Die Philippinen bekommen neue Geldscheine. Im April 2022 hat die Zentralbank Bangko Sentral ng Pilipinas (BSP) eine 1000-Piso-Banknote vorgestellt, die die neue Serie eröffnet. Diese ist allerdings umstritten und zeigt, dass Geld nicht einfach nur ein Zahlungsmittel ist, sondern das Selbstverständnis eines Landes und seiner Einwohner spiegelt.
Philippinen im Widerstand
Um die aktuelle Diskussion zu verstehen, müssen wir einen kurzen Blick zurückwerfen. Schon 1898 erfolgte die philippinische Unabhängigkeitserklärung von den spanischen Kolonialherren. Doch niemand erkannte den neuen Staat an. Vielmehr besetzten die USA die Philippinen und wollten sie erst später schrittweise in die Unabhängigkeit entlassen.
Im Zweiten Weltkrieg kämpften die Philippinen mit den USA auf der Seite der Alliierten und wurden von Japan besetzt. Diese Zeit zwischen 1942 und 1945 war von zahlreichen Gräueltaten geprägt und ist noch immer Teil des kollektiven Gedächtnisses. Erst 1946 wurden die Philippinen ein international anerkannter Staat.
In den 70ern etablierte Präsident Marcos eine Diktatur, gegen die das Volk in den 80ern auf die Straße ging. Der zivile Widerstand beendete erfolgreich Marcos’ Autokratie und 1987 kam es mit einer neuen Verfassung zu einem Neuanfang in Form einer Präsidialrepublik. All diese Vorgänge beeinflussten die Geldscheine des Landes und beherrschen auch die Diskussionen von heute.
Eine neue Zeit
Ab 1985 emittierte die BSP eine neue Geldscheinserie, die damit mitten in den Volksaufstand gegen Marcos fiel. Die New Design Series war zunächst völlig unpolitisch, doch nach dem Sturz des Diktators ersetzte man den noch frischen 500-Piso-Schein mit einem neuen, der den 1983 ermordeten Benigno Arquino Jr. zeigte, eine führende Figur der Demokratiebewegung. 1991 wurde endlich das höchste Nominal ausgegeben, die 1000-Piso-Note, auf der drei berühmte Widerstandskämpfer des Zweiten Weltkriegs zu sehen waren: José Abad Santos, Josefa Llanes Escoda und Vicente Lim. Alle drei waren von den japanischen Besatzern getötet worden. Dieser Geldschein wurde seither unverändert nachgedruckt.
2009 kündigte die BSP eine neue Geldscheinserie an. Die Scheine sollten aus Polymer produziert werden und neue Motive erhalten. Doch als 2010 die New Generation Currency Series erschien, blieben die drei Weltkriegshelden auf dem 1000-Piso-Schein und die Banknoten wurden weiterhin auf Papier gedruckt.
Im Herbst 2021 verkündete die BSP erneut, dass neue Polymerscheine kommen sollten, beginnend mit dem 1000-Piso-Schein. Die Scheine sollten auf der Höhe der Zeit sein: fälschungssicherer, besser zu sterilisieren (ein Aspekt, der charakteristisch war auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie) und auch ästhetisch rundumerneuert.
Bananen und Identität
Das trat zwei Diskussionen los. Zum einen muss man wissen, dass in den Philippinen die Abacá heimisch ist, eine Bananenart, die industriell genutzt wird. Ihre Fasern kommen bei Zellstoffprodukten wie Teebeuteln oder Papier zum Einsatz – und bei den philippinischen Geldscheinen. Aktuell ist die BSP daher in Gesprächen mit Vertretern der Abacá-Industrie, die offenbar deutlich betroffen ist von dem Wechsel zu Polymerbanknoten.
Leider hat die Zentralbank kein Gespräch über das andere Problemfeld gesucht, den Motivwechsel. Die Vorderseite zeigt nicht mehr die drei Helden, sondern den Philippinenadler. Nach Ansicht der BSP stehe dieser für „Scharfsicht, Freiheit und Stärke“; die Rückseite zeigt wie bisher das Naturschutzgebiet Tubbataha Reefs.
Desiree Benipayo, die Urgroßnichte des Weltkriegshelden Abad Santos, meinte, die neuen Motive zeigten deutlich, wie die Regierung die Helden und Märtyrer des Landes behandele, so die Zeitung Inquirer.net.
Auch das Historische Institut der Universität der Philippinen fühlte sich genötigt, die Entscheidung der BSP zu kommentieren. Die Historiker werden von ABS CBN News zitiert mit den Worten: „Ganz offensichtlich missachtet die BSP nicht nur das philippinische Symbol für die Suche nach einer nationalen Identität und die Rolle, die diese Helden dabei spielen; die BSP banalisiert dieses Symbol auch noch.“ Es sei ein Schlag ins Gesicht der drei Helden. Die Bank hätte vielmehr die Öffentlichkeit um ihre Meinung fragen sollen. Die Historiker merkten auch an, dass in den letzten hundert Jahren nur ein einziges Mal eine 1000-Piso-Note ohne öffentliche Befragung eingeführt worden sei. Dabei handelte es sich um den Geldschein der verhassten japanischen Besatzer. Diese Banknoten werden noch heute im Volksmund verächtlich Mickey-Mouse-Geld genannt …
Die Nationale Historikerkommission kritisierte ebenfalls, dass man sie gar nicht erst zu Rate gezogen habe. Die Reaktion der BSP auf diese Kritik ist bezeichnend: Da das neue Symbol ein Tier ist, habe man es nicht für nötig befunden, sich an Historiker zu wenden. Man habe die Abteilung für Umwelt und natürliche Ressourcen konsultiert.
Was Geldscheine leisten können
Mit diesem Standpunkt deklassiert die Zentralbank die Rolle ihres eigenen Geldes. Ob Flora und Fauna ausreichen, um eine nationale Identität in dem multiethnischen Staat mit seiner an Brüchen reichen Geschichte zu konstruieren? Die Philippinen finden sich mit dem Motivthema der neuen Geldscheine in guter Gesellschaft; zahlreiche Länder wie Südafrika, Fidschi und Neuseeland setzen auf unverfängliche Naturthemen. Und auch in Europa hat man sich ja mit Einführung des Euros für möglichst neutrale, abstrakte Architekturmotive auf den Scheinen entschieden, um Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Doch zumindest Europas Zentralbänkern ist mittlerweile klar geworden, dass diese Motive keine Emotionen wecken und nicht dazu beitragen, eine europäische Identität zu befördern. Neue Geldscheine werden zur Zeit entwickelt – aber erst nach Umfragen in der Bevölkerung.
Über das Thema berichteten Inquirer.net und ABS CBN News.
Wir berichteten darüber, dass die EZB neue Euro-Banknoten ankündigte.
Seit 2012 feiert Fidschi seine Flora und Fauna auf Geldscheinen.
Sind Polymerscheine wirklich so viel widerstandsfähiger sind als andere Scheine? 2020 kam heraus, dass Großbritannien erstaunlich viele £5- und £10-Scheine austauschen lassen musste.