Hartz IV: Arbeitslose müssen Münzsammlung auch mit Verlust verkaufen

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von Frank Kössler

21. Juni 2012 – Wichtiges Urteil für Hartz-IV-Empfänger: Arbeitslose müssen wertvolle Briefmarken- oder Münzsammlungen zu Geld machen, bevor ihnen Hartz IV bewilligt wird. Das gilt nach einem Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) auch dann, wenn ein Verkauf nur mit großen Verlusten möglich ist. Im verhandelten Fall lag der aktuelle Verkehrswert einer Münzsammlung um mindestens 20 Prozent unter den ursprünglichen Anschaffungskosten in Höhe von 27.400 Euro (Aktenzeichen: B 14 AS 100/11 R vom 23.05.2012).

Keine feste Grenze für Verlusthöhe
Dennoch sei eine Veräußerung weder „offensichtlich unwirtschaftlich“ noch eine unzumutbare Härte, befanden die Kasseler Richter in ihrem Urteil. Eine feste Grenze, bis zu welcher Höhe ein Verlust hinzunehmen ist, wollte der Senat aber nicht festlegen.
Das BSG wies die Klage eines heute 52-jährigen Mannes aus dem Raum Hannover ab. Der gelernte Bauingenieur arbeitet inzwischen als Lagerarbeiter, war aber von August 2005 bis Februar 2006 arbeitslos und beantragte daher Hartz IV. Mit Blick auf eine wertvolle Münzsammlung verneinte das Jobcenter jedoch seine Hilfsbedürftigkeit. Der Betroffene hatte sich zunächst geweigert, die Sammlung zu verkaufen und neben der möglichen Verluste auch auf ideelle Gründe verwiesen.

Reine Liebhaberei
Die umstrittene Münzsammlung umfasste zunächst 240 und zuletzt noch 180 Münzen, die Älteste war ein Taler aus dem Jahr 1520. Mit seiner Klage argumentierte der Mann, die Münzen seien keine Geldanlage, sondern reine Liebhaberei. Der Verkauf sei aber auch unwirtschaftlich. Gegenüber dem Anschaffungswert von gut 27.000 Euro könne er die Sammlung wohl nur mit einem Abschlag zwischen 35 und 40 Prozent verkaufen.
Laut Gesetz müssen Arbeitslose Vermögenswerte nicht verkaufen, wenn dies „offensichtlich unwirtschaftlich“ ist. Damit wolle der Gesetzgeber „einen wirtschaftlichen Ausverkauf verhindern“, stellte das BSG nun klar. Nach bisheriger BSG-Rechtsprechung müssen Arbeitslose beispielsweise eine Lebensversicherung nicht verkaufen, wenn ihr Rückkaufwert noch deutlich unter den bisherigen Einzahlungen liegt.
Auf frei verkäufliche Vermögenswerte mit frei schwankenden Preisen sei dies aber nicht voll übertragbar, urteilten nun die Kasseler Richter. Die Schwelle zur „offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit“ sei hier noch schwerer auszumachen und liege in jedem Fall deutlich tiefer. Im konkreten Fall sei der Verkauf noch zumutbar gewesen.

Noch schwierigere Nachwuchsarbeit
Für Vereine, die sich mit dem Sammeln von Münzen, Banknoten und Medaillen beschäftigen, ist dieses Urteil ein Schlag ins Gesicht, besonders im Hinblick auf die Jugendarbeit. Es ist schon schwierig genug für Münzen, Banknoten oder auch Briefmarken genügend Nachwuchssammler zu finden, die sich langfristig mit der Materie beschäftigen und Zeit und Geld investieren Wenn die Aussicht besteht, irgendwann mal in seinem Arbeitsleben Leistungen nach dem Hartz IV-Gesetz (Arbeitslosengeld II) beantragen zu müssen, was leider immer häufiger vorkommt, aber vorher erst seine mühevoll aufgebaute Sammlung verwerten zu müssen und das womöglich deutlich unter Wert, kann man keinen Nachwuchs mehr erwarten.
Irgendwie erinnert das an die Situation zu Zeiten des Bosnien-Bürgerkrieges, als Münzsammler nur um sich etwas zu Essen kaufen zu können, ganze Silbermünzensammlungen der Olympischen Winterspiele von Sarajewo zu Spottpreisen verkauften. Die Bundesrepublik Deutschland hat zumindest in diesem Punkt mit Bosnien-Herzegowina durch das Bundessozialgerichtsurteil gleichgezogen.

Den Originalartikel finden Sie im Magazin der Münzenfreunde Rems, das Sie hier kostenlos herunterladen können.

Mehr Information dazu finden Sie hier und hier.

Die offizielle Medieninformation des Bundessozialgerichts Nr. 12/12 gibt es hier.