von Björn Schöpe
28. August 2014 – Indianer klagen Karl Mays Erben an! So ließe sich die vordergründige Problematik griffig formulieren. Wem gehört ein Indianerskalp, der vor rund hundert Jahren seinen Weg in eine deutsche Sammlung fand? Dies wird zur Zeit rege debattiert. Was lustig klingt, ist ein echtes Problem, das viele große Museen und Sammlungen betrifft.
Aber zum konkreten Fall: Der Wiener Artist und Indianerexperte Patty Frank richtete 1926 im Garten des verstorbenen Schriftstellers Karl May ein Indianermuseum ein. Unter den Exponaten konnten die Besucher auch Skalpe bewundern, also Teile der menschlichen Kopfhaut, die Indianer ihren getöteten Feinden abgeschnitten hatten.
Einen dieser Skalpe hatte Patty Frank nachweislich 1904 dem Dakota-Häuptling Swift Hawk (Schneller Falke) in den USA abgekauft, der behauptete, er habe ihn seinem Gegner eigenhändig abgenommen. Auch wenn der Preis dafür in den Medien variiert (von hundert bis 1100 Dollar sowie mehreren Flaschen Schnaps ist die Rede), ist unumstritten, dass es sich um ein auch heute noch legales Geschäft handelte.
Unklar ist hingegen, wer der Gegner von Swift Hawk war, juristisch ein nicht unerhebliches Detail. Wann genau zum ersten Mal die Rede davon war, ein Ojibwa sei das Opfer gewesen, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.
Jedenfalls ernannten die im US-Bundesstaat Michigan lebenden Ojibwa-Indianer Cecil Pavlat zu ihrem Rückführungsbeauftragten. Der schrieb an die Direktorin des Karl-May-Museums, Claudia Kaulfuß, und bezeichnete die Ausstellung als „respektlos, beleidigend und unverantwortlich“.
Das Museum ersetzte daraufhin die Skalpe in den Vitrinen durch Rosshaarrepliken, die Originale wanderten in das Magazin, aus „ethischen und politischen Gründen“, wie Kustos Hans Grunert der Sächsischen Zeitung sagte. Dennoch äußerte die Direktorin des Museums: „Die Herkunft des Skalps ist unklar. … Wir sehen die Skalpe als unser rechtmäßiges Eigentum an.“
Die Ojibwa berufen sich auf eine Erklärung der Vereinten Nationen zu den Rechten indigener Völker. Ihnen wird das Recht verbrieft, sterbliche Überreste ihrer Angehörigen aus dem Ausland zurückzuführen, um sie ordentlich zu bestatten. Im Jahr 2007 unterschrieb auch Deutschland diese Erklärung.
Claudia Kaulfuß und Cecil Pavlat haben inzwischen einen „Letter of Understanding“ unterschrieben, in dem sie darin übereinkommen, zu untersuchen, woher der Skalp tatsächlich stammt. Sollte tatsächlich ein Ojibwa betroffen gewesen sein, weigert man sich in Radebeul nicht, über eine Rückgabe zu verhandeln.
Dass gerade das Karl-May-Museum als Nachlassverwalter Karl Mays mit einer solchen Forderung zu kämpfen hat, ist besonders bedauerlich. Immerhin sensibilisierte Karl May zu seiner Zeit (und auch später noch) die deutschsprachigen Leser dafür, dass Ureinwohner Menschen mit Rechten sind, die es zu respektieren gilt. Und auch Patty Franks Museum sah sich stets in dieser Tradition.
Den Artikel in der Süddeutschen Zeitung lesen Sie hier.
Die Sächsische Zeitung berichtete ausführlich über den letzten Stand der Dinge hier …
… und hier.
Hintergrundinfos gibt es auch im Karl-May-Wiki.
Eine lesenswerte Erörterung der mit dieser Problematik verbundenen Fragen publizierte Alexandra Fletcher im Blog des British Museum.
Auch in Russland wurde vor ein paar Jahren ein ähnlicher Fall heiß diskutiert. Dort wollten die Schamanen die „Prinzessin von Ukok“ bestatten. Mehr darüber in der taz.
Die Welt behandelte die umfassendere Problematik anhand von interessanten Beispielen.