von Benedikt Zäch
19. Oktober 2017 – Das Münzkabinett Winterthur zeigt noch bis 15. April 2018 eine neue Ausstellung: „Geld + Kirche – Das Kreuz der Kirche mit dem Geld“.
Geld+Kirche – Eine Ausstellung in Winterthur.
Ein schwieriges Verhältnis
Das Verhältnis der Amtskirche zum Geld war seit jeher ambivalent. Zum einen ermöglicht Geld kirchliche Tätigkeiten und dient in Form von guten Werken der Erlangung des Seelenheils. Zum andern sah die Moraltheologie seit jeher Geld als Objekt der Schuld und Sünde. Die neue Ausstellung des Münzkabinetts Winterthur verfolgt verschiedene Aspekte dieses Spannungsfelds.
Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Epoche zwischen Mittelalter und Reformation. Die zeitliche Distanz erlaubt es, einen klareren Blick auf eine schwierige Beziehung und komplexe Mechanismen zu gewinnen, die auch heute noch aktuell sind, etwa in unserem Umgang mit Umweltsünden.
Die Kirche, in ihrer katholischen oder protestantischen Ausprägung, setzt zum einen als religiöse und moralische Instanz geistig-religiöse Aspekte des Lebens ins Zentrum. Andererseits war der Kirche seit je bewusst, dass Geld nicht nur Motor der Wirtschaft, sondern ebenso Mittel der Heilsarbeit innerhalb der christlichen Gemeinschaft ist.
Wann ist Geld gut?
Die Diskussion um eine adäquate Haltung zum Geld, dem bei Aristoteles der Geruch des Unnatürlichen und im Neuen Testament derjenige des Unmoralischen anhaftet, hat eine lange Tradition und wurde immer wieder aufs Neue belebt.
Die Moraltheologie verurteilte Handel und Wirtschaft als unmoralisch. Da aber wirtschaftliches Denken in der mittelalterlichen Gesellschaft seit dem 12./13. Jahrhundert große Bedeutung erlangte, musste sich derjenige Teil der Scholastik, der theologische Fragen auslegte, damit befassen.
Mit großem intellektuellem Aufwand suchten Gelehrte wie Thomas von Aquin (um 1225-1274) nach Wegen, aus dem „bösen“ Geld gottgefälliges „gutes“ Geld zu machen. Eigentümliche Denkfiguren entstanden, die den intellektuellen Diskurs beflügelten.
Das Problem mit dem Zins
Die kirchliche Diskussion um das Geld entzündete sich am „Wucher“ (usura), dem Zins, der beim Verleih von Geld fällig wurde. Schon im Alten Testament existierte das Verbot, unter Juden Geld gegen Zins zu verleihen; für Fremde galt das Verbot nicht. Dies diente den Juden als Grundlage, um Zinsgeschäfte mit Christen eingehen zu können.
Mit der Rezeption der griechischen Philosophie im 13. Jahrhundert wurde auch die Haltung von Aristoteles zu Geld und Zins wichtig. Er vertrat die Ansicht, dass Geld sich nicht aus sich heraus vermehren sollte. Es sei als Tauschmittel erfunden worden. Die Vermehrung durch Zins und Zinseszinsen sei unnatürlich und widerspreche dem anzustrebenden Gleichgewicht der Beziehungen in einer Gesellschaft.
Damit gesellte sich zum moralischen ein naturrechtlicher Einwand. In der „natürlichen“ Balance der wirtschaftliche Beziehungen sollte Geld immer einen Gegenwert in Gütern oder Arbeitsleistungen haben und nicht „von selbst“ wachsen: „nummus non parit nummos.“
Da jedoch für wirtschaftliche Beziehungen Geldverleih schon im Mittelalter unabdingbar war, mussten Mittel und Wege gefunden werden, wie Zins gerechtfertigt werden konnte. Thomas von Aquin entwickelte dazu Lösungsansätze in seiner „Summa theologica“; die Denkfiguren und Argumente basierten unter anderem darauf, dass Zins nicht mehr „Zins“ genannte wurde.
Anna selbdritt, hl. Oswald und Magister Johannes Eberhart. Stifterbild für die Kirche St. Oswald in Zug, Ölgemälde eines unbekannten Meisters (1492). Museum Burg Zug (Leihgabe Katholische Kirchgemeinde Zug), Inv. 3235. Foto: Alois Ottiger.
„Buchhaltung des Seelenheils“
Das Leben im Diesseits war für den mittelalterlichen Menschen nur die Vorstufe zum Jenseits. Nichts auf Erden war von Dauer und die Lebensführung war entscheidend für das Dasein im Jenseits: Je nach dem im Himmel, im Fegefeuer oder in der Hölle. Jenseitsvorsorge war deshalb ein wichtiger Teil der Vorbereitung auf den Tod, der allgegenwärtig war und sich unerwartet einstellen konnte.
Der Gedanke ans Jenseits war untrennbar mit der Sorge um das eigene Seelenheil verbunden. Wie groß war das „Konto“ der Sünden und für wie viel davon konnte man schon zu Lebzeiten Abbitte leisten? Stiftungen und gute Werke, die als «Seelgeräte» für das Jenseits dienten, und reuige Busse hörten zu unabdingbaren Vorleistungen im Diesseits, die sich auf das „Heilskonto“ im Jenseits auswirkten.
In einer „Buchhaltung des Seelenheils“ verknüpfte man das Verlangen nach dem immateriellen göttlichen Heil mit materiellen guten Werken, deren Wertmesser Geld war. Die Welt des Geldes ging damit eine unlösbare Verbindung mit der Welt des Heils ein; die Amtskirche und im Besonderen der Papst waren die Vermittler dieses Heils.
Beichte, Busse, Geld: Der Ablass
Der Ablass war im Mittelalter „die kirchlich gewährte Verkürzung der Leidenszeit der Seele im Fegefeuer, die man sich durch ein religiöses Werk erwerben oder mit Geld erkaufen konnte“ (Peter Opitz). Dahinter steht die Vorstellung, dass die Kirche den „Gnadenschatz“ des göttlichen Heils (thesaurus ecclesiae) hütet und daher aus diesem Besitz Erleichterungen für das Fegefeuer gewähren kann; das ist bis heute in der katholischen Kirche kanonisches Recht. Der Papst selbst verwaltet diese göttliche Gnade.
Ablassbrief von Paulinus Chappe zum Besten des Kampfes gegen die Türken und der Verteidigung von Zypern, ausgefüllt am 24. April 1455 in Braunschweig für Cord Mander und Angehörige durch den Priester Hinricus Kriter. Druck: Johannes Gutenberg, Mainz, 1454. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Ältere Einblattdrucke 1.
Der Ablass war das Instrument, diese Gnade den Gläubigen als Gegenleistung für religiöse Werke, die auch mit Geld entrichtet werden konnten, zukommen zu lassen. Im Spätmittelalter verband sich mit dem Ablass eine wirtschaftliche Sichtweise auf das Seelenheil, die sich mit der zunehmenden Ökonomisierung der Lebensverhältnisse, zum Beispiel der Monetarisierung sozialer und herrschaftlicher Beziehungen, verstärkte.
Ablässe waren eigentliche „Investitionen“ in das individuelle Seelenheil, deren Ertrag nicht in erster Linie der Kirche zukam, sondern konsequenterweise auch Infrastrukturprojekten wie dem Bau von Dämmen oder anderen öffentlichen Bauten diente.
Am Anfang eines Ablasses stand stets die Beichte, denn ohne tätige Reue gab es keine Gnade und Bußleistungen wurden erst damit wirksam. Nach der Beichte wurde die Busse festgelegt, die im Ablassbrief formuliert wurde: in erster Linie Gebete und Besuche von Messen, aber auch Wallfahrten und Stiftungen.
Für den Ablass selbst war eine Geldzahlung fällig, die teilweise als „Gebühr“ deklariert wurde. Deren Höhe war von den Bußleistungen, aber auch der Anzahl und dem Prestigewert der Unterschriften und Besiegelungen auf der Ablassurkunde abhängig. Besonders teuer waren Ablässe, die in Rom von mehreren Kardinälen ausgestellt und besiegelt worden waren.
Ohne Geld keine Kirche
Hier schließt sich der Kreis. Das Kreuz der Kirche mit dem Geld war stets die Diskrepanz zwischen der kritischen theologischen Sicht auf Geld und der Notwendigkeit, zum Nutzen der Amtskirche damit pragmatisch umzugehen.
Die Kirche war seit dem Mittelalter die umfangreichste Verwaltung überhaupt und überaus verzweigt. Sie umfasste die ganze westliche Christenheit und unterhielt ein weitreichendes Netzwerk, das über die christliche Welt hinausreichte. Ein intensiver Umgang mit Geld war unabdingbar, um diesen Apparat und seine Finanzflüsse zu unterhalten.
Republik Florenz, Fiorino d’oro, 1305. Rs. Johannes der Täufer, Münzzeichen. Münzkabinett Winterthur, Inv.Nr. M 3931. Foto: Lübke & Wiedemann, Stuttgart.
Das Aufkommen der Geldwirtschaft im 12. und 13. Jahrhundert schuf Banken und ein Finanzgewerbe, das mit Geld und Kredit handelte. Von Anfang an gehörte die Kirche zu den wichtigsten Kunden dieses Wirtschaftszweiges. Bankiers und Geldhändler, die meist aus dem Kaufmannszweig kamen, legten das Geld der Kurie und Kirchenoberen an, gaben dem Papst in Rom und Avignon Kredite und organisierten die Geldtransfers aus den fernsten Winkeln der Christenheit.
Die Kirche nutzte die bestehenden Netzwerke der merchant-bankers / marchand-banquiers und neue, bargeldlose Finanzinstrumente wie den Wechselbrief. Sie erfand diese nicht, aber es war die Kirche, die wesentlich dazu beitrug, dass sich die Finanz-Innovationen über ganz Europa verbreiteten.
Animation zur Ausstellung im „Kirchenraum“. Foto: Thomas Ernst, Winterthur.
Eine sinnlich-spielerische Ausstellung
Die Ausstellung nähert sich ihrem Thema auf verschiedene und durchaus sinnliche Wege. Die Besuchenden werden zunächst in einem Kirchenraum empfangen, in dem die Fenster eine Atmosphäre der Stille und des Nachdenkens schaffen. Eine Animation leuchtet verschiedene Aspekte des Umgangs mit Geld, Zins, Sünde, Jenseitsvorsorge und Ablass anschaulich und mit Bildwitz aus.
Ein Ablass-Spiel erinnert daran, dass wir im Alltag nach wie vor von kleineren und größeren Sünden umstellt sind. Das Spiel fordert die – manuelle – Geschicklichkeit heraus, sich an allerlei Sünden vorbei zum Seelenheil hinauf zu arbeiten; es winkt ein befreiender Ton, wenn man den Himmel erreicht hat.
Der zweite Raum breitet in ruhiger Atmosphäre weitere Aspekte des Themas aus. Nun kommt der Kern unserer Ausstellungen, die Münzen und andere numismatische Objekte, zum Zug. Eine Kirchenbank lädt zum Studium der Begleitschrift der Ausstellung ein, die in Leseemplaren aufliegt.
Ein Blick auf den Boden macht deutlich, was „Fugenschmutz“ in den Holzböden der mittelalterlichen Kirchen bedeutet: Wie sähe dieser Fugenschmutz heute aus? Aber die Besuchenden werden auch daran erinnert, dass Kirchenböden auch Tresore waren, in denen Münzschätze verborgen wurden.
Basel, Stadt. Plappart (1425/26). Rs. Heinrich II. mit Kirchenmodell. Münzkabinett Winterthur, Inv.Nr. S 195. Foto: Jürg Zbinden, Bern.
In wenigen Vitrinen liegen Objekte, darunter verschiedene Leihgaben, auf und weitere Aspekte werden angesprochen. Warum sind Kirchen im Mittelalter soziale Räume, in denen nicht nur gebetet wurde? Was für geldgeschichtliche Auswirkungen hatte das Konstanzer Konzil von 1414-1418, eine der größten Kirchenversammlungen des Mittelalters? Und in welcher Weise inszenierten sich städtische Obrigkeiten mit Hilfe von Heiligen der Kirche auf Geldstücken?
Das Mittelalter ist nicht zu Ende: CO2-Zertifikate. Foto: Thomas Ernst, Winterthur.
Zu sehen ist auch ein bedeutender Schatzfund des 15. Jahrhundert aus Carignan (Kanton Fribourg). Zudem wird daran erinnert, dass wir auch heute mit Mitteln des mittelalterlichen Ablasses Umweltsünden beichten und mit Geld bereinigen. Das Mittelalter ist nicht zu Ende.
Das Buch zur Ausstellung. Foto: Thomas Ernst, Winterthur.
Das Buch
Zur Ausstellung ist eine Begleitschrift erschienen, die viele der Themen in vierzehn kurzen Kapiteln vertieft und in Form eines kleinen Kirchenbuchs gestaltet ist; in der Ausstellung verweisen Signete auf die Kapitel des Buchs. Das Buch eröffnet eine kleine Schriftenreihe des Münzkabinetts, die in lockerer Folge Ausstellungen begleiten und Themen aus der Arbeit des Museum aufgreifen soll.
Eine kleine Sammlung von markanten Zitaten, ein Bildteil und ein Literaturverzeichnis ergänzen die Texte und bieten so eine leichtfüßige, aber ernste Einführung zu einem Themenkomplex, der auch heute noch nicht unbefangen behandelt werden kann.
Benedikt Zäch, Geld+Kirche: Das Kreuz der Kirche mit dem Geld. Winterthur: Münzkabinett der Stadt Winterthur, 2017 (Schriften des Münzkabinetts Winterthur 1). 112 S., 8 Bildtafeln. ISBN 978-3-907047-08-8.
Das Buch ist im Museumsshop erhältlich und kann über das Museum auch bestellt werden. Vorzugsausgabe mit festem Einband, Goldreliefprägung und Lesebändchen: Fr. 36.-; Normalausgabe, Broschur: Fr. 18.-.
Mehr Informationen zur Ausstellung finden Sie auf der Seite des Museums Winterthur.