28. Oktober 2010 – Bei einem numismatisches Treffen zeigte ein Teilnehmer im Rahmen eines Vortrags griechische Tetradrachmen aus dem 3. Jahrhundert v. Chr., die bei genauer Betrachtung konzentrische Kreise aufwiesen. Solche Kreise tauchen gelegentlich auch auf anderen antiken Münzen auf. Noch während des Vortrages erinnerte ich mich daran, dass diese spiralartigen Kreise auf bestimmten Münzen aus Deutsch Ostafrika / Tabora ebenfalls zu finden sind.
Es ist bemerkenswert, daß Münzen, deren Herstellung mehr als 2000 Jahre auseinander liegt, ähnliche Merkmale aufweisen. Ich will daher den Versuch unternehmen, anhand der 20 Heller von Tabora nachzuweisen, woher die mysteriösen Kreise stammen.
Grundsätzlich gibt es zwei mögliche Ursachen. Entweder waren die Kreise schon vor dem Prägen auf dem Rohling oder sie waren im Stempel vorhanden. Ein nachträgliches Aufbringen dieser spiralartigen Kreise, ist unsinnig und hiermit auszuscheiden.
Wenn die Kreise auf dem Schrötling schon vor der Prägung gewesen wären, hätten die einzelnen Stücke ausgedreht worden sein müssen. Dies ist von einzelnen Proben tatsächlich bekannt. Dieses setzt jedoch voraus, dass die Kreise dort am deutlichsten erkennbar sein müssten, wo der Prägedruck am geringsten war, also auf den erhabenen Teilen wie auf Darstellungen oder Text. Dies trifft hier jedoch nicht zu. Die Kreise waren auf den gezeigten Münzen gerade in der Fläche – wo der Prägedruck am höchsten ist – am stärksten.
Damit müssen die Kreise vom Stempel stammen. Auch dort gibt es mehrere Möglichkeiten. Da fast keine der 20 Heller Münzen mit einer anderen völlig identisch ist, und die meisten dezentrisch geprägt wurden, ist die 20 Heller Münze hervorragend geeignet um nachzuweisen, ob die Kreise sich auf dem Stempel befunden haben.
Die Kreise auf den 20 Heller Münzen befinden sich im Prägebild immer an der gleichen Stelle.
Diese Abbildung zeigt kaum noch Kreise. Vermutlich wurden mit diesem Stempel bereits so viele Münzen geprägt, dass die Kreiszeichnung abgenutzt war. Das Zentrum der Kreise dagegen ist immer noch deutlich sichtbar.
Die Kreise müssen also auf den Stempeln vorhanden gewesen sein. Aber wie kommen sie dorthin? Gab es in der Antike eine spezielle Methode der Stempelreinigung, die man auch in der behelfsmäßigen Münzwerkstatt von Tabora angewendet hat. Mit anderen Worten, hat man früher Stempel anders „abgezogen“ als man das heute tut? Können die Kreise beim Schleifen des Stempels entstanden sein, oder hat es mit der Herstellung des Stempelrohlings zu tun.
Dies sind Fragen, die nur schwer zu beantworten sind. Aber manchmal hilft Kommissar Zufall. Ein guter Freund erzählte mir vor kurzem, dass er bei seinen ersten eigenen Prägeversuchen einer PP Münze, feststellen musste, dass die Prägung nicht in Ordnung war. In der Fläche waren Kreise zu erkennen.
Von ihm wusste ich, wie er den Stempel hergestellt hat. Der Stempelrohling wird von einer Eisenstange abgedreht bzw. abgesägt. Anschließend wird dieser Abschnitt plan gedreht. Die plane bzw. glatte Oberfläche des Rohlings muss nun poliert werden, bevor das Prägebild eingesenkt wird. Wird dieser Vorgang nicht mit größter Sorgfalt durchgeführt, bleiben spiralartige Kreise auf der Stempeloberfläche. Sie sind im Metall kaum sichtbar, werden aber unliebsam deutlich, wenn mit diesem Stempel anschließend geprägt wird.
Genau die gleichen konzentrischen Kreise weisen nun mehrere Hundert 20 Heller Münzen auf. Diese Kreise zeigen keine Überlappung wie es zu erwarten wäre, wenn die Kreise durch ein Schleifen des Arbeitsstempels (z. B. bei einer Zwischenreinigung) entstanden wären. Letzteres ist also als Grund für die Kreise auszuschließen.
Wir dürfen also in diesem Fehler, der meinem Freund unterlaufen ist, die Ursache vermuten für die Kreise, die von der antiken Münze bis heute sich immer mal wieder auf Münzen eingeschlichen haben.
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Übrigens kennen wir solche Kreise auch auf einzelnen Münzen des Ghetto Litzmannstadt. Sie wurden unter schwierigsten Umständen aus Aluminium hergestellt. So lässt sich durch diese Kreise möglicherweise nachvollziehen, ob mit Urpatritzen und Urmatrizen gearbeitet wurde. Wurde jeweils lediglich mit einer Patrize gearbeitet und wurde jeweils der Arbeitsstempel davon gesenkt, konnte es erst gar nicht zu Überlappungen von Kreisen kommen. Achtet man jedoch auch bei der Herstellung der Patrize nicht auf ausreichende Polierwirkung wird man Streifen auf den erhabenen Teilen (also auf den positiven Teilen) des späteren Gepräges finden. (Siehe 5 Pfennigmünze weiter unten).
Da es bei den Münzen aus Tabora häufig zu leichten Dezentrierungen kam und diese unsorgfältige Arbeit wohl auch für die Herstellung der Stempel angenommen werden muss – letztendlich handelte es sich bei den Arbeitern um keine Fachleute der Münzherstellung – müsste es für den Fall, dass mit Urmaterial gearbeitet wurde, zu solchen Überlappungen gekommen sein.
Da es notwendig wurde, für die 15 Rupien Münze mit dem Elefanten einen völlig neuen Stempel anzufertigen – es gibt hier 2 Varianten 728a und 728b, welche sich vor allem durch eine unterschiedliche Arabeske unterscheiden – ist es wahrscheinlich, dass in Tabora tatsächlich die Arbeitsstempel direkt vom Original abgesenkt wurden. Auch bei den 20 Heller Münzen gab es einige Varianten, die sich untereinander nur geringfügig unterschieden; mal mit großer oder kleiner Krone oder mit anderen geringfügigen Änderungen. Es liegt auf der Hand, dass auch bei der Herstellung dieser Münzen ohne Urpatrize und Urmatrize gearbeitet wurde.
Bei deutschen 5 Pfennig Münzen des Kaiserreichs aus Eisen von 1915 bis 1922 (hier 1921D) fand ich einige interessante Exemplare, welche sowohl in der Fläche als auch auf dem erhabenen Teil der Gepräge ähnliche Kreise aufweisen. Diese Münzen wurden in großen Mengen und unter Zeitdruck geprägt. Vielleicht wurde – wie auf vielen Münzen erkennbar – unsorgfältig gearbeitet und das Prägematerial also die Stempel dementsprechend nicht ganz sauber angefertigt, und das könnte hier für die Patrize als auch für die Matrize, also den Arbeitsstempel gelten.
Hier überlappen sich die Kreise nicht. Sind also in der Fläche und auf den erhabenen Stellen Kreise erkennbar, könnte es folglich so gewesen sein, dass sowohl Patrize als auch Matrize nicht richtig bearbeitet wurden. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass es sich bei den Spuren auf der Wertzahl tatsächlich um Schleifspuren (Reinigung) der Patrize handelt. Bei der Patrize ist die Wertzahl – wie auf der Münze – ebenfalls erhaben.
Ich hoffe, Ihre Augen mit meinen Ausführungen geschärft zu haben für die kleinen Besonderheiten, die uns einen Einblick in die Prägetechnik geben. Und ich hoffe, mein lieber Leser, daß Ihnen bei so vielen Kreisen nicht schwindlig geworden ist.
Guy Franquinet