von Björn Schöpe
30. Mai 2013 – Allgemein geben Staaten und Institutionen zu wenig Geld für Kultur und Bildung aus, das ist ein von Feuilletons und Intellektuellen gepflegtes Urteil, welches leider nur zu häufig zutrifft. Grund zur Freude also, wenn aus der Türkei zu hören ist, dass der Staat und die zuständige Provinz die bedeutenden Ausgrabungen in Hierapolis intensiver fördern werden. Und dennoch hat die Nachricht einen unangenehmen Beigeschmack.
Die Ausgrabungen in Hierapolis leiten italienische Archäologen seit 56 Jahren. Foto: KW.
Seit 56 Jahren graben italienische Archäologen der süditalienischen Universität Lecce an dem in der Antike für seine Heilbäder bekannten Ort Hierapolis in der westlichen Türkei. Die Ausgrabungen gelten als erfolgreich. Das Projekt bietet auf einer eigenen Seite Informationen; es gibt Publikationen, Abschlussarbeiten und umfangreiche Unterprojekte, die sich dem Studium der ergrabenen Stadt widmen. Gerade in den letzten Monaten machten die Ausgräber wieder von sich hören, als sie zunächst verkündeten, das lange gesuchte Grab des Apostels Philipp endlich gefunden zu haben, und erneut im Frühjahr 2013, als der Leiter der italienischen Mission, Professor Francesco d’Andria verkündete, man habe das in der Antike berühmte Plutonion gefunden, einen Tempel am Eingang zur Unterwelt. (D’Andria gräbt übrigens in Hierapolis seit dem ersten Ausgrabungsjahr der Italiener vor 56 Jahren, damals noch als Student.) An Erfolgen scheint es dem Team also nicht zu mangeln.
Der typische Tourist ist nicht am antiken Hierapolis, sondern am warmen Bade interessiert. Foto: KW.
Und doch langte dies dem Bürgermeister von Denizli, dem Ort, auf dessen Gebiet Hierapolis heute liegt, nicht. Abdülkadir Demir setzte sich dafür ein, dass ein türkisches Archäologenteam gewissermaßen rund um die Uhr gräbt, 12 Monate im Jahr nämlich. Die Italiener dürfen aufgrund ihrer jahrzehntelangen Erfahrung weiterhin zwei Monate im Jahr mitarbeiten. Herr Demir gesteht zwar zu, dass „56 Jahre lang wichtige Funde gemacht und Restaurationsarbeiten durchgeführt wurden, aber das reicht uns nicht.“
Professionelles Fotoshooting in den Ruinen. Foto: KW.
Seit zwei Jahren standen die italienischen Forschungen in der Kritik, da sie so manchem zu langsam voranschritten. Wie Herr Demir sagte, werde es für die türkische Initiative keine finanziellen Probleme geben, da das zuständige Ministerium sowie die Provinzverwaltung „das notwendige Budget zur Verfügung stellen“.
Nähere Details zu den Plänen sind noch nicht bekannt, daher wird man abwarten müssen, wie sich die Arbeiten gestalten. Doch ein ungutes Gefühl darf einen wohl durchaus beschleichen. Erfahrungsgemäß stellen nicht unzureichende „Funde“ bei archäologischen Grabungen das Problem dar, sondern vielmehr die darauf folgenden (oder eben nicht folgenden) Arbeitsschritte: Dokumentation, Konservierung, wissenschaftliche Aufarbeitung, Publikation und nicht zuletzt Vermittlung an die Öffentlichkeit. Das alles kostet häufig mehr Geld als die eigentliche Ausgrabung und zieht sich über viele Jahre, ja Jahrzehnte hin. (Treffend bemerkte ein Leser eines Internetartikels, Archäologie sei schließlich mehr als Dreck wegschaffen …) Es bleibt zu hoffen, dass auch für die Finanzierung dieser wichtigen Arbeiten gesorgt sein wird. Wann das türkische Ausgrabungsteam bei zwölf Monaten Grabungszeit im Jahr dazu kommen soll, wird allerdings spannend sein zu erfahren.
Die eindrucksvollen Monumente Pompejis lassen sich konservatorisch kaum bewahren. Foto: Morn the Gorn / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en
Falls jedoch der Schwerpunkt auf dem Ergraben und Präsentieren von monumentalen Bauten liegen wird, um noch mehr Touristen anzuziehen, so sollte man ein abschreckendes Beispiel in Italien nicht vergessen: Pompeji. Die vom Vesuv verschüttete Stadt hat in unvergleichlicher Weise das antike Leben für die Nachwelt konserviert. Nach relativ schneller Ausgrabung riesiger Areale ist man heute um alle Stadtteile froh, die noch unter der schützenden Lavaschicht liegen. Denn für die Erhaltung der ergrabenen und restaurierten Bereiche fehlt das Geld und dieses einmalige Kulturerbe wird nach und nach erneut zur Ruine – ohne Chance auf dauerhafte Bewahrung. Hoffen wir, dass dieses Schicksal Hierapolis erspart bleibt.
Die Nachricht findet sich (mit dem Leserkommentar eines gewissen Scott Newman) auf Hurriyet Daily News.
Die italienische Ausgrabungsmission in Hierapolis hat eine informative Internetseite hier.
Hierapolis wird als Weltkulturerbe vorgestellt auf der Seite der UNESCO.
Über das Konservierungsproblem in Pompeji findet sich eine ausführliche Publikation einer Konferenz aus dem Jahr 2003 auf der Seite des World Monuments Fund.