von Annika Backe
7. Juli 2016 – Etwas mehr als ein Jahr ist es her, dass die MünzenWoche über Google Cultural Institute berichtete, eine Art Plattform für Ausstellungen, die entweder real in Museen existieren oder aber für dieses Internet-Angebot zusammengestellt werden. Fungieren dort die kulturellen Institutionen als Zulieferer, geht „Art Camera“ nun selber in die Museen.
Das Prinzip ist einfach: Ein Team von Google macht mit neuester Technik und aus verschiedenen Winkeln von einem Kunstwerk sogenannte Gigapixel-Aufnahmen. In diese hochauflösenden Bilder kann später der Internet-Nutzer virtuell bis in ungeahnte Tiefen hineinzoomen. Bereits jetzt kann man auf diese Weise knapp 1.400 Objekte und Artefakte erkunden.
Die Pressemeldungen des Mediengiganten über sein neuestes Projekt lesen sich enthusiastisch. Dank Google Art Camera ließen sich nun die Werke der größten Künstler der Menschheit für kommende Generationen erhalten. Bequem am heimischen Computer könne man nicht nur Kunst betrachten, sondern Details erkennen, die dem bloßem Auge bisher oft verborgen blieben.
Der Direktor des Berliner Münzkabinetts, Prof. Dr. Bernard Weisser mit interessierten Besuchern.
Hier wird es spannend. Ist das neue Verfahren vielleicht eine Chance gerade für Institutionen, die Kleinformatiges, wie numismatische Objekte, ausstellen? Gegenüber der MünzenWoche sagte Prof. Dr. Bernard Weisser vom Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin hierzu: „Die Museen arbeiten schon jetzt mit Google zusammen. Wir haben grundsätzlich eine Open-Access-Politik. Das heißt, dass wir unsere Bestände, die wir online publizieren, auch frei zur Verfügung stellen für wissenschaftliche Zwecke.“
Erst eine Vergrößerung macht jeden Aspekt so mancher Münzdarstellung erkennbar. Geschichtstaler „Segen des Himmels“, Ludwig I., 1828. Aus Auktion Künker 246 (11. März 2014) Nr. 3686.
Doch sieht der Chef über mehr als 500.000 originale numismatische Exponate das Projekt auch kritisch: „Google zeigt ja nicht alles, sondern es zeigt es nach Interessen. Es besteht die Gefahr, dass sich durch solche Aktivitäten, die vielleicht sogar attraktiver aufbereitet sind, als das, was die Museen können, die Wahrnehmung der Objekte verschiebt. Auf der anderen Seite sagen wir: Jede Aktivität, die die Wahrnehmung der Objekte erhöht, ist zu fördern. Und das Zweite ist: Wir haben überhaupt keine Angst, dass jemand, der die Objekte im Internet gesehen hat, vielleicht nicht mehr zu uns ins Museum kommen könnte. Wir bemerken eher das Umgekehrte, dass sich mit zunehmender Informationsvielfalt auch die Nachfrage erhöht.“
Allet schick also? Noch wurde kein Münzkabinett vom Google-Team besucht. Es bleibt also abzuwarten, ob „Art Camera“ für die Numismatik eine Bereicherung sein wird.
Generell aber bleibt eine gewisse Skepsis: Ungeachtet aller hehren Ziele wird Google.Inc auch mit diesem Projekt wesentlich kommerzielle Interessen verfolgen. Die Kunst wird so zu einem weiteren Bereich, in dem der Konzern seine Quasi-Monopolstellung dazu ausnutzt, unsere Welt zu „ver-google-isieren“. Ob wir das wollen, mag jeder für sich entscheiden.
Zur Website von Google Art Camera kommen Sie hier.
Hier lesen Sie den Beitrag der MünzenWoche zum Google Cultural Institute.
Die Internetpräsenz des Berliner Münzkabinetts finden Sie hier.
Und ganz ohne Google können Sie sich die Schätze des Berliner Münzkabinetts in dessen Interaktivem Katalog ansehen.