausam war das Zerfleischen durch wilde Tiere oder die Kreuzigung. Zur Abschreckung vollstreckte man Hinrichtungen gerne öffentlich in Amphitheatern: Damals wie heute übte das Verbrechen eine besondere schaurige Faszination auf die Menschen aus.
Im Rahmen der Ausstellungen werden auch viele Veranstaltungen und Themenführungen angeboten. Ausführlich können Sie sich informieren auf der Seite des Archäoloschen Parks Xanten.